Vier Journalisten wollen einen GPS-Sender in ein Stück Elektroschrott einbauen und dem Gerät dann nachreisen um herauszufinden, wie daraus wieder Geld gemacht wird. Um am Ende selbst natürlich auch etwas an dieser Geschichte zu verdienen.
Rooibostee und Zigaretten, bitte nur auf dem Balkon rauchen. Eine Wohnung im Hamburger Grindelviertel. Jahresanfang 2013. Ein paar Monate ist es jetzt her, dass die Financial Times Deutschland (FTD) abgeraucht ist. Man habe abgewogen, ob man Chancen für das Blatt sehe, hat sich Verlagschefin Julia Jäkel zitieren lassen. "Und diese Frage haben wir am Ende mit Nein beantwortet."
Keine Chance, drauf gepfiffen: Im Grindelviertel sitzen in diesem Winter vier Journalisten und sie glauben an sich und an ihre Arbeit, sie spüren, dass der Umbruch im Journalismus ein Aufbruch sein kann. Sie sehen die neuen, digitalen Werkzeuge, und obwohl sie vor allem erfahrene Print-Redakteure sind, wollen sie mit den neuen Möglichkeiten arbeiten. Was heißt "obwohl". Es müsste heißen: "weil." Denn was ist Journalismus am Anfang anderes als Neugierde, egal ob im Netz oder gedruckt.
Deshalb sehen Carolyn Braun, 37, Marcus Pfeil, 37, Felix Rohrbeck, 32, und Christian Salewski, 33, eine Chance für sie selber. Alle vier haben entweder als freie Journalisten oder fest angestellt einst für die FTD oder andere G+J Wirtschaftsmedien gearbeitet, sie sind Stipendiaten und Preisträger. Jetzt sehen sie die Möglichkeit, eine starke Geschichte zu recherchieren, und multimedial umzusetzen. Digital arbeiten, statt "digital aufbereiten". "Nicht meckern, nicht heulen. Stattdessen: raus ins Unwetter", sagt Salewski. Die Frage ist: Was findet man da draußen?
Ideen haben sie viele, beim Rauchen und Teetrinken, aber es dauert eine Weile, bis sie zufrieden sind. Dann aber, schließlich, die Idee: Die Journalisten verbauen kleine GPS-Sender in alte Fernseher, die ohnehin auf der Straße zum Abholen bereitstehen. Diese Fernseher, so viel ist nach einer Vorab-Recherche klar, landen so wahrscheinlich wie bedauerlicherweise auf Altmülldeponien in Asien und Afrika. Dort müssen wohl oft Kinder die giftigen Geräte zerlegen. Keine schöne Geschichte, aber eine interessante. "Hammer", erinnert sich Salewski, "uns war klar: Das ist cool, das wollen wir machen."
Die vier Journalisten wollen dem Signal der GPS-Empfänger nachreisen und so den Weg des deutschen Elektroschrotts transparent machen. Sie möchten mit den Menschen reden, die mit dem Müll in Berührung kommen, mit Kapitänen, Händlern, Arbeitern. So soll die Geschichte entstehen, die sie erzählen wollen. Sie haben eine Webseite gestaltet, auf der sie von jedem Schritt ihrer Vorbereitungen und Recherche berichten. Und sie haben sich einen Namen überlegt: "Follow the Money." Elektroschrott ist für Händler pures Geld, die Reise der Journalisten wird an einer Wertschöpfungskette entlangführen.
Was wird aus alten Fernsehern wie diesen? Dieser Frage wollen die Journalisten nachgehen.
Dem Geld folgen, das müssen allerdings auch Braun, Pfeil, Rohrbeck und Salewski. Und als Freiberufler müssen sie sich selbst darum kümmern, dass sie auf den Kosten nicht sitzen bleiben. Sondern, hoffentlich, vielleicht, Gewinn machen. Ihren Lohn erhalten sie, wenn sie die Geschichte an Redaktionen verkaufen. Sie möchten sie multimedial erzählen, sie können sich gedruckte Texte vorstellen, Filme, interaktive Varianten für Webseiten. Doch das alleine reicht nicht. "So aufwendige Recherchen sind teuer", sagt Salewski, "deshalb musste eine neue Finanzierungsart her."
Ziemliches Glück also, dass fast zeitgleich der Journalist Sebastian Esser, 36, eine Webseite ins Netz gestellt hat, auf der Journalisten mit Ideen und ohne Geld um Unterstützung bitten können. Auf Essers Webseite, krautreporter.net, stellt das Viererteam die Idee "Follow the Money" vor und bittet um Spenden. Gleichzeitig tauschen sie sich über die Webseite mit ihren Spendern aus, die auch ihre Leser sein werden, vielleicht sogar ihre Fans. Die neue Finanzierungsart ist für die Journalisten auch ein Marketinginstrument.
Und sie sind nicht die einzigen. Seit dem Start der Spendenseite im Februar sind 23 Projekte gestartet. 15 davon wurden abgeschlossen, das heißt, sie erreichten die von den jeweiligen Initiatoren erhoffte Summe an Geld. Vier Projekte sind an dieser Hürde gescheitert, vier weitere laufen noch, darunter auch "Follow the Money". Salewski und seine Kollegen haben bislang von 123 Unterstützern 4439 Euro von angepeilten 4950 Euro eingesammelt, 15 Tage haben sie noch Zeit. Könnte klappen.
Von allen Finanzierungsrunden behält Esser fünf Prozent. Bei den 71300 Euro, die seit Februar über sein Portal geflossen sind, macht das kaum 3600 Euro. "Damit mach" ich kein Geld, das war mir vorher klar", sagt Esser. Er profitiere auf andere Art, lerne viel über die neuen Formen von Journalismus. Vor allem aber: "Ich hatte keine Lust mehr auf Untergangsgerede in der Branche. Ich wollte mich lieber nach vorne bewegen." Da klingt er, wie die Menschen, die seine Seite nutzen. Seine Miete kann Esser übrigens trotz allem bezahlen, er hat vor ein paar Jahren ein Start-Up gegründet und an die Post verkauft.
Auch Salewski und seine Kollegen hätten nichts dagegen, wenn aus dem Experiment "Follow the Money" irgendwann mehr würde: eine feste Struktur, regelmäßige Projekte. Ungenutztes Potenzial gibt es in Deutschland, derzeit leider, genug, sagt Salewski: "Bei Gruner+Jahr hat der Verlag eine erstklassige und vor allem experimentierfreudige Redaktion junger, hungriger Leute abgeschossen."
Rooibostee und Zigaretten, bitte nur auf dem Balkon rauchen. Eine Wohnung im Hamburger Grindelviertel. Jahresanfang 2013. Ein paar Monate ist es jetzt her, dass die Financial Times Deutschland (FTD) abgeraucht ist. Man habe abgewogen, ob man Chancen für das Blatt sehe, hat sich Verlagschefin Julia Jäkel zitieren lassen. "Und diese Frage haben wir am Ende mit Nein beantwortet."
Keine Chance, drauf gepfiffen: Im Grindelviertel sitzen in diesem Winter vier Journalisten und sie glauben an sich und an ihre Arbeit, sie spüren, dass der Umbruch im Journalismus ein Aufbruch sein kann. Sie sehen die neuen, digitalen Werkzeuge, und obwohl sie vor allem erfahrene Print-Redakteure sind, wollen sie mit den neuen Möglichkeiten arbeiten. Was heißt "obwohl". Es müsste heißen: "weil." Denn was ist Journalismus am Anfang anderes als Neugierde, egal ob im Netz oder gedruckt.
Deshalb sehen Carolyn Braun, 37, Marcus Pfeil, 37, Felix Rohrbeck, 32, und Christian Salewski, 33, eine Chance für sie selber. Alle vier haben entweder als freie Journalisten oder fest angestellt einst für die FTD oder andere G+J Wirtschaftsmedien gearbeitet, sie sind Stipendiaten und Preisträger. Jetzt sehen sie die Möglichkeit, eine starke Geschichte zu recherchieren, und multimedial umzusetzen. Digital arbeiten, statt "digital aufbereiten". "Nicht meckern, nicht heulen. Stattdessen: raus ins Unwetter", sagt Salewski. Die Frage ist: Was findet man da draußen?
Ideen haben sie viele, beim Rauchen und Teetrinken, aber es dauert eine Weile, bis sie zufrieden sind. Dann aber, schließlich, die Idee: Die Journalisten verbauen kleine GPS-Sender in alte Fernseher, die ohnehin auf der Straße zum Abholen bereitstehen. Diese Fernseher, so viel ist nach einer Vorab-Recherche klar, landen so wahrscheinlich wie bedauerlicherweise auf Altmülldeponien in Asien und Afrika. Dort müssen wohl oft Kinder die giftigen Geräte zerlegen. Keine schöne Geschichte, aber eine interessante. "Hammer", erinnert sich Salewski, "uns war klar: Das ist cool, das wollen wir machen."
Die vier Journalisten wollen dem Signal der GPS-Empfänger nachreisen und so den Weg des deutschen Elektroschrotts transparent machen. Sie möchten mit den Menschen reden, die mit dem Müll in Berührung kommen, mit Kapitänen, Händlern, Arbeitern. So soll die Geschichte entstehen, die sie erzählen wollen. Sie haben eine Webseite gestaltet, auf der sie von jedem Schritt ihrer Vorbereitungen und Recherche berichten. Und sie haben sich einen Namen überlegt: "Follow the Money." Elektroschrott ist für Händler pures Geld, die Reise der Journalisten wird an einer Wertschöpfungskette entlangführen.
Was wird aus alten Fernsehern wie diesen? Dieser Frage wollen die Journalisten nachgehen.
Dem Geld folgen, das müssen allerdings auch Braun, Pfeil, Rohrbeck und Salewski. Und als Freiberufler müssen sie sich selbst darum kümmern, dass sie auf den Kosten nicht sitzen bleiben. Sondern, hoffentlich, vielleicht, Gewinn machen. Ihren Lohn erhalten sie, wenn sie die Geschichte an Redaktionen verkaufen. Sie möchten sie multimedial erzählen, sie können sich gedruckte Texte vorstellen, Filme, interaktive Varianten für Webseiten. Doch das alleine reicht nicht. "So aufwendige Recherchen sind teuer", sagt Salewski, "deshalb musste eine neue Finanzierungsart her."
Ziemliches Glück also, dass fast zeitgleich der Journalist Sebastian Esser, 36, eine Webseite ins Netz gestellt hat, auf der Journalisten mit Ideen und ohne Geld um Unterstützung bitten können. Auf Essers Webseite, krautreporter.net, stellt das Viererteam die Idee "Follow the Money" vor und bittet um Spenden. Gleichzeitig tauschen sie sich über die Webseite mit ihren Spendern aus, die auch ihre Leser sein werden, vielleicht sogar ihre Fans. Die neue Finanzierungsart ist für die Journalisten auch ein Marketinginstrument.
Und sie sind nicht die einzigen. Seit dem Start der Spendenseite im Februar sind 23 Projekte gestartet. 15 davon wurden abgeschlossen, das heißt, sie erreichten die von den jeweiligen Initiatoren erhoffte Summe an Geld. Vier Projekte sind an dieser Hürde gescheitert, vier weitere laufen noch, darunter auch "Follow the Money". Salewski und seine Kollegen haben bislang von 123 Unterstützern 4439 Euro von angepeilten 4950 Euro eingesammelt, 15 Tage haben sie noch Zeit. Könnte klappen.
Von allen Finanzierungsrunden behält Esser fünf Prozent. Bei den 71300 Euro, die seit Februar über sein Portal geflossen sind, macht das kaum 3600 Euro. "Damit mach" ich kein Geld, das war mir vorher klar", sagt Esser. Er profitiere auf andere Art, lerne viel über die neuen Formen von Journalismus. Vor allem aber: "Ich hatte keine Lust mehr auf Untergangsgerede in der Branche. Ich wollte mich lieber nach vorne bewegen." Da klingt er, wie die Menschen, die seine Seite nutzen. Seine Miete kann Esser übrigens trotz allem bezahlen, er hat vor ein paar Jahren ein Start-Up gegründet und an die Post verkauft.
Auch Salewski und seine Kollegen hätten nichts dagegen, wenn aus dem Experiment "Follow the Money" irgendwann mehr würde: eine feste Struktur, regelmäßige Projekte. Ungenutztes Potenzial gibt es in Deutschland, derzeit leider, genug, sagt Salewski: "Bei Gruner+Jahr hat der Verlag eine erstklassige und vor allem experimentierfreudige Redaktion junger, hungriger Leute abgeschossen."