Das bürgerliche Lager der Schweiz ist vor der Abstimmung über die Wehrpflicht nervös.
Die Schweiz mag zwar seit fast einem halben Jahrtausend neutral sein, dennoch versteht sie was von Kriegshandwerk und Militär. Einst fochten ihre Söldner fremder Herren Kriege, heute unterhält die Eidgenossenschaft mit einer 200 000 Mann starken Armee die mit Abstand größte Streitmacht in Europa, umgelegt auf die Bevölkerungszahl.
Die Schweiz ist außerdem eines der letzten Länder Europas, das an der Wehrpflicht festhält: Der Militärdienst gehört ebenso zum Selbstverständnis der Gesellschaft wie das anschließend daheim im Kleiderschrank verwahrte Sturmgewehr und die regelmäßigen Schießübungen. Keine fremden Mächte, so wird stets betont, garantieren die Neutralität des Landes. Dies tun allein die Schweizer selber.
Die Schweiz ist eines der letzten Länder Europas, das an der Wehrpflicht festhält.
So betrachtet dürfte also eine Volksinitiative eigentlich keine Chance haben, die eine Abschaffung der Wehrpflicht fordert und die Ende September zur Abstimmung gelangt. Doch weil Schweizer nicht nur ihre martialischen Traditionen hochhalten, sondern auch immer für Überraschungen gut sind, herrscht bei den Befürwortern der Wehrpflicht - der Armee, der Industrie und den bürgerlichen Parteien - mehr als nur leichte Nervosität. Zwar wollen derzeit 65 Prozent der Schweizer an der Wehrpflicht festhalten. Vor zwölf Monaten aber plädierten fast 50 Prozent für ihre Abschaffung. Eine gefestigte Meinung sieht anders aus.
Der Grund für die Nervosität des Establishments ist ein Schock, der das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis vieler Schweizer derart nachhaltig erschüttert hat, dass er noch heute, 24 Jahre später, kräftig nachhallt. Am 26. November 1989 hatten mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger für einen sehr viel weitergehenden Vorschlag gestimmt: die komplette Abschaffung der schweizerischen Streitkräfte. Mit anderen Worten: mehr als ein Drittel der Wähler wollte mit einer 700-jährigen Tradition brechen. Obschon die Armee mit 64 Prozent Ja-Stimmen letzten Endes bewahrt wurde, war das Establishment fassungslos. Man hatte höchstens mit zehn Prozent Ablehnung gerechnet.
Initiator der damaligen Volksbefragung war die 1982 in Solothurn gegründete pazifistische "Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee" (GSoA), die auch nun hinter der Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht steht. Sie sei teuer und ungerecht und blähe die Truppenstärke auf, argumentieren die Befürworter, zu denen auch die Sozialdemokraten und die Grünen zählen.
"Nicht alle haben Zeit, Krieg zu spielen", heißt es auf ihren Plakaten, die einen Offizier mit Spielzeugpanzern und -soldaten zeigt. An die Stelle der "Schule kopflosen Gehorsams", so die GSoA, solle allerdings kein Berufsheer treten, sondern eine Freiwilligenmiliz. Wer Lust habe, könne ja weiter dienen. Es solle nur niemand mehr gezwungen werden. Die Regierung, allen voran Verteidigungsminister Ueli Maurer von der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP), bekräftigt hingegen, dass "Wehrpflicht Bürgerpflicht" sei und empfiehlt den Wählern, den Vorschlag abzulehnen. Es gehöre zum Selbstverständnis der Schweiz, dass sich "Bürgerinnen und Bürger persönlich für das Gemeinwohl einsetzen und diese Aufgabe nicht an bezahlte Freiwillige delegieren".
Zudem wäre mit einer Freiwilligenmiliz die Sicherheit des Landes gefährdet, weil man nie verlässlich planen könne, wie viele junge Schweizer sich melden würden. Im vergangenen Jahr, rechnete Minister Maurer vor, hätten 135 Schweizer Frauen freiwillig den Militärdienst abgeleistet: "Wenn wir 135 Männer dazu nehmen, die freiwillig einrücken, dann kriegen wir keine Armee zusammen." Die beiden Kammern des Parlaments haben die Forderung nach einer Abschaffung des Militärdienstes bereits mit deutlichen Mehrheiten abgelehnt.
Maurer kann sich allerdings nicht auf die bedingungslose Rückendeckung durch das bürgerliche Lager verlassen. Die Grünliberale Partei etwa hält sich aus dem Abstimmungskampf heraus, weil auch sie die Wehrpflicht nicht mehr unbedingt für zeitgemäß hält und nach eigenen Worten der Argumentation der Befürworter nicht folgen kann. Außerdem schlug vor Kurzem die wirtschaftsfreundliche Denkfabrik Avenir Suisse statt des Militärdienstes eine allgemeine, einjährige Dienstpflicht vor. Sie soll für Männer, Frauen und für in der Schweiz lebende Ausländer gelten und die Möglichkeit bieten, diesen Dienst entweder in der Armee oder in sozialen oder zivilen Berufen abzuleisten. In Umfragen erzielt diese Dienstpflicht hohe Zustimmungswerte: 70 Prozent der befragten Schweizer haben sich dafür ausgesprochen.
Sogar Verteidigungsminister Maurer hat unter dem Eindruck dieser Zahlen zugestanden, dass nichts "in Granit gemeißelt" sei.
Die Argumente der Wehrpflicht-Gegner erhielten vor Kurzem zusätzliche Munition durch eine Studie der Universität Fribourg. Demnach kosten die Streitkräfte mehr als doppelt so viel wie die im Budget veranschlagten 3,9 Milliarden Franken, wenn man nämlich den Arbeitsausfall durch sogenannte Diensttage miteinbeziehe. Jedes Jahr gehen der Schweizer Wirtschaft 6,3 Millionen Arbeitstage verloren, an denen Schweizer Männer zu regelmäßigen Wehrübungen eingezogen werden. Diesen Ausfall finanziert der Bund mit mehreren Milliarden Franken.
Die Schweiz mag zwar seit fast einem halben Jahrtausend neutral sein, dennoch versteht sie was von Kriegshandwerk und Militär. Einst fochten ihre Söldner fremder Herren Kriege, heute unterhält die Eidgenossenschaft mit einer 200 000 Mann starken Armee die mit Abstand größte Streitmacht in Europa, umgelegt auf die Bevölkerungszahl.
Die Schweiz ist außerdem eines der letzten Länder Europas, das an der Wehrpflicht festhält: Der Militärdienst gehört ebenso zum Selbstverständnis der Gesellschaft wie das anschließend daheim im Kleiderschrank verwahrte Sturmgewehr und die regelmäßigen Schießübungen. Keine fremden Mächte, so wird stets betont, garantieren die Neutralität des Landes. Dies tun allein die Schweizer selber.
Die Schweiz ist eines der letzten Länder Europas, das an der Wehrpflicht festhält.
So betrachtet dürfte also eine Volksinitiative eigentlich keine Chance haben, die eine Abschaffung der Wehrpflicht fordert und die Ende September zur Abstimmung gelangt. Doch weil Schweizer nicht nur ihre martialischen Traditionen hochhalten, sondern auch immer für Überraschungen gut sind, herrscht bei den Befürwortern der Wehrpflicht - der Armee, der Industrie und den bürgerlichen Parteien - mehr als nur leichte Nervosität. Zwar wollen derzeit 65 Prozent der Schweizer an der Wehrpflicht festhalten. Vor zwölf Monaten aber plädierten fast 50 Prozent für ihre Abschaffung. Eine gefestigte Meinung sieht anders aus.
Der Grund für die Nervosität des Establishments ist ein Schock, der das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis vieler Schweizer derart nachhaltig erschüttert hat, dass er noch heute, 24 Jahre später, kräftig nachhallt. Am 26. November 1989 hatten mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger für einen sehr viel weitergehenden Vorschlag gestimmt: die komplette Abschaffung der schweizerischen Streitkräfte. Mit anderen Worten: mehr als ein Drittel der Wähler wollte mit einer 700-jährigen Tradition brechen. Obschon die Armee mit 64 Prozent Ja-Stimmen letzten Endes bewahrt wurde, war das Establishment fassungslos. Man hatte höchstens mit zehn Prozent Ablehnung gerechnet.
Initiator der damaligen Volksbefragung war die 1982 in Solothurn gegründete pazifistische "Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee" (GSoA), die auch nun hinter der Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht steht. Sie sei teuer und ungerecht und blähe die Truppenstärke auf, argumentieren die Befürworter, zu denen auch die Sozialdemokraten und die Grünen zählen.
"Nicht alle haben Zeit, Krieg zu spielen", heißt es auf ihren Plakaten, die einen Offizier mit Spielzeugpanzern und -soldaten zeigt. An die Stelle der "Schule kopflosen Gehorsams", so die GSoA, solle allerdings kein Berufsheer treten, sondern eine Freiwilligenmiliz. Wer Lust habe, könne ja weiter dienen. Es solle nur niemand mehr gezwungen werden. Die Regierung, allen voran Verteidigungsminister Ueli Maurer von der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP), bekräftigt hingegen, dass "Wehrpflicht Bürgerpflicht" sei und empfiehlt den Wählern, den Vorschlag abzulehnen. Es gehöre zum Selbstverständnis der Schweiz, dass sich "Bürgerinnen und Bürger persönlich für das Gemeinwohl einsetzen und diese Aufgabe nicht an bezahlte Freiwillige delegieren".
Zudem wäre mit einer Freiwilligenmiliz die Sicherheit des Landes gefährdet, weil man nie verlässlich planen könne, wie viele junge Schweizer sich melden würden. Im vergangenen Jahr, rechnete Minister Maurer vor, hätten 135 Schweizer Frauen freiwillig den Militärdienst abgeleistet: "Wenn wir 135 Männer dazu nehmen, die freiwillig einrücken, dann kriegen wir keine Armee zusammen." Die beiden Kammern des Parlaments haben die Forderung nach einer Abschaffung des Militärdienstes bereits mit deutlichen Mehrheiten abgelehnt.
Maurer kann sich allerdings nicht auf die bedingungslose Rückendeckung durch das bürgerliche Lager verlassen. Die Grünliberale Partei etwa hält sich aus dem Abstimmungskampf heraus, weil auch sie die Wehrpflicht nicht mehr unbedingt für zeitgemäß hält und nach eigenen Worten der Argumentation der Befürworter nicht folgen kann. Außerdem schlug vor Kurzem die wirtschaftsfreundliche Denkfabrik Avenir Suisse statt des Militärdienstes eine allgemeine, einjährige Dienstpflicht vor. Sie soll für Männer, Frauen und für in der Schweiz lebende Ausländer gelten und die Möglichkeit bieten, diesen Dienst entweder in der Armee oder in sozialen oder zivilen Berufen abzuleisten. In Umfragen erzielt diese Dienstpflicht hohe Zustimmungswerte: 70 Prozent der befragten Schweizer haben sich dafür ausgesprochen.
Sogar Verteidigungsminister Maurer hat unter dem Eindruck dieser Zahlen zugestanden, dass nichts "in Granit gemeißelt" sei.
Die Argumente der Wehrpflicht-Gegner erhielten vor Kurzem zusätzliche Munition durch eine Studie der Universität Fribourg. Demnach kosten die Streitkräfte mehr als doppelt so viel wie die im Budget veranschlagten 3,9 Milliarden Franken, wenn man nämlich den Arbeitsausfall durch sogenannte Diensttage miteinbeziehe. Jedes Jahr gehen der Schweizer Wirtschaft 6,3 Millionen Arbeitstage verloren, an denen Schweizer Männer zu regelmäßigen Wehrübungen eingezogen werden. Diesen Ausfall finanziert der Bund mit mehreren Milliarden Franken.