Warum es in Deutschland keine Internet-Milliardäre mehr gibt? Seit dem Platzen der Blase 2000 wollen Anleger kaum noch in Hoffnungswerte investieren.
München - "Geld ist schön. Aber das Thema ist für mich abgehakt. Es ist ja jetzt da", sagt Stephan Schambach im März 2000. Schambach, der eine Labortechniker-Ausbildung abgebrochen hat, ist da gerade 29 und Milliardär dank seiner Software für das Einkaufen im Internet.
1998 hat er als erster Gründer, der in Ostdeutschland geboren wurde, sein Unternehmen an die Börse gebracht, im Jahr darauf legt die Aktie um über 550 Prozent zu. Intershop steht für eine der vermeintlichen Erfolgsgeschichten deutscher Internetunternehmen um die Jahrtausendwende, als alles, was mit dem neuen Medium zu tun hat, die Phantasie der Anleger beflügelt. Private Investoren, Finanzgesellschaften und Konzerne wollen an den Technologien der Zukunft mitverdienen und die Start-ups so schnell wie möglich an den Neuen Markt bringen, die deutsche Börse für Technologieunternehmen. Neun von zehn der Firmen machen Anfang 2000 allerdings Verlust. Ein Jahr später zeigt sich: Auch Intershop verdient nicht so viel Geld wie angekündigt, macht keinen Gewinn. Die Aktie verliert an einem einzigen Tag fast drei Viertel ihres Werts. Als die Internetblase platzt, stürzt das Papier, das einmal 1500 Euro überschritten hatte, sogar auf 89 Cent.
Stephan Schambach auf der Intershop-Hauptversammlung in Hamburg im Juni 2001
Anders als in den USA, wo Technologiewerte in den großen Indizes stark vertreten sind, ist der Softwarekonzern SAP heute der einzige deutsche Technologiewert im Dax, und auch im TecDax zählt nur etwa ein Drittel der Unternehmen zu den Bereichen Software, Hardware und Internet. Die Deutsche Börse hat den TecDax im März 2003 als Nachfolger des Index des Neuen Markts, des Nemax 50, geschaffen. Ob ein Wert im TecDax oder im Index der mittelgroßen Unternehmen MDax landet, bestimmt der Geschäftsbereich, in dem der Konzern das meiste Geld verdient. Nachdem die Internetunternehmen reihenweise aus dem Index gefallen waren, bestimmten kurzzeitig Biotech-Firmen den TecDax; Mitte 2007 machten dann aufgrund des Booms erneuerbarer Energien Solarunternehmen wie Q-Cells, Conergy und Solarworld etwa ein Drittel seines Gewichts aus - nun sind auch sie bis auf SMA Solar Technology wieder verschwunden.
Deutsche Technologie-Aktien hat auch das bislang nicht gestärkt. "Vom Platzen der Internetblase ist einiges hängen geblieben", sagt Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens IDC in Deutschland. In den Vereinigten Staaten scheint die Skepsis überwunden zu sein: Apple, Google, Microsoft und Yahoo gehören zum Index der nach ihrer Marktkapitalisierung größten US-Unternehmen, dem S&P 500, auch Amazon wird dort geführt, ein Unternehmen, das Gewinne regelmäßig dem Wachstum opfert. Zum Index der größten Unternehmen der Technologiebörse, dem Nasdaq 100, gehört außerdem Facebook. Das Reisevergleichsportal Priceline.com, ein mittelgroßer Wert aus dem US-Auswahlindex, ist mit fast 32 Milliarden Euro beinahe so viel wert wie alle 30 TecDax-Werte zusammen.
Sophia Wurm, technische Analystin bei der Commerzbank, sieht darin ein strukturelles Problem: "US-Unternehmen gelten als Innovationsgeber, dort kann die Branche auf eine gewisse Historie blicken und ist besser mit Kapital ausgestattet." Den Bereich der Hardware dominieren ohnehin US- und asiatische Konzerne. "Seit den Erfahrungen um die Jahrtausendwende werden deutsche Aktien eher an den tatsächlichen Gewinnzahlen der Unternehmen gemessen", sagt auch IDC-Geschäftsführer Moussavi-Amin. Das erschwere es beispielsweise einem Start-up wie dem Online-Schuhhändler Zalando, wollte es an die Börse gehen. Das Unternehmen habe seit der Gründung vor viereinhalb Jahren vor allem in Marktanteile und nicht in Profit investiert: "Auf der Grundlage von Luftschlössern an die Börse zu kommen, das funktioniert heute nicht mehr."
Das ist ein Grund dafür, dass in Deutschland der Nachwuchs fehlt. "In den vergangenen Jahren gab es in dem Bereich einfach keinen Börsengang", sagt Commerzbank-Analystin Sturm. Dazu kommt: Deutsche Software-Unternehmen sind häufig in Nischen erfolgreich und können so schlicht nicht groß werden; oder sie werden von Konkurrenten aus dem Ausland oder vom einzigen Dax-Mitglied SAP übernommen. "Selbst Wirecard müsste sich verdreifachen, um sich zum Dax-Kandidaten zu entwickeln. Das ist nicht abzusehen", sagt Sturm. Das Unternehmen bietet elektronischen Zahlungsverkehr an - ein wichtiger Trend in Zeiten stetig wachsender Online-Umsätze. "Außer SAP gibt es mit Abstand kein Unternehmen der Branche, das die Anforderungen an einen Dax-Konzern erfüllen könnte", sagt auch Moussavi-Amin. Innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre werde sich das nicht ändern.
Seit die Internetblase in Deutschland geplatzt ist, fallen die Bewertungen der Technologiewerte deutlich geringer aus. Viele Anleger haben sich enttäuscht von der Branche abgewendet und misstrauen ihr noch immer. Immerhin hat der Crash in Deutschland so viel Kapital vernichtet wie kaum ein anderes Börsenereignis. Steckten Anfang 2000 noch fast 250 Milliarden Euro Kapital im Neuen Markt, waren es ein Jahr später nur noch weniger als 100 Milliarden Euro. Während Wagniskapitalfirmen Ende der Neunzigerjahre problemlos Geld bei Investoren bekamen, fällt es Gründern in Deutschland heute schwerer, über die Anschubfinanzierung hinaus zweistellige Millionenbeträge einzusammeln - gerade wenn sie noch kein Geld verdienen. In den USA ist das anders.
Intershop-Gründer Stephan Schambach soll rechtzeitig vor dem Platzen der Internetblase etwa fünf Prozent seiner Anteile verkauft und damit 30 Millionen Euro eingenommen haben. 2004 verließ er Intershop endgültig. Er gründete in den USA ein neues Unternehmen, auch Demandware entwickelt Programme für den Onlinehandel, Kunden können den Dienst über das Internet nutzen, ohne ihn selbst installieren zu müssen. Im März 2012 hat Schambach seine neue Firma in den USA an die New Yorker Börse NYSE gebracht, es war das fünfte Unternehmen innerhalb nur weniger Monate, das Cloud-Computing-Software entwickelt und sein Debüt an der Nyse gab. Im vergangenen Jahr hat Demandware einen Verlust in Höhe von 8,1 Millionen US-Dollar gemacht. Auch das zeigt die Unterschiede zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten.
Schambach hat für sich einen Grund ausgemacht, warum Gründer bislang kein deutsches Google oder Facebook geschaffen haben. Der Gang an die Börse sei jungen Unternehmen in Deutschland verwehrt, sagte er gerade auf einer Start-up-Konferenz in Berlin: "Wir brauchen eine deutsche Nasdaq."Genau das sollte einmal der Neue Markt sein. Er hat keine zehn Jahre überlebt.
München - "Geld ist schön. Aber das Thema ist für mich abgehakt. Es ist ja jetzt da", sagt Stephan Schambach im März 2000. Schambach, der eine Labortechniker-Ausbildung abgebrochen hat, ist da gerade 29 und Milliardär dank seiner Software für das Einkaufen im Internet.
1998 hat er als erster Gründer, der in Ostdeutschland geboren wurde, sein Unternehmen an die Börse gebracht, im Jahr darauf legt die Aktie um über 550 Prozent zu. Intershop steht für eine der vermeintlichen Erfolgsgeschichten deutscher Internetunternehmen um die Jahrtausendwende, als alles, was mit dem neuen Medium zu tun hat, die Phantasie der Anleger beflügelt. Private Investoren, Finanzgesellschaften und Konzerne wollen an den Technologien der Zukunft mitverdienen und die Start-ups so schnell wie möglich an den Neuen Markt bringen, die deutsche Börse für Technologieunternehmen. Neun von zehn der Firmen machen Anfang 2000 allerdings Verlust. Ein Jahr später zeigt sich: Auch Intershop verdient nicht so viel Geld wie angekündigt, macht keinen Gewinn. Die Aktie verliert an einem einzigen Tag fast drei Viertel ihres Werts. Als die Internetblase platzt, stürzt das Papier, das einmal 1500 Euro überschritten hatte, sogar auf 89 Cent.
Stephan Schambach auf der Intershop-Hauptversammlung in Hamburg im Juni 2001
Anders als in den USA, wo Technologiewerte in den großen Indizes stark vertreten sind, ist der Softwarekonzern SAP heute der einzige deutsche Technologiewert im Dax, und auch im TecDax zählt nur etwa ein Drittel der Unternehmen zu den Bereichen Software, Hardware und Internet. Die Deutsche Börse hat den TecDax im März 2003 als Nachfolger des Index des Neuen Markts, des Nemax 50, geschaffen. Ob ein Wert im TecDax oder im Index der mittelgroßen Unternehmen MDax landet, bestimmt der Geschäftsbereich, in dem der Konzern das meiste Geld verdient. Nachdem die Internetunternehmen reihenweise aus dem Index gefallen waren, bestimmten kurzzeitig Biotech-Firmen den TecDax; Mitte 2007 machten dann aufgrund des Booms erneuerbarer Energien Solarunternehmen wie Q-Cells, Conergy und Solarworld etwa ein Drittel seines Gewichts aus - nun sind auch sie bis auf SMA Solar Technology wieder verschwunden.
Deutsche Technologie-Aktien hat auch das bislang nicht gestärkt. "Vom Platzen der Internetblase ist einiges hängen geblieben", sagt Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens IDC in Deutschland. In den Vereinigten Staaten scheint die Skepsis überwunden zu sein: Apple, Google, Microsoft und Yahoo gehören zum Index der nach ihrer Marktkapitalisierung größten US-Unternehmen, dem S&P 500, auch Amazon wird dort geführt, ein Unternehmen, das Gewinne regelmäßig dem Wachstum opfert. Zum Index der größten Unternehmen der Technologiebörse, dem Nasdaq 100, gehört außerdem Facebook. Das Reisevergleichsportal Priceline.com, ein mittelgroßer Wert aus dem US-Auswahlindex, ist mit fast 32 Milliarden Euro beinahe so viel wert wie alle 30 TecDax-Werte zusammen.
Sophia Wurm, technische Analystin bei der Commerzbank, sieht darin ein strukturelles Problem: "US-Unternehmen gelten als Innovationsgeber, dort kann die Branche auf eine gewisse Historie blicken und ist besser mit Kapital ausgestattet." Den Bereich der Hardware dominieren ohnehin US- und asiatische Konzerne. "Seit den Erfahrungen um die Jahrtausendwende werden deutsche Aktien eher an den tatsächlichen Gewinnzahlen der Unternehmen gemessen", sagt auch IDC-Geschäftsführer Moussavi-Amin. Das erschwere es beispielsweise einem Start-up wie dem Online-Schuhhändler Zalando, wollte es an die Börse gehen. Das Unternehmen habe seit der Gründung vor viereinhalb Jahren vor allem in Marktanteile und nicht in Profit investiert: "Auf der Grundlage von Luftschlössern an die Börse zu kommen, das funktioniert heute nicht mehr."
Das ist ein Grund dafür, dass in Deutschland der Nachwuchs fehlt. "In den vergangenen Jahren gab es in dem Bereich einfach keinen Börsengang", sagt Commerzbank-Analystin Sturm. Dazu kommt: Deutsche Software-Unternehmen sind häufig in Nischen erfolgreich und können so schlicht nicht groß werden; oder sie werden von Konkurrenten aus dem Ausland oder vom einzigen Dax-Mitglied SAP übernommen. "Selbst Wirecard müsste sich verdreifachen, um sich zum Dax-Kandidaten zu entwickeln. Das ist nicht abzusehen", sagt Sturm. Das Unternehmen bietet elektronischen Zahlungsverkehr an - ein wichtiger Trend in Zeiten stetig wachsender Online-Umsätze. "Außer SAP gibt es mit Abstand kein Unternehmen der Branche, das die Anforderungen an einen Dax-Konzern erfüllen könnte", sagt auch Moussavi-Amin. Innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre werde sich das nicht ändern.
Seit die Internetblase in Deutschland geplatzt ist, fallen die Bewertungen der Technologiewerte deutlich geringer aus. Viele Anleger haben sich enttäuscht von der Branche abgewendet und misstrauen ihr noch immer. Immerhin hat der Crash in Deutschland so viel Kapital vernichtet wie kaum ein anderes Börsenereignis. Steckten Anfang 2000 noch fast 250 Milliarden Euro Kapital im Neuen Markt, waren es ein Jahr später nur noch weniger als 100 Milliarden Euro. Während Wagniskapitalfirmen Ende der Neunzigerjahre problemlos Geld bei Investoren bekamen, fällt es Gründern in Deutschland heute schwerer, über die Anschubfinanzierung hinaus zweistellige Millionenbeträge einzusammeln - gerade wenn sie noch kein Geld verdienen. In den USA ist das anders.
Intershop-Gründer Stephan Schambach soll rechtzeitig vor dem Platzen der Internetblase etwa fünf Prozent seiner Anteile verkauft und damit 30 Millionen Euro eingenommen haben. 2004 verließ er Intershop endgültig. Er gründete in den USA ein neues Unternehmen, auch Demandware entwickelt Programme für den Onlinehandel, Kunden können den Dienst über das Internet nutzen, ohne ihn selbst installieren zu müssen. Im März 2012 hat Schambach seine neue Firma in den USA an die New Yorker Börse NYSE gebracht, es war das fünfte Unternehmen innerhalb nur weniger Monate, das Cloud-Computing-Software entwickelt und sein Debüt an der Nyse gab. Im vergangenen Jahr hat Demandware einen Verlust in Höhe von 8,1 Millionen US-Dollar gemacht. Auch das zeigt die Unterschiede zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten.
Schambach hat für sich einen Grund ausgemacht, warum Gründer bislang kein deutsches Google oder Facebook geschaffen haben. Der Gang an die Börse sei jungen Unternehmen in Deutschland verwehrt, sagte er gerade auf einer Start-up-Konferenz in Berlin: "Wir brauchen eine deutsche Nasdaq."Genau das sollte einmal der Neue Markt sein. Er hat keine zehn Jahre überlebt.