Die 08/15-Galerie ist out. Der Künstler von heute verlegt seine Ausstellung in die Fabrikhalle oder das Naturkundemuseum.
Die zeitgenössische Kunst liebt den Ausnahmezustand: den unverwechselbaren Ortsgeist der Fabrikhalle, des verwitterten Mädchenerziehungsheimes. Wer als Kurator etwas auf sich hält, der meidet für seine Sonderausstellung den white cube, das Kunstmuseum. Denn nur in einer besonderen Umgebung, so scheint es, lässt sich noch dem schalen Verdacht entgegenwirken, in Gegenwartsmuseen hänge sowieso immer das Gleiche: eine Abstraktion von Gerhard Richter, ein Comic von Roy Lichtenstein und vielleicht als Kontrast noch etwas Gestricktes von Rosemarie Trockel.
So dachte sich das wohl auch der "Verein der Freunde italienischer Gegenwartskunst" und lud anlässlich der Venedigbiennale Maurizio Cattelan, Lara Favaretto, Francesco Vezzoli und andere zeitgenössische Künstler des Landes in das örtliche Naturkundemuseum (www.msn.visitmuve.it), das seinen Sitz im historischen Zentrum der osmanischen Kaufleute am Canal Grande hat. Und plötzlich steht der Gast unter einem gigantischen ausgestopften Elefantenrüssel, den ein Jäger vor hundert Jahren in Afrika erledigte. Man bekommt Pappmascheemodelle von Gebärmüttern mit menschlichen Föten zu sehen, wie sie die Anatomen der vorigen Jahrhundertwende herstellten. Sie hinterließen auch einen sehr realistisch nachgebauten gehäuteten Mann in Lebensgröße. Derweil hat irgendein längst verstorbener Käfersammler Hunderte Insekten aufgespießt und nach Farben geordnet.
Ein Naturkundemuseum hat für mache Künstler neuerdings galeristisches Potential.
Zwischen den toten Tieren, Organpräparaten und Fossilien blicken einen die melancholischen Muschelaugen eines Ahnenschädels an, den die alten Asmat in Papua-Neuguinea verehrten. Erhalten sind zudem die nautischen Instrumente, die venezianische Seefahrer im 19. Jahrhundert nutzten. Wissenschaftshistorie, Ethnologie und Volkskunde werden in Italien oft in Naturkundemuseen vereint, der Mensch ist nur ein Kapitel der Erdgeschichte.
Das alles findet sich in dem Palast, dessen Geschichte ins 13. Jahrhundert zurückreicht und in dem im 17. Jahrhundert Türken, Bosnier, Armenier und Albaner ihre Wolle, Wachse, Pelze und Tabakwaren für den europäischen Handel zwischenlagerten. Die globale Geschichte unserer Kultur fächert sich in diesem staubigen Museum mit all ihren merkantilen und interkulturellen Tugenden sowie ihren disziplinarischen und kolonialistischen Lastern auf.
Ach ja, die Zeitgenossen: Wie Cattelan schon 1995 die Bremer Stadtmusikanten ausstopfte und Vanessa Beecroft dunkelhäutige Babys im Jahr 2006 abbildete, das wirkt, in ein so historisch gewachsenes Umfeld versetzt, hilfloser als die Künstler das gewollt haben können.
Die zeitgenössische Kunst liebt den Ausnahmezustand: den unverwechselbaren Ortsgeist der Fabrikhalle, des verwitterten Mädchenerziehungsheimes. Wer als Kurator etwas auf sich hält, der meidet für seine Sonderausstellung den white cube, das Kunstmuseum. Denn nur in einer besonderen Umgebung, so scheint es, lässt sich noch dem schalen Verdacht entgegenwirken, in Gegenwartsmuseen hänge sowieso immer das Gleiche: eine Abstraktion von Gerhard Richter, ein Comic von Roy Lichtenstein und vielleicht als Kontrast noch etwas Gestricktes von Rosemarie Trockel.
So dachte sich das wohl auch der "Verein der Freunde italienischer Gegenwartskunst" und lud anlässlich der Venedigbiennale Maurizio Cattelan, Lara Favaretto, Francesco Vezzoli und andere zeitgenössische Künstler des Landes in das örtliche Naturkundemuseum (www.msn.visitmuve.it), das seinen Sitz im historischen Zentrum der osmanischen Kaufleute am Canal Grande hat. Und plötzlich steht der Gast unter einem gigantischen ausgestopften Elefantenrüssel, den ein Jäger vor hundert Jahren in Afrika erledigte. Man bekommt Pappmascheemodelle von Gebärmüttern mit menschlichen Föten zu sehen, wie sie die Anatomen der vorigen Jahrhundertwende herstellten. Sie hinterließen auch einen sehr realistisch nachgebauten gehäuteten Mann in Lebensgröße. Derweil hat irgendein längst verstorbener Käfersammler Hunderte Insekten aufgespießt und nach Farben geordnet.
Ein Naturkundemuseum hat für mache Künstler neuerdings galeristisches Potential.
Zwischen den toten Tieren, Organpräparaten und Fossilien blicken einen die melancholischen Muschelaugen eines Ahnenschädels an, den die alten Asmat in Papua-Neuguinea verehrten. Erhalten sind zudem die nautischen Instrumente, die venezianische Seefahrer im 19. Jahrhundert nutzten. Wissenschaftshistorie, Ethnologie und Volkskunde werden in Italien oft in Naturkundemuseen vereint, der Mensch ist nur ein Kapitel der Erdgeschichte.
Das alles findet sich in dem Palast, dessen Geschichte ins 13. Jahrhundert zurückreicht und in dem im 17. Jahrhundert Türken, Bosnier, Armenier und Albaner ihre Wolle, Wachse, Pelze und Tabakwaren für den europäischen Handel zwischenlagerten. Die globale Geschichte unserer Kultur fächert sich in diesem staubigen Museum mit all ihren merkantilen und interkulturellen Tugenden sowie ihren disziplinarischen und kolonialistischen Lastern auf.
Ach ja, die Zeitgenossen: Wie Cattelan schon 1995 die Bremer Stadtmusikanten ausstopfte und Vanessa Beecroft dunkelhäutige Babys im Jahr 2006 abbildete, das wirkt, in ein so historisch gewachsenes Umfeld versetzt, hilfloser als die Künstler das gewollt haben können.