Spanien hat zu viele Akademiker für einen zu kleinen Stellenmarkt - und zu viele Schwarzarbeiter.
Madrid - Spaniens Wirtschaft schrumpft. Das Statistikinstitut INE hat erwartungsgemäß für das erste Quartal dieses Jahres einen weiteren Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent bekanntgegeben. Die Arbeitslosenquote wurde vom zuständigen Ministerium zuletzt mit 27 Prozent angegeben, die der Jugendlichen gar mit 57 Prozent, womit Spanien gemeinsam mit Griechenland Schlusslicht in Europa wäre. Allerdings offenbart die Statistik nicht, dass man diese Quote differenziert betrachten muss: Zum einen bezieht sie sich nicht auf die Gesamtheit der jungen Leute unter 25 Jahren, sondern nur auf diejenigen, die aktiv Arbeit suchen, selbst wenn es ein Nebenjob von wenigen Stunden ist. Studenten und Schüler sind in dieser Berechnung also gar nicht berücksichtigt - ebenso wenig wie der hohe Anteil der Schwarzarbeit.
Wirtschaftsinstitute in Madrid und Barcelona schätzen deren Anteil auf ein Viertel des gesamten Arbeitsmarktes. Wenn diese Faktoren einbezogen werden, sucht den Berechnungen zufolge nicht jeder Zweite, sondern höchstens jeder Fünfte junge Spanier eine Stelle. Unklar ist allerdings, wie viele der Studenten wegen ihrer geringen Berufsaussichten ihr Studium verlängern. Sie erhalten keinerlei direkte Finanzleistungen vom Staat, wohnen meist bei ihren Eltern und werden statistisch nicht präzise erfasst.
Auch liegen bislang keine genauen Übersichten vor, wie viele der teilweise sehr gut ausgebildeten Berufsanfänger wirklich eine Stelle gefunden haben, die ihrer Qualifikation entspricht. Die letzte sozialistische Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero hatte bei den 20-Jährigen eine Hochschulquote von 50 Prozent angestrebt, dabei jedoch ignoriert, dass der Arbeitsmarkt so viele Akademiker gar nicht aufnehmen kann. Die Mehrheit der Hochschulabsolventen der letzten Jahre ist für die Tätigkeit, die sie ausüben, überqualifiziert. Der öffentliche Dienst, der früher einen beträchtlichen Teil von ihnen aufgenommen hatte, vor allem Lehrer und Ärzte im staatlichen Gesundheitswesen, ist für die Jungen heute weitgehend verschlossen. Das Sparprogramm der seit Ende 2011 amtierenden konservativen Regierung unter Mariano Rajoy sieht nicht nur einen Einstellungsstopp vor, sondern sogar die Streichung von Zehntausenden von Stellen. Wie alle anderen Mittelmeerländer verfügte auch Spanien bislang nach Auffassung der Europäischen Kommission über aufgeblähte Verwaltungsstrukturen.
Unter den Menschen, die zum Arbeitsamt gehen müssen, sind auch viele Akademiker. Sie sind gut ausgebildet, aber es gibt schlichtweg zu wenig Stellen.
Zweiter Hauptgrund für die spanische Krise ist das Platzen einer Immobilienblase, Folge der verfehlten Wirtschaftspolitik der konservativen Regierung unter José María Aznar (1996 bis 2004).
Nach einer Studie der Madrider Juan-Carlos-Universität erweist sich als Haupthindernis für die junge Generation, dass der Arbeitsmarkt nach wie vor zweigeteilt ist: Die Kündigungsschutzgesetze, die vor allem die von 2004 bis 2011 regierenden Sozialisten durchgesetzt haben, erschweren Entlassungen und schreiben hohe Abfindungen fest. Aus diesem Grunde zögern kleine und mittlere Betriebe, die das Rückgrat der spanischen Volkswirtschaft bilden, Berufseinsteigern selbst nach bestandener Probezeit eine Festanstellung anzubieten. Die meisten Beschäftigten bis 30 Jahre haben nur schlecht dotierte Zeitverträge. EU-Arbeitskommissar Lászlo Andor, einst Berater der mit ihrer Wirtschaftspolitik gescheiterten früheren sozialistischen Regierung Ungarns, forderte Madrid auf, einen 'Einheitsvertrag' gesetzlich zu verankern, der die Berufseinsteiger besser absichern soll. Doch nicht nur Rajoy, sondern auch die oppositionellen Sozialisten in Madrid haben diesen Vorstoß zurückgewiesen.
Rajoy setzt kurzfristig auf eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes, wodurch die Hürde für Neueinstellungen gesenkt werden soll. Auch ist ein Programm zur Förderung von jungen Firmengründern in Kraft getreten. Es sieht geringe Versicherungs- und Steuersätze vor. Überdies gibt es steuerliche Anreize für die Einstellung junger Arbeitssuchender. Anfang Mai konnte Rajoy darauf verweisen, dass die Arbeitslosenzahlen erstmals seit vier Jahren wieder geringfügig abgenommen hätten. Eine Atempause verschafft der Regierung in Madrid nicht nur die Verlängerung der von der EU gesetzten Frist zum Abbau des Haushaltsdefizits, sondern auch das Abflauen der Protestwelle gegen das Sparprogramm. Den Hauptgrund dafür sehen Madrider Kommentatoren in Interessengegensätzen im Lager der Regierungsgegner: die Gewerkschaften wollen Arbeitsplätze verteidigen, links orientierte Studentengruppen verlangen dagegen Berufs- und Aufstiegsperspektiven, somit eine Öffnung des abgeschotteten Arbeitsmarktes.
Mindestens ebenso großes Kopfzerbrechen wie die junge Generation bereiten den Planern im Arbeitsministerium die Arbeitslosen zwischen 30 und 40 Jahren. Diese haben nach einer Untersuchung der Gewerkschaft CCOO wegen ihrer durchweg schlechteren Ausbildung weitaus geringere Chancen als die jüngeren Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt. Ein beträchtlicher Teil von ihnen hat während des Baubooms die Ausbildung abgebrochen. Die Baufirmen und Handwerksbetriebe zahlten nämlich auch ungelernten Kräften gute Gehälter. Oft haben sie Familie, viele von ihnen drückt auch die Last von Krediten und Hypotheken, die sie in den Zeiten des Booms aufgenommen haben. Nur ein kleiner Teil von ihnen kommt in den Genuss besonderer Umschulungsprogramme. Darauf waren die Behörden vor dem Platzen der Immobilienblase vor fünf Jahren nicht vorbereitet, nun fehlt es an Mitteln dazu. Über Wasser halten sich viele Betroffene mit Schwarzarbeit.
Madrid - Spaniens Wirtschaft schrumpft. Das Statistikinstitut INE hat erwartungsgemäß für das erste Quartal dieses Jahres einen weiteren Rückgang der gesamten Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent bekanntgegeben. Die Arbeitslosenquote wurde vom zuständigen Ministerium zuletzt mit 27 Prozent angegeben, die der Jugendlichen gar mit 57 Prozent, womit Spanien gemeinsam mit Griechenland Schlusslicht in Europa wäre. Allerdings offenbart die Statistik nicht, dass man diese Quote differenziert betrachten muss: Zum einen bezieht sie sich nicht auf die Gesamtheit der jungen Leute unter 25 Jahren, sondern nur auf diejenigen, die aktiv Arbeit suchen, selbst wenn es ein Nebenjob von wenigen Stunden ist. Studenten und Schüler sind in dieser Berechnung also gar nicht berücksichtigt - ebenso wenig wie der hohe Anteil der Schwarzarbeit.
Wirtschaftsinstitute in Madrid und Barcelona schätzen deren Anteil auf ein Viertel des gesamten Arbeitsmarktes. Wenn diese Faktoren einbezogen werden, sucht den Berechnungen zufolge nicht jeder Zweite, sondern höchstens jeder Fünfte junge Spanier eine Stelle. Unklar ist allerdings, wie viele der Studenten wegen ihrer geringen Berufsaussichten ihr Studium verlängern. Sie erhalten keinerlei direkte Finanzleistungen vom Staat, wohnen meist bei ihren Eltern und werden statistisch nicht präzise erfasst.
Auch liegen bislang keine genauen Übersichten vor, wie viele der teilweise sehr gut ausgebildeten Berufsanfänger wirklich eine Stelle gefunden haben, die ihrer Qualifikation entspricht. Die letzte sozialistische Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero hatte bei den 20-Jährigen eine Hochschulquote von 50 Prozent angestrebt, dabei jedoch ignoriert, dass der Arbeitsmarkt so viele Akademiker gar nicht aufnehmen kann. Die Mehrheit der Hochschulabsolventen der letzten Jahre ist für die Tätigkeit, die sie ausüben, überqualifiziert. Der öffentliche Dienst, der früher einen beträchtlichen Teil von ihnen aufgenommen hatte, vor allem Lehrer und Ärzte im staatlichen Gesundheitswesen, ist für die Jungen heute weitgehend verschlossen. Das Sparprogramm der seit Ende 2011 amtierenden konservativen Regierung unter Mariano Rajoy sieht nicht nur einen Einstellungsstopp vor, sondern sogar die Streichung von Zehntausenden von Stellen. Wie alle anderen Mittelmeerländer verfügte auch Spanien bislang nach Auffassung der Europäischen Kommission über aufgeblähte Verwaltungsstrukturen.
Unter den Menschen, die zum Arbeitsamt gehen müssen, sind auch viele Akademiker. Sie sind gut ausgebildet, aber es gibt schlichtweg zu wenig Stellen.
Zweiter Hauptgrund für die spanische Krise ist das Platzen einer Immobilienblase, Folge der verfehlten Wirtschaftspolitik der konservativen Regierung unter José María Aznar (1996 bis 2004).
Nach einer Studie der Madrider Juan-Carlos-Universität erweist sich als Haupthindernis für die junge Generation, dass der Arbeitsmarkt nach wie vor zweigeteilt ist: Die Kündigungsschutzgesetze, die vor allem die von 2004 bis 2011 regierenden Sozialisten durchgesetzt haben, erschweren Entlassungen und schreiben hohe Abfindungen fest. Aus diesem Grunde zögern kleine und mittlere Betriebe, die das Rückgrat der spanischen Volkswirtschaft bilden, Berufseinsteigern selbst nach bestandener Probezeit eine Festanstellung anzubieten. Die meisten Beschäftigten bis 30 Jahre haben nur schlecht dotierte Zeitverträge. EU-Arbeitskommissar Lászlo Andor, einst Berater der mit ihrer Wirtschaftspolitik gescheiterten früheren sozialistischen Regierung Ungarns, forderte Madrid auf, einen 'Einheitsvertrag' gesetzlich zu verankern, der die Berufseinsteiger besser absichern soll. Doch nicht nur Rajoy, sondern auch die oppositionellen Sozialisten in Madrid haben diesen Vorstoß zurückgewiesen.
Rajoy setzt kurzfristig auf eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes, wodurch die Hürde für Neueinstellungen gesenkt werden soll. Auch ist ein Programm zur Förderung von jungen Firmengründern in Kraft getreten. Es sieht geringe Versicherungs- und Steuersätze vor. Überdies gibt es steuerliche Anreize für die Einstellung junger Arbeitssuchender. Anfang Mai konnte Rajoy darauf verweisen, dass die Arbeitslosenzahlen erstmals seit vier Jahren wieder geringfügig abgenommen hätten. Eine Atempause verschafft der Regierung in Madrid nicht nur die Verlängerung der von der EU gesetzten Frist zum Abbau des Haushaltsdefizits, sondern auch das Abflauen der Protestwelle gegen das Sparprogramm. Den Hauptgrund dafür sehen Madrider Kommentatoren in Interessengegensätzen im Lager der Regierungsgegner: die Gewerkschaften wollen Arbeitsplätze verteidigen, links orientierte Studentengruppen verlangen dagegen Berufs- und Aufstiegsperspektiven, somit eine Öffnung des abgeschotteten Arbeitsmarktes.
Mindestens ebenso großes Kopfzerbrechen wie die junge Generation bereiten den Planern im Arbeitsministerium die Arbeitslosen zwischen 30 und 40 Jahren. Diese haben nach einer Untersuchung der Gewerkschaft CCOO wegen ihrer durchweg schlechteren Ausbildung weitaus geringere Chancen als die jüngeren Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt. Ein beträchtlicher Teil von ihnen hat während des Baubooms die Ausbildung abgebrochen. Die Baufirmen und Handwerksbetriebe zahlten nämlich auch ungelernten Kräften gute Gehälter. Oft haben sie Familie, viele von ihnen drückt auch die Last von Krediten und Hypotheken, die sie in den Zeiten des Booms aufgenommen haben. Nur ein kleiner Teil von ihnen kommt in den Genuss besonderer Umschulungsprogramme. Darauf waren die Behörden vor dem Platzen der Immobilienblase vor fünf Jahren nicht vorbereitet, nun fehlt es an Mitteln dazu. Über Wasser halten sich viele Betroffene mit Schwarzarbeit.