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Völker, hört die Signale

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Ein autonomes kurdisches Gebiet jenseits der Grenze zu Syrien galt den Türken als Albtraum - doch jetzt schreckt selbst diese Vision Ankara nicht mehr

Als kaum jemand in der Türkei wagte, das Wort 'Kurden' in den Mund zu nehmen, da sagte der Parlamentsabgeordnete Serafettin Elci in aller Öffentlichkeit: 'Es gibt Kurden, und ich bin auch ein Kurde.' Zu 15 Jahren Haft wurde er dafür nach dem Putsch von 1980 verurteilt. Mit 73 Jahren starb Elci am 25. Dezember 2012. Kurz vor seinem Tod warnte er, mittlerweile Politiker und Anwalt, Regierungschef Recep Tayyip Erdogan: 'Meine Generation ist die letzte, mit der ihr reden könnt.' Die jungen Kurden seien viel radikaler. 'Serafettin-Elci-Flughafen' heißt der neue Airport in der Provinz Sirnak im Südosten der Türkei. Er wurde am vergangenen Wochenende feierlich eröffnet - von Erdogan.



In der Türkei ist jetzt der 'Serafettin-Elci-Flughafen' eingeweiht worden - benannt nach einem kurischen Politiker.

Ein Flughafen mit dem Namen eines prominenten Kurden, der sein Leben lang für den Dialog der Volksgruppen in der Türkei eintrat, ist ein starkes Signal. Es mag ein Zufall sein, aber seit Elcis Tod sprechen die militante Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und die türkische Regierung tatsächlich miteinander - über den Geheimdienst MIT. Dessen Abgesandte haben den seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan schon mehrmals besucht. Sechsmal durften auch Abgeordnete der legalen, im Parlament vertretenen Kurdenpartei BDP Öcalan auf Imrali persönlich nach seinem 'Friedensplan' fragen, zuletzt am 7. Juni - als sich alle Augen in der Türkei gerade auf Istanbul richteten, auf die Proteste am Taksim und im Gezi-Park. Schon am 8. Mai sind die ersten PKK-Kämpfer aus der Türkei abgezogen. Mit ihren Waffen, ungehindert von der türkischen Armee, in den kurdisch-kontrollierten Nordirak. Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen.

'Die Türkei hat erkannt, dass es keine andere Option mehr gibt', nach 30 Jahren blutigem Krieg im eigenen Land, meint der türkische Sicherheitsexperte Gökhan Bacik. In der Zeitung Today"s Zaman sprach Bacik schon von einer 'Goldenen Ära der Gelegenheiten der Kurden'. Und dies nicht nur, weil die Regierung der Türkei endlich anerkannt hat, dass es in ihrem Land Kurden gibt. Am vergangenen Wochenende, als Erdogan in Sirnak den Elci-Flughafen taufte, besuchte zur allgemeinen Überraschung der Chef der syrischen Kurden-Partei PYD, Salih Müslim, Istanbul. Die PYD gilt als syrischer Arm der PKK, und sie spricht nach ihren jüngsten militärischen Erfolgen schon von einem freien kurdischen Gebiet in Nordsyrien. Erdogan persönlich bestätigte, dass Müslim sich ebenfalls mit Vertretern des türkischen Geheimdienstes MIT getroffen habe. Man habe Müslim vor 'gefährlichen Schritten' gewarnt, ließ der Premier noch wissen.

Ein autonomes kurdisches Gebiet jenseits der türkisch-syrischen Grenze gilt als türkischer Albtraum. Andererseits hat sich Ankara mit den kurdischen Politikern im quasi autonomen kurdischen Nordirak schon seit einer Weile bestens arrangiert. Türkische Firmen liefern in den Nordirak fast alles, was zum täglichen Bedarf gehört, und sie sind im lukrativen Ölgeschäft engagiert. Das hilft auch der Ökonomie im türkischen Südosten.

Der Schlüssel zum Frieden dort aber bleiben die PKK und der 64-jährige Mann auf der abgeschirmten Insel Imrali, der trotz langer Haft den Einfluss auf viele Kurden nicht verloren hat. So hat sich Öcalan nun auch wieder in Erinnerung gerufen, nachdem es wegen der Gezi-Proteste still um die kurdische Sache geworden war. Sollte die Regierung in Ankara nicht bis 15. Oktober ihren Teil des 'Friedensprozesses' erfüllen, warnte Öcalan, dann sei wieder Schluss mit der Waffenruhe.

Eilends hat Vizepremier Bülent Arinc nun ein neues Reformpaket angekündigt, das spätestens im Oktober in Kraft treten sollte und viele kurdische Erwartungen erfüllen werde. Einzelheiten nannte Arinc aber nicht. Die Kurden wollen ihre Sprache überall sprechen, in Behörden, und in Schulen. Sie wollen, dass die Zehn-Prozent-Hürde für Wahlen auf nationaler Ebene fällt. Letzteres wünscht sich auch die EU von der Türkei. Eine Abgeordnete der oppositionellen CHP ist nun sogar zu Fuß von Istanbul nach Ankara gegangen, um für die Senkung der hohen Hürde zu werben. Die macht es allen kleineren Parteien - somit auch den Kurden - schwer, im Parlament vertreten zu sein. Und sie begünstigt die Mehrheit. Erdogan aber hat schon klargemacht, dass er derzeit gar nicht daran denkt, die Schwelle zu senken. Seine islamisch-konservative AK-Partei muss nach den Gezi-Protesten mit Stimmeinbußen rechnen. Der Regierungschef will offenbar nichts riskieren.

Manche Kurden in der Türkei träumen schon von einer Art 'Schengenzone' zwischen den kurdisch besiedelten Gebieten in der Türkei, dem Irak und Syrien. Erst einmal aber müsste es Frieden geben. PKK-Kämpfer, die sich aus der Türkei in den Nordirak zurückgezogen haben, seien schon nach Syrien weitergezogen, behauptete der türkische Politikwissenschaftler Deniz Tansi vor wenigen Tagen im türkischen TV-Sender Kanal B. Die PKK hatte solche Pläne im Mai offiziell dementiert. Aber die Fronten im Nahen Osten ändern sich oft. Zübeyir Aydar, 'Europa'-Chef der PKK, nannte den Besuch seines syrischen Kollegen Salih Müslim in der Türkei jetzt 'einen sehr positiven Start'. Auch das wäre vor wenigen Monaten noch unvorstellbar gewesen.

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