Normalerweise liegt der Niederschlag in Südbayern bei jährlich 1000 Liter pro Quadratmeter - 40 Prozent davon sind in den letzten drei Tagen gefallen.
Am Montagvormittag begann die große Suche. Nicht nach einem der versunkenen Autos, die in dem trüben Wasser ohnehin nicht mehr zu sehen sind. Nicht nach irgendwelchen Möbeln, die von den Fluten der Donau fortgespült wurden. Es begann die Suche nach der nächsten Rekordzahl. Hatte Passau jemals so eine Überschwemmung erlebt? Und wenn ja: wann?
Doch wen interessierte das eigentlich?
Wie sinnlos irgendwelche Höchstmarken sind, wenn die Gewalten der Natur sich ihre Bahn brechen, erfahren die Einwohner von Passau seit drei Tagen. Als die Donau beim Jahrhunderthochwasser 2002 auf 10,81 Meter anschwoll und Teile der Altstadt überflutete, schwor sich ein Schuhhändler: So etwas würde ihm nicht mehr passieren. Er verlegte seinen Laden in die höher gelegene Fußgängerzone. Zwar zahlte er nun mehr Miete, doch er fühlte sich sicher. Am Montag war sein Laden der erste, der überschwemmt wurde.
In Passau, der Dreiflüssestadt, in der Donau, Inn und Ilz oft auf so tragische Weise zusammenfließen, gibt es seit Tagen keine Grenzen mehr. Von Straßenlaternen ragen lediglich Köpfe aus dem Wasser. Sonnenschirme, die Cafébesuchern Schatten spenden sollen, sind nur als grüne Stofffetzen zu erkennen. Ganze Straßenzüge haben keinen Strom mehr, Anwohner können nur mit Booten versorgt werden. Autos parken auf jeder noch so kleinen Erhebung Stoßstange an Stoßstange. Eine knappe Stunde später werden sie bis zu den Außenspiegeln im Wasser stehen.
Passau versinkt, und man kann dabei zusehen. Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) atmet schwer, wenn er über das Ausmaß der Katastrophe berichtet. "Sehr besorgniserregend" sei die Lage. Wenn Dupper, ein kerniger Bayer mit Vollbart, so etwas sagt, muss es wirklich schlimm stehen um die Stadt. Am Montag erreichte der Pegel der Donau jene 12,20 Meter, die beim historischen Hochwasser 1954 gemessen wurden. Doch der Scheitelpunkt der Donau wird erst für Dienstag erwartet. 13 Meter seien nicht mehr auszuschließen, sagt Dupper. Pressekonferenzen finden seit Tagen auf der Ostrampe der Schanzlbrücke statt, auch das Rathaus ist längst versunken.
Lange trotzte Passau den Fluten mit seiner ganzen Routine. Die Menschen schichteten Sandsäcke auf und verrammelten ihre Häuser, wie sie das immer taten. Doch jetzt sind nicht nur die Viertel an der Donau betroffen, sondern auch die am Inn. Am Montag vereinten sich beide Flüsse in der Fußgängerzone zu einem braunen See, aus dem nur noch die gestapelten Stühle einer Eisdiele herausragen. Vor einem Bekleidungsgeschäft, wo sonst Fahrräder abgestellt werden, liegt ein grünes Kanu.
Hunderte Helfer kämpfen seit Tagen einen Kampf, der sich nicht gewinnen lässt. Am Montag sind 120 Soldaten der Bundeswehr, Spezialkräfte des Technischen Hilfswerks und Bereitschaftspolizisten angerückt. Die Stadt ist erfüllt von Blaulicht und Sirenengeheul. Für Dienstag haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer angekündigt. Der Freistaat hat für ganz Bayern ein Hilfspaket von 150 Millionen Euro angekündigt. Allein in Passau lagen die Schäden beim letzten Hochwasser bei zehn Millionen Euro. Viele Anwohner haben ihre Häuser mit sauberem Wasser geflutet, um sie vor dem Dreck der Flüsse zu schützen. Setzt sich der Sand aus dem Inn erst einmal ab, werde er innerhalb eines Tages hart wie Beton, sagt der Oberbürgermeister.
Die Not ist groß, und sie provoziert geradezu absurde Szenen. Ausgerechnet als die Marke von 12,20 Metern gefallen war (normaler Pegelstand: 4,50 Meter), gab die automatische Datenübertragung von den Wasserpegeln an der Donau ihren Geist auf. Zuletzt wurde mit einer Messlatte vom Boot aus 12,50 Meter gemessen. Am Nachmittag mussten die Stadtwerke die Trinkwasserversorgung einstellen - und das inmitten eines Meers von Wasser. Das bisher schlimmste Hochwasser, heißt es, soll 1501 gemessen worden sein - angeblich mit gut 13 Metern. Doch so genau weiß das letztlich keiner.
Image may be NSFW.
Clik here to view.
Anhand dieser Parkplatzschilder lässt sich der Wasserstand zwar nicht abmessen. Klar ist aber, dass hier kein Auto mehr parken kann.
Neben Passau waren die oberbayerischen Städte Rosenheim und Kolbermoor sowie die Region um den Chiemsee ein weiterer Krisenherd. In der Nacht zum Montag war ein Damm am Auerbach im Rosenheimer Stadtteil Oberwöhr gebrochen und hatte Straßen und Häuser unter Wasser gesetzt. Es kam zu dramatischen Szenen. Die Einsatzleitung entschloss sich daraufhin, ganze Straßenzüge zu evakuieren und 1200 Menschen in Sicherheit zu bringen. In einem Haus kam es auch aufgrund des Hochwassers zu einer Gasexplosion. Glücklicherweise konnte die Leitung rasch gesperrt werden, ehe weitere Gefahr drohte.
Kritisch blieb den ganzen Montag über jedoch die Situation an der Mangfall in Kolbermoor. Dort hatte bereits am Sonntag das Hochwasser einen Damm überspült, und die Einsatzkräfte befürchteten, dass das aufgeweichte Erdreich die gewaltigen Wassermassen nicht mehr lange würde halten können. Noch den ganzen Samstag hatten viele Helfer den Damm mit Sandsäcken und Gewichten zu stabilisieren versucht, mussten dann aber wegen zu großer Gefahr abgezogen werden. Doch der Damm hielt.
Die gewaltigen Regenmassen, die seit Tagen über dem südlichen Oberbayern niedergegangen waren, hatten auch viele kleinere Flüsse in reißende und tosende Gewässer verwandelt. Vor allem die Tiroler Achen am Chiemsee bereiteten den Helfern von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk große Probleme. Doch irgendwann war der Kampf vergebens: Die dreckig-braunen Fluten überschwemmten die südlich des Chiemsees vorbeiführende Autobahn 8 von München nach Salzburg, eine der wichtigsten Transitstrecken im Freistaat. Niemand konnte sich erinnern, dass es das in der Vergangenheit schon einmal gegeben hätte. Die Autobahn musste deshalb zwischen Bernau und Grabenstätt in beiden Fahrtrichtungen komplett gesperrt werden. Und das, obwohl der Rückreiseverkehr aus den Pfingstferien voll im Gange war. Die Polizei konnte nicht einmal schlüssige Umleitungsstrecken angeben, weil auch die Straßen in der näheren Umgebung durch Hochwasser und umgestürzte Bäume zum Teil unpassierbar geworden waren.
Am Montag kündigte dann Bayerns Innenminister Joachim Herrmann an, dass die Autobahn vermutlich noch bis Donnerstag gesperrt bleiben wird. Nach Ablauf des Wassers müsse sie erst gründlich auf etwaige Schäden untersucht werden. Unterbrochen werden musste wegen des Hochwassers auch die Bahnlinie München-Rosenheim-Salzburg. Der Bahnhof Rosenheim war bis Montagnachmittag gesperrt. Der Sylvensteinspeicher im Landkreis Bad-Tölz-Wolfratshausen, der als Wasserrückhaltebecken für den Gebirgsfluss Isar fungiert, war am Montag bis zur Oberkante gefüllt. Ohne dieses Hochwassermanagement des Speichers hätten viele Gemeinden entlang der Isar und nicht zuletzt die Landeshauptstadt München ein massives Hochwasserproblem bekommen. Meteorologen berichteten, dass in einigen Regionen Bayerns von Donnerstag bis in der Nacht zum Montag fast 400 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen sind. Das sind in der Summe etwa 40 Prozent des jährlichen Gesamtniederschlags in Südbayern, der bei etwa 1000 Liter pro Quadratmeter liegt.
Auch für die Stadt Regensburg konnte am Montag noch keine Entwarnung gegeben werden, im Gegenteil. Die Rettungskräfte stellten sich trotz der mobilen Hochwasserschutzelemente auf Evakuierungsmaßnahmen ein. Alle sind betroffen. Am Dienstag und Mittwoch fällt der komplette Unterricht in Passau aus, auch die Abi-Prüfungen wurden abgesetzt.
Die Natur kennt keine Gnade. Selbst die Justizvollzugsanstalt Passau ist nicht mehr sicher. Sicher ist nur, dass die Strafgefangenen verlegt werden müssen.
Am Montagvormittag begann die große Suche. Nicht nach einem der versunkenen Autos, die in dem trüben Wasser ohnehin nicht mehr zu sehen sind. Nicht nach irgendwelchen Möbeln, die von den Fluten der Donau fortgespült wurden. Es begann die Suche nach der nächsten Rekordzahl. Hatte Passau jemals so eine Überschwemmung erlebt? Und wenn ja: wann?
Doch wen interessierte das eigentlich?
Wie sinnlos irgendwelche Höchstmarken sind, wenn die Gewalten der Natur sich ihre Bahn brechen, erfahren die Einwohner von Passau seit drei Tagen. Als die Donau beim Jahrhunderthochwasser 2002 auf 10,81 Meter anschwoll und Teile der Altstadt überflutete, schwor sich ein Schuhhändler: So etwas würde ihm nicht mehr passieren. Er verlegte seinen Laden in die höher gelegene Fußgängerzone. Zwar zahlte er nun mehr Miete, doch er fühlte sich sicher. Am Montag war sein Laden der erste, der überschwemmt wurde.
In Passau, der Dreiflüssestadt, in der Donau, Inn und Ilz oft auf so tragische Weise zusammenfließen, gibt es seit Tagen keine Grenzen mehr. Von Straßenlaternen ragen lediglich Köpfe aus dem Wasser. Sonnenschirme, die Cafébesuchern Schatten spenden sollen, sind nur als grüne Stofffetzen zu erkennen. Ganze Straßenzüge haben keinen Strom mehr, Anwohner können nur mit Booten versorgt werden. Autos parken auf jeder noch so kleinen Erhebung Stoßstange an Stoßstange. Eine knappe Stunde später werden sie bis zu den Außenspiegeln im Wasser stehen.
Passau versinkt, und man kann dabei zusehen. Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) atmet schwer, wenn er über das Ausmaß der Katastrophe berichtet. "Sehr besorgniserregend" sei die Lage. Wenn Dupper, ein kerniger Bayer mit Vollbart, so etwas sagt, muss es wirklich schlimm stehen um die Stadt. Am Montag erreichte der Pegel der Donau jene 12,20 Meter, die beim historischen Hochwasser 1954 gemessen wurden. Doch der Scheitelpunkt der Donau wird erst für Dienstag erwartet. 13 Meter seien nicht mehr auszuschließen, sagt Dupper. Pressekonferenzen finden seit Tagen auf der Ostrampe der Schanzlbrücke statt, auch das Rathaus ist längst versunken.
Lange trotzte Passau den Fluten mit seiner ganzen Routine. Die Menschen schichteten Sandsäcke auf und verrammelten ihre Häuser, wie sie das immer taten. Doch jetzt sind nicht nur die Viertel an der Donau betroffen, sondern auch die am Inn. Am Montag vereinten sich beide Flüsse in der Fußgängerzone zu einem braunen See, aus dem nur noch die gestapelten Stühle einer Eisdiele herausragen. Vor einem Bekleidungsgeschäft, wo sonst Fahrräder abgestellt werden, liegt ein grünes Kanu.
Hunderte Helfer kämpfen seit Tagen einen Kampf, der sich nicht gewinnen lässt. Am Montag sind 120 Soldaten der Bundeswehr, Spezialkräfte des Technischen Hilfswerks und Bereitschaftspolizisten angerückt. Die Stadt ist erfüllt von Blaulicht und Sirenengeheul. Für Dienstag haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer angekündigt. Der Freistaat hat für ganz Bayern ein Hilfspaket von 150 Millionen Euro angekündigt. Allein in Passau lagen die Schäden beim letzten Hochwasser bei zehn Millionen Euro. Viele Anwohner haben ihre Häuser mit sauberem Wasser geflutet, um sie vor dem Dreck der Flüsse zu schützen. Setzt sich der Sand aus dem Inn erst einmal ab, werde er innerhalb eines Tages hart wie Beton, sagt der Oberbürgermeister.
Die Not ist groß, und sie provoziert geradezu absurde Szenen. Ausgerechnet als die Marke von 12,20 Metern gefallen war (normaler Pegelstand: 4,50 Meter), gab die automatische Datenübertragung von den Wasserpegeln an der Donau ihren Geist auf. Zuletzt wurde mit einer Messlatte vom Boot aus 12,50 Meter gemessen. Am Nachmittag mussten die Stadtwerke die Trinkwasserversorgung einstellen - und das inmitten eines Meers von Wasser. Das bisher schlimmste Hochwasser, heißt es, soll 1501 gemessen worden sein - angeblich mit gut 13 Metern. Doch so genau weiß das letztlich keiner.
Image may be NSFW.
Clik here to view.

Anhand dieser Parkplatzschilder lässt sich der Wasserstand zwar nicht abmessen. Klar ist aber, dass hier kein Auto mehr parken kann.
Neben Passau waren die oberbayerischen Städte Rosenheim und Kolbermoor sowie die Region um den Chiemsee ein weiterer Krisenherd. In der Nacht zum Montag war ein Damm am Auerbach im Rosenheimer Stadtteil Oberwöhr gebrochen und hatte Straßen und Häuser unter Wasser gesetzt. Es kam zu dramatischen Szenen. Die Einsatzleitung entschloss sich daraufhin, ganze Straßenzüge zu evakuieren und 1200 Menschen in Sicherheit zu bringen. In einem Haus kam es auch aufgrund des Hochwassers zu einer Gasexplosion. Glücklicherweise konnte die Leitung rasch gesperrt werden, ehe weitere Gefahr drohte.
Kritisch blieb den ganzen Montag über jedoch die Situation an der Mangfall in Kolbermoor. Dort hatte bereits am Sonntag das Hochwasser einen Damm überspült, und die Einsatzkräfte befürchteten, dass das aufgeweichte Erdreich die gewaltigen Wassermassen nicht mehr lange würde halten können. Noch den ganzen Samstag hatten viele Helfer den Damm mit Sandsäcken und Gewichten zu stabilisieren versucht, mussten dann aber wegen zu großer Gefahr abgezogen werden. Doch der Damm hielt.
Die gewaltigen Regenmassen, die seit Tagen über dem südlichen Oberbayern niedergegangen waren, hatten auch viele kleinere Flüsse in reißende und tosende Gewässer verwandelt. Vor allem die Tiroler Achen am Chiemsee bereiteten den Helfern von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk große Probleme. Doch irgendwann war der Kampf vergebens: Die dreckig-braunen Fluten überschwemmten die südlich des Chiemsees vorbeiführende Autobahn 8 von München nach Salzburg, eine der wichtigsten Transitstrecken im Freistaat. Niemand konnte sich erinnern, dass es das in der Vergangenheit schon einmal gegeben hätte. Die Autobahn musste deshalb zwischen Bernau und Grabenstätt in beiden Fahrtrichtungen komplett gesperrt werden. Und das, obwohl der Rückreiseverkehr aus den Pfingstferien voll im Gange war. Die Polizei konnte nicht einmal schlüssige Umleitungsstrecken angeben, weil auch die Straßen in der näheren Umgebung durch Hochwasser und umgestürzte Bäume zum Teil unpassierbar geworden waren.
Am Montag kündigte dann Bayerns Innenminister Joachim Herrmann an, dass die Autobahn vermutlich noch bis Donnerstag gesperrt bleiben wird. Nach Ablauf des Wassers müsse sie erst gründlich auf etwaige Schäden untersucht werden. Unterbrochen werden musste wegen des Hochwassers auch die Bahnlinie München-Rosenheim-Salzburg. Der Bahnhof Rosenheim war bis Montagnachmittag gesperrt. Der Sylvensteinspeicher im Landkreis Bad-Tölz-Wolfratshausen, der als Wasserrückhaltebecken für den Gebirgsfluss Isar fungiert, war am Montag bis zur Oberkante gefüllt. Ohne dieses Hochwassermanagement des Speichers hätten viele Gemeinden entlang der Isar und nicht zuletzt die Landeshauptstadt München ein massives Hochwasserproblem bekommen. Meteorologen berichteten, dass in einigen Regionen Bayerns von Donnerstag bis in der Nacht zum Montag fast 400 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen sind. Das sind in der Summe etwa 40 Prozent des jährlichen Gesamtniederschlags in Südbayern, der bei etwa 1000 Liter pro Quadratmeter liegt.
Auch für die Stadt Regensburg konnte am Montag noch keine Entwarnung gegeben werden, im Gegenteil. Die Rettungskräfte stellten sich trotz der mobilen Hochwasserschutzelemente auf Evakuierungsmaßnahmen ein. Alle sind betroffen. Am Dienstag und Mittwoch fällt der komplette Unterricht in Passau aus, auch die Abi-Prüfungen wurden abgesetzt.
Die Natur kennt keine Gnade. Selbst die Justizvollzugsanstalt Passau ist nicht mehr sicher. Sicher ist nur, dass die Strafgefangenen verlegt werden müssen.