Hannes Coudenys fotografiert die hässlichsten Häuser Belgiens. Ein Gespräch über Sackgassen, laxe Bauvorschriften und katzenförmige Briefkästen.
Seit Dieter Wieland den deutschen Jägerzaun am Eigenheim als 'Westwall für Dackel' beschimpfte, hat sich niemand mehr so schön über die Architekturvergehen am Einfamilienhaus aufgeregt wie der Belgier Hannes Coudenys. Auf seiner Website 'Ugly belgian houses' sammelt er Fotos von besonders und prototypisch hässlichen Häusern in seinem Heimatland.
Hat schon Streitpotential - so ein Haus.
SZ: Herr Coudenys, seit zwei Jahren fotografieren Sie hässliche belgische Häuser für Ihr Tumblr.
Hannes Coudenys: Kurz nachdem ich angefangen hatte, wollte ein Architekt mich verklagen, da habe Angst bekommen und es wieder gelassen. Seit letztem Sommer mache ich doch weiter, einfach weil ich immer noch all diese hässlichen Häuser sehe.
An den Häusern auf Ihrer Seite kommen Sie zufällig vorbei?
Mittlerweile fahre ich auch viel herum, um gute Häuser zu spotten, die auch wirklich ein besonderes Merkmal an Hässlichkeit haben. Mit der Zeit ist das ein großes Hobby geworden. In fremden Gegenden ist die Wahrnehmung offener, man sieht mehr. Auf der Strecke, die man jeden Tag fährt, wird man blind für diese Sachen.
Nicht sehr verwunderlich, dass ein Architekt Sie verklagen wollte. Ihre Kommentare zu den Häusern sind nicht besonders nett: 'Irgendwas zwischen einer Schlange und einem Penis.' Was macht Sie so wütend auf die belgische Architekturlandschaft?
Mich regt das auf, wenn Leute an ihre Häusern irgendwelche Renovierungen dranbauen, die völlig außer Proportion geraten sind, einen absolut unangemessenen Balkon etwa, den man gar nicht benutzen kann, an ein bescheidenes Haus. Auch schrecklich: Häuser, die direkt aneinandergebaut wurden, und deren Dächer nicht zusammenpassen. Außerdem sieht man dauernd das Phänomen, dass eine Familie ein Haus baut und eine Seite im Rohmaterial offen lassen muss, damit ein zweites Haus angebaut werden kann. Doch da entsteht dann niemals was, warum auch immer. Deswegen stehen hier jetzt Tausende von diesen Häusern herum, die auf ein anderes Haus warten. Das ist so traurig.
Man bekommt auf Ihrer Website den Eindruck, Belgien sei ein besonders hässliches Land.
Das ist es tatsächlich, vor allem weil es so einen Mischmasch von Stilen gibt. Es gibt natürlich viele schöne Häuser, wir haben Gent und Brüssel mit all den wunderbaren historischen Bauten. Aber in die Vorstädten bauen die Leute einfach alles, spanische Villen neben Tirolerhäuser und daran dann noch was Futuristisches. Belgien sticht da wirklich heraus.
Woran liegt das?
Die Bauvorschriften sind hier viel laxer als zum Beispiel in Frankreich oder in den Niederlanden. Es gibt zwar in jeder Stadt eine zuständige Person, die eine Genehmigung erteilen muss, aber das sind meistens Ingenieure, die wenig an die ästhetischen Aspekte denken. Viele Holländer ziehen extra nach Belgien nah der Grenze, nur um sich da dann ihr Traumhaus bauen zu dürfen.
Kann man aus den belgischen Häusern etwas über die Mentalität der Belgier ableiten?
Das alles reflektiert ziemlich gut, wer wir sind. Hier in Belgien sagt man, dass nach dem Krieg, als der Wohlstand kam, Belgier alle einen Ziegelstein im Bauch hatten.
Und unbedingt Eigenheime bauen wollten?
Ja. Die belgische Regierung hat das auch immer sehr gefördert. Belgien gehört zu den Ländern mit den meisten Hausbesitzern in Europa. Wir alle zahlen hier hohe Schulden für unsere Häuser ab. Es heißt immer, das sei gut, um die Belgier ruhig zu halten: Sie werden keine Revolution starten, solange sie für den Rest ihres Lebens ihre Häuser abbezahlen. Und die Belgier sind sehr stolz auf ihre Häuser. Sie wollen sie zu etwas Eigenem, Besonderen machen. Andere haben ihre Autos, wir haben unsere Häuser. Wenn ich Spanien liebe, dann baue ich mir eine spanische Villa. Wenn ich Katzen liebe, baue ich mir einen riesigen Katzenförmigen Briefkasten vors Haus.
Was ist so schlimm daran? Wenn es den Besitzern doch gefällt. Es sind ja immerhin Privathäuser.
Aber ich muss an denen vorbeifahren! Nein, ich verstehe, was Sie meinen. Ich glaube, man müsste die Häuser einfach mehr gruppieren. Es wäre gut, wenn es bestimmte Bereiche gäbe, für die gilt: Hier könnt ihr total verrückt spielen, irgendwas ausprobieren, aber dann auch in Zusammenarbeit mit Experten und Stadtplanern, die das Ganze strukturieren. Ich finde es ja auch gut, wenn Leute abwegige Sachen machen und etwas Radikales bauen, wenn dahinter die Idee steht, etwas Herausragendes und Besonderes zu schaffen. Man sollte beim Bauen dann aber bei einem Stil bleiben und versuchen, das Beste daraus zu machen. Und nicht siebzig verschiedene Stile in einem Haus verbauen.
Was sagen die Besitzer eigentlich, wenn Sie da auftauchen und Fotos von ihrem Haus machen?
Bis jetzt hat mich noch nie jemand erwischt. Ich bin nicht gerade der beste Fotograf der Welt, aber ich bin ziemlich gut darin geworden, schnell zu sein. Und ich habe mittlerweile GPS in meinem Auto, da kann ich sehen, welche Straßen Sackgassen sind. Vorher bin ich immer in Sackgassen gelandet und musste drehen, das hat mich dann schon verdächtig gemacht.
Keiner beschwert sich?
Seit die Seite bekannter ist, kam es ein paar Mal vor, dass sich Leute gemeldet haben und das Foto von ihrem Haus gelöscht haben wollten. Das mache ich natürlich sofort. Mir ist das dann auch immer etwas unangenehm, vor allem wenn ich fragen muss: Welches Haus denn? Das mit der Katzenfigur davor?
Wie sieht Ihr Haus in Belgien eigentlich aus?
Hässlich. Aber wir ziehen nächstes Jahr um.
Seit Dieter Wieland den deutschen Jägerzaun am Eigenheim als 'Westwall für Dackel' beschimpfte, hat sich niemand mehr so schön über die Architekturvergehen am Einfamilienhaus aufgeregt wie der Belgier Hannes Coudenys. Auf seiner Website 'Ugly belgian houses' sammelt er Fotos von besonders und prototypisch hässlichen Häusern in seinem Heimatland.
Hat schon Streitpotential - so ein Haus.
SZ: Herr Coudenys, seit zwei Jahren fotografieren Sie hässliche belgische Häuser für Ihr Tumblr.
Hannes Coudenys: Kurz nachdem ich angefangen hatte, wollte ein Architekt mich verklagen, da habe Angst bekommen und es wieder gelassen. Seit letztem Sommer mache ich doch weiter, einfach weil ich immer noch all diese hässlichen Häuser sehe.
An den Häusern auf Ihrer Seite kommen Sie zufällig vorbei?
Mittlerweile fahre ich auch viel herum, um gute Häuser zu spotten, die auch wirklich ein besonderes Merkmal an Hässlichkeit haben. Mit der Zeit ist das ein großes Hobby geworden. In fremden Gegenden ist die Wahrnehmung offener, man sieht mehr. Auf der Strecke, die man jeden Tag fährt, wird man blind für diese Sachen.
Nicht sehr verwunderlich, dass ein Architekt Sie verklagen wollte. Ihre Kommentare zu den Häusern sind nicht besonders nett: 'Irgendwas zwischen einer Schlange und einem Penis.' Was macht Sie so wütend auf die belgische Architekturlandschaft?
Mich regt das auf, wenn Leute an ihre Häusern irgendwelche Renovierungen dranbauen, die völlig außer Proportion geraten sind, einen absolut unangemessenen Balkon etwa, den man gar nicht benutzen kann, an ein bescheidenes Haus. Auch schrecklich: Häuser, die direkt aneinandergebaut wurden, und deren Dächer nicht zusammenpassen. Außerdem sieht man dauernd das Phänomen, dass eine Familie ein Haus baut und eine Seite im Rohmaterial offen lassen muss, damit ein zweites Haus angebaut werden kann. Doch da entsteht dann niemals was, warum auch immer. Deswegen stehen hier jetzt Tausende von diesen Häusern herum, die auf ein anderes Haus warten. Das ist so traurig.
Man bekommt auf Ihrer Website den Eindruck, Belgien sei ein besonders hässliches Land.
Das ist es tatsächlich, vor allem weil es so einen Mischmasch von Stilen gibt. Es gibt natürlich viele schöne Häuser, wir haben Gent und Brüssel mit all den wunderbaren historischen Bauten. Aber in die Vorstädten bauen die Leute einfach alles, spanische Villen neben Tirolerhäuser und daran dann noch was Futuristisches. Belgien sticht da wirklich heraus.
Woran liegt das?
Die Bauvorschriften sind hier viel laxer als zum Beispiel in Frankreich oder in den Niederlanden. Es gibt zwar in jeder Stadt eine zuständige Person, die eine Genehmigung erteilen muss, aber das sind meistens Ingenieure, die wenig an die ästhetischen Aspekte denken. Viele Holländer ziehen extra nach Belgien nah der Grenze, nur um sich da dann ihr Traumhaus bauen zu dürfen.
Kann man aus den belgischen Häusern etwas über die Mentalität der Belgier ableiten?
Das alles reflektiert ziemlich gut, wer wir sind. Hier in Belgien sagt man, dass nach dem Krieg, als der Wohlstand kam, Belgier alle einen Ziegelstein im Bauch hatten.
Und unbedingt Eigenheime bauen wollten?
Ja. Die belgische Regierung hat das auch immer sehr gefördert. Belgien gehört zu den Ländern mit den meisten Hausbesitzern in Europa. Wir alle zahlen hier hohe Schulden für unsere Häuser ab. Es heißt immer, das sei gut, um die Belgier ruhig zu halten: Sie werden keine Revolution starten, solange sie für den Rest ihres Lebens ihre Häuser abbezahlen. Und die Belgier sind sehr stolz auf ihre Häuser. Sie wollen sie zu etwas Eigenem, Besonderen machen. Andere haben ihre Autos, wir haben unsere Häuser. Wenn ich Spanien liebe, dann baue ich mir eine spanische Villa. Wenn ich Katzen liebe, baue ich mir einen riesigen Katzenförmigen Briefkasten vors Haus.
Was ist so schlimm daran? Wenn es den Besitzern doch gefällt. Es sind ja immerhin Privathäuser.
Aber ich muss an denen vorbeifahren! Nein, ich verstehe, was Sie meinen. Ich glaube, man müsste die Häuser einfach mehr gruppieren. Es wäre gut, wenn es bestimmte Bereiche gäbe, für die gilt: Hier könnt ihr total verrückt spielen, irgendwas ausprobieren, aber dann auch in Zusammenarbeit mit Experten und Stadtplanern, die das Ganze strukturieren. Ich finde es ja auch gut, wenn Leute abwegige Sachen machen und etwas Radikales bauen, wenn dahinter die Idee steht, etwas Herausragendes und Besonderes zu schaffen. Man sollte beim Bauen dann aber bei einem Stil bleiben und versuchen, das Beste daraus zu machen. Und nicht siebzig verschiedene Stile in einem Haus verbauen.
Was sagen die Besitzer eigentlich, wenn Sie da auftauchen und Fotos von ihrem Haus machen?
Bis jetzt hat mich noch nie jemand erwischt. Ich bin nicht gerade der beste Fotograf der Welt, aber ich bin ziemlich gut darin geworden, schnell zu sein. Und ich habe mittlerweile GPS in meinem Auto, da kann ich sehen, welche Straßen Sackgassen sind. Vorher bin ich immer in Sackgassen gelandet und musste drehen, das hat mich dann schon verdächtig gemacht.
Keiner beschwert sich?
Seit die Seite bekannter ist, kam es ein paar Mal vor, dass sich Leute gemeldet haben und das Foto von ihrem Haus gelöscht haben wollten. Das mache ich natürlich sofort. Mir ist das dann auch immer etwas unangenehm, vor allem wenn ich fragen muss: Welches Haus denn? Das mit der Katzenfigur davor?
Wie sieht Ihr Haus in Belgien eigentlich aus?
Hässlich. Aber wir ziehen nächstes Jahr um.