"Ich wurde unzureichend eingebunden", sagt der Verteidigungsminister de Maizière zum Drohnen-Debakel. Großprojekte will er nun besser kontrollieren, personelle Konsequenzen schließt er nicht aus. Welche das sein sollen, sagt er nicht.
Berlin - Den erstaunlichsten Satz des Tages, um es mal ganz neutral zu formulieren, liefert der Verteidigungsminister nach gut 20 Minuten. "Jetzt will ich nicht darüber rechten, ob ein Staatssekretär mich informieren muss, oder ob ich nachfragen muss", sagt er da. Und man fragt sich unwillkürlich: Worüber soll man denn sonst rechten, wenn nicht genau darüber?
Es ist Mittwoch, früher Nachmittag, Thomas de Maizière (CDU) sitzt in der Bundespressekonferenz und steht nach drei Wochen des (nicht immer ganz konsequenten) Schweigens Rede und Antwort zum Debakel um den Euro Hawk, nachdem er das auch zuvor im Verteidigungsausschuss getan hat. Die Botschaft ist die gleiche: Vieles ist unglücklich gelaufen, es gilt nun weiter aufzuklären, Strukturen zu verändern - aber ich bin nicht schuld.
Diese Botschaft zieht sich durch den gesamten Auftritt. Die entscheidende Passage dazu findet sich sehr weit vorn in jener Bewertung der Vorgänge, die er, ergänzend zur chronologischen Aufarbeitung, dem Ausschuss vorgetragen hat: Bevor er am 13. Mai von der Entscheidung seiner beiden beamteten Staatssekretäre erfuhr, das Projekt zu stoppen, habe es "keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem" gegeben.
Das bedeutet zweierlei: Erstens sollen die Staatssekretäre Rüdiger Wolf und Stéphane Beemelmans die eigentliche Entscheidung zum Stopp des Projekts gefällt haben, die er dann nur noch gebilligt habe. Zweitens, noch schwerwiegender, sollen sie ihn vorher nicht ansatzweise über die Schwierigkeiten des Projekts informiert haben, obwohl diese ihnen seit Anfang 2012 in vollem Umfang bewusst waren. Dazu muss man noch wissen, dass Beemelmans einer seiner engsten Vertrauten ist.
Zugleich gibt de Maizière in seinem Bericht an, er habe am 1. März 2012 "erstmals im Rahmen einer allgemeinen Besprechung zu vielen Rüstungsvorhaben" von Problemen mit der Zulassung des Euro Hawk gehört - von jenen Problemen also, an der das Projekt am Ende scheitern sollte. "Sie wurden mir gegenüber in dieser Besprechung als lösbar dargestellt", so ist es in de Maizières Bewertung formuliert.
Nimmt man ihn beim Wort, dann hat er dieser Einschätzung vertraut und mehr als ein Jahr lang nicht mehr nachgefragt, während sich in seinem Haus, bis hinauf zur Ebene der Staatssekretäre, hektische Aktivitäten entfalteten, um doch noch eine Zulassung für den Euro Hawk zu bekommen, wenn auch keine sogenannte Musterzulassung mehr. Stattdessen dachte man zwischenzeitlich darüber nach, jene vier Euro Hawks, die über das Testexemplar hinaus noch geliefert werden sollten, mit einer sogenannten vorläufigen Verkehrszulassung zu betreiben - ein Verzweiflungsplan, den man im Dezember 2012 ad acta legte, womit das endgültige Ende feststand. Und in all der Zeit, während direkt unter ihm allmählich Panik um sich gegriffen haben muss, hat der Minister nichts bemerkt und nie mehr nach dem Projekt gefragt?
In Erklärungsnot: Thomas de Mazière
Diese Frage dürfte de Maizière erst einmal nicht loswerden - schon gar nicht mit dem knappen Satz, der sich am Ende seiner Bewertung findet: "Ich wurde unzureichend eingebunden." Was genau heißt das? Im Grunde muss man dies als schweren Vorwurf an die Staatssekretäre lesen. Denen aber, der Spitze des Ministeriums, bescheinigt er zugleich, sie habe "gehandelt, sobald ihr die Probleme berichtet wurden". Und dann kommt er, wie so oft an diesem Tag, auf die Strukturen des Hauses zurück, das System, für das er nichts könne, das er jetzt aber (nach gut zwei Jahren im Amt) gründlich reformieren wolle: Dass die eigentliche Entscheidung "auf Staatssekretärsebene" getroffen worden sei, "entspricht einer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelebten Tradition des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten", so formuliert er es. "Gleichwohl ist sie nicht in Ordnung."
Was das bedeutet? Zunächst einmal bedeutet es, dass er sich nun, anders als bisher, regelmäßig Berichte zu allen Großprojekten vorlegen lassen will. Zweitens behält er sich "personelle Konsequenzen" vor. Deutlicher wird er da nicht. Sich selbst kann er jedenfalls nicht meinen.
Und seine Vorgänger können nicht mehr zurücktreten, dabei tragen die aus de Maizières Sicht einige Schuld: In der Zeit vor 2007 liege "der eigentliche Geburts- und Konstruktionsfehler". Damals habe man sich nicht klargemacht, wie unterschiedlich die Standards seien, die hierzulande und in den USA bei der Zulassung gelten - weshalb am Ende wichtige Dokumente fehlten. De Maizière nennt hier keine Namen, geht aber zurück bis ins Jahr 2004. Damals war der Ende vergangenen Jahres gestorbene Sozialdemokrat Peter Struck Verteidigungsminister, bevor 2005 Franz Josef Jung (CDU) übernahm.
Nächste Frage: Was er dazu sage, dass er noch in der ersten Jahreshälfte 2012 intensiv für das Nato-Drohnenprogramm "Alliance Ground Surveillance" (AGS) warb, obwohl dafür fast baugleiche Drohnen des Typs Global Hawk eingeplant sind? Antwort: Man habe ihn damals nicht über die Probleme beim Euro Hawk informiert.
So geht das immer weiter. Auch dem Kernvorwurf, zu spät die sogenannte Reißleine gezogen zu haben, begegnet der Minister knapp: "Der Zeitpunkt der Entscheidung war nicht zu spät." Erstens sei im vergangenen Jahr bis zuletzt darum gekämpft worden, doch noch eine Zulassung zu erreichen, zweitens hätte man bei einem früheren Abbruch das von EADS beigesteuerte Aufklärungssystem nicht zu Ende testen können. Und drittens sei im vergangenen Jahr das meiste Geld ohnehin schon ausgegeben gewesen. So rechnet er vor, dass von den bislang bewilligten 562 Millionen Euro bis Ende Oktober 2011 "bereits rund 460 Millionen Euro ausgegeben und weitere 147 Millionen Euro gebunden" gewesen seien, weshalb dadurch, dass man erst vor wenigen Wochen ausstieg, "kein zusätzlicher Schaden entstanden" sei, "sondern größerer Schaden verhindert worden" sei. Jene 360 Millionen Euro, die man über die Jahre in die Aufklärungstechnik gesteckt habe, seien "sinnvoll investiert", so der Minister - schließlich soll die nun auf ein anderes Fluggerät montiert werden.
Und warum redete das Ministerium von 500 bis 600 Millionen Euro Mehrkosten, die man für eine Zulassung hätte investieren müssen, während die Industrie von einer deutlich geringeren Summe um die 200 Millionen sprach? Dazu heißt es im Bericht, man habe sich die geschätzten Mehrkosten kürzlich von einem externen Analysedienstleister bestätigen lassen.
Konsequenzen? Künftig soll eine militärische Luftfahrtbehörde für Zulassungsfragen zuständig sein, außerdem soll es auf europäischer und auf Nato-Ebene ein "klares Regelwerk" dafür geben. Der Minister will das Verfahren zur Beschaffung von Rüstungsgütern überprüfen lassen und künftig den Haushalts- und den Verteidigungsausschuss über Probleme informieren. Was AGS angeht, deutet er das Desaster gar zur "Chance" um: Man könne sich jetzt mit Italien, wo die Nato-Drohnen stationiert sein sollen, "auf gemeinsame Zulassungsanforderungen verständigen". Und dann sind da natürlich noch die personellen Konsequenzen. Bloß welche?
Im Verteidigungsausschuss, hinter verschlossenen Türen, hat ihn ein Abgeordneter der Linkspartei gefragt, ob er eigentlich sein Haus im Griff habe. Geantwortet hat de Maizière nicht, jedenfalls nicht wirklich. Schließlich handelte es sich weniger um eine Frage als um eine Feststellung.
Berlin - Den erstaunlichsten Satz des Tages, um es mal ganz neutral zu formulieren, liefert der Verteidigungsminister nach gut 20 Minuten. "Jetzt will ich nicht darüber rechten, ob ein Staatssekretär mich informieren muss, oder ob ich nachfragen muss", sagt er da. Und man fragt sich unwillkürlich: Worüber soll man denn sonst rechten, wenn nicht genau darüber?
Es ist Mittwoch, früher Nachmittag, Thomas de Maizière (CDU) sitzt in der Bundespressekonferenz und steht nach drei Wochen des (nicht immer ganz konsequenten) Schweigens Rede und Antwort zum Debakel um den Euro Hawk, nachdem er das auch zuvor im Verteidigungsausschuss getan hat. Die Botschaft ist die gleiche: Vieles ist unglücklich gelaufen, es gilt nun weiter aufzuklären, Strukturen zu verändern - aber ich bin nicht schuld.
Diese Botschaft zieht sich durch den gesamten Auftritt. Die entscheidende Passage dazu findet sich sehr weit vorn in jener Bewertung der Vorgänge, die er, ergänzend zur chronologischen Aufarbeitung, dem Ausschuss vorgetragen hat: Bevor er am 13. Mai von der Entscheidung seiner beiden beamteten Staatssekretäre erfuhr, das Projekt zu stoppen, habe es "keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem" gegeben.
Das bedeutet zweierlei: Erstens sollen die Staatssekretäre Rüdiger Wolf und Stéphane Beemelmans die eigentliche Entscheidung zum Stopp des Projekts gefällt haben, die er dann nur noch gebilligt habe. Zweitens, noch schwerwiegender, sollen sie ihn vorher nicht ansatzweise über die Schwierigkeiten des Projekts informiert haben, obwohl diese ihnen seit Anfang 2012 in vollem Umfang bewusst waren. Dazu muss man noch wissen, dass Beemelmans einer seiner engsten Vertrauten ist.
Zugleich gibt de Maizière in seinem Bericht an, er habe am 1. März 2012 "erstmals im Rahmen einer allgemeinen Besprechung zu vielen Rüstungsvorhaben" von Problemen mit der Zulassung des Euro Hawk gehört - von jenen Problemen also, an der das Projekt am Ende scheitern sollte. "Sie wurden mir gegenüber in dieser Besprechung als lösbar dargestellt", so ist es in de Maizières Bewertung formuliert.
Nimmt man ihn beim Wort, dann hat er dieser Einschätzung vertraut und mehr als ein Jahr lang nicht mehr nachgefragt, während sich in seinem Haus, bis hinauf zur Ebene der Staatssekretäre, hektische Aktivitäten entfalteten, um doch noch eine Zulassung für den Euro Hawk zu bekommen, wenn auch keine sogenannte Musterzulassung mehr. Stattdessen dachte man zwischenzeitlich darüber nach, jene vier Euro Hawks, die über das Testexemplar hinaus noch geliefert werden sollten, mit einer sogenannten vorläufigen Verkehrszulassung zu betreiben - ein Verzweiflungsplan, den man im Dezember 2012 ad acta legte, womit das endgültige Ende feststand. Und in all der Zeit, während direkt unter ihm allmählich Panik um sich gegriffen haben muss, hat der Minister nichts bemerkt und nie mehr nach dem Projekt gefragt?
In Erklärungsnot: Thomas de Mazière
Diese Frage dürfte de Maizière erst einmal nicht loswerden - schon gar nicht mit dem knappen Satz, der sich am Ende seiner Bewertung findet: "Ich wurde unzureichend eingebunden." Was genau heißt das? Im Grunde muss man dies als schweren Vorwurf an die Staatssekretäre lesen. Denen aber, der Spitze des Ministeriums, bescheinigt er zugleich, sie habe "gehandelt, sobald ihr die Probleme berichtet wurden". Und dann kommt er, wie so oft an diesem Tag, auf die Strukturen des Hauses zurück, das System, für das er nichts könne, das er jetzt aber (nach gut zwei Jahren im Amt) gründlich reformieren wolle: Dass die eigentliche Entscheidung "auf Staatssekretärsebene" getroffen worden sei, "entspricht einer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelebten Tradition des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten", so formuliert er es. "Gleichwohl ist sie nicht in Ordnung."
Was das bedeutet? Zunächst einmal bedeutet es, dass er sich nun, anders als bisher, regelmäßig Berichte zu allen Großprojekten vorlegen lassen will. Zweitens behält er sich "personelle Konsequenzen" vor. Deutlicher wird er da nicht. Sich selbst kann er jedenfalls nicht meinen.
Und seine Vorgänger können nicht mehr zurücktreten, dabei tragen die aus de Maizières Sicht einige Schuld: In der Zeit vor 2007 liege "der eigentliche Geburts- und Konstruktionsfehler". Damals habe man sich nicht klargemacht, wie unterschiedlich die Standards seien, die hierzulande und in den USA bei der Zulassung gelten - weshalb am Ende wichtige Dokumente fehlten. De Maizière nennt hier keine Namen, geht aber zurück bis ins Jahr 2004. Damals war der Ende vergangenen Jahres gestorbene Sozialdemokrat Peter Struck Verteidigungsminister, bevor 2005 Franz Josef Jung (CDU) übernahm.
Nächste Frage: Was er dazu sage, dass er noch in der ersten Jahreshälfte 2012 intensiv für das Nato-Drohnenprogramm "Alliance Ground Surveillance" (AGS) warb, obwohl dafür fast baugleiche Drohnen des Typs Global Hawk eingeplant sind? Antwort: Man habe ihn damals nicht über die Probleme beim Euro Hawk informiert.
So geht das immer weiter. Auch dem Kernvorwurf, zu spät die sogenannte Reißleine gezogen zu haben, begegnet der Minister knapp: "Der Zeitpunkt der Entscheidung war nicht zu spät." Erstens sei im vergangenen Jahr bis zuletzt darum gekämpft worden, doch noch eine Zulassung zu erreichen, zweitens hätte man bei einem früheren Abbruch das von EADS beigesteuerte Aufklärungssystem nicht zu Ende testen können. Und drittens sei im vergangenen Jahr das meiste Geld ohnehin schon ausgegeben gewesen. So rechnet er vor, dass von den bislang bewilligten 562 Millionen Euro bis Ende Oktober 2011 "bereits rund 460 Millionen Euro ausgegeben und weitere 147 Millionen Euro gebunden" gewesen seien, weshalb dadurch, dass man erst vor wenigen Wochen ausstieg, "kein zusätzlicher Schaden entstanden" sei, "sondern größerer Schaden verhindert worden" sei. Jene 360 Millionen Euro, die man über die Jahre in die Aufklärungstechnik gesteckt habe, seien "sinnvoll investiert", so der Minister - schließlich soll die nun auf ein anderes Fluggerät montiert werden.
Und warum redete das Ministerium von 500 bis 600 Millionen Euro Mehrkosten, die man für eine Zulassung hätte investieren müssen, während die Industrie von einer deutlich geringeren Summe um die 200 Millionen sprach? Dazu heißt es im Bericht, man habe sich die geschätzten Mehrkosten kürzlich von einem externen Analysedienstleister bestätigen lassen.
Konsequenzen? Künftig soll eine militärische Luftfahrtbehörde für Zulassungsfragen zuständig sein, außerdem soll es auf europäischer und auf Nato-Ebene ein "klares Regelwerk" dafür geben. Der Minister will das Verfahren zur Beschaffung von Rüstungsgütern überprüfen lassen und künftig den Haushalts- und den Verteidigungsausschuss über Probleme informieren. Was AGS angeht, deutet er das Desaster gar zur "Chance" um: Man könne sich jetzt mit Italien, wo die Nato-Drohnen stationiert sein sollen, "auf gemeinsame Zulassungsanforderungen verständigen". Und dann sind da natürlich noch die personellen Konsequenzen. Bloß welche?
Im Verteidigungsausschuss, hinter verschlossenen Türen, hat ihn ein Abgeordneter der Linkspartei gefragt, ob er eigentlich sein Haus im Griff habe. Geantwortet hat de Maizière nicht, jedenfalls nicht wirklich. Schließlich handelte es sich weniger um eine Frage als um eine Feststellung.