Churchill soll eine Frau ersetzen: Die Briten streiten, welche Köpfe auf die neuen Pfund-Noten kommen. Solche Auseinandersetzungen gab es schon oft: Wenn ein Land seine Scheine ändert, ist das emotional sehr aufgeladen
München - Sie streiten seit Monaten ums Geld, die Briten. Der grimmig dreinschauende Winston Churchill vertreibt die Wohltäterin Elizabeth Fry, die Großbritanniens Gefängnisse im 19. Jahrhundert reformierte, von der Fünf-Pfund-Note. Dabei ist sie die einzige Frau auf britischem Geld - abgesehen von der Queen, die von jedem Schein blickt. Feministinnen gehen auf die Barrikaden, eine Petition zur Rettung der Frau wird eingereicht, Klage mit Berufung auf das Gleichstellungsgesetz angedroht, 46 Parlamentarier schreiben eindringliche Appelle an die Notenbank. Am Ende opfert die den Naturwissenschaftler Charles Darwin, der die Zehn-Pfund-Note für die Schriftstellerin Jane Austen räumen muss. Frau gerettet, denkt man, doch es geht weiter: Austen-Fans streiten mit solchen, die lieber eine Wissenschaftlerin geehrt hätten. Die Aktivistin Caroline Criado-Perez, die sich für die Quote auf dem Pfund eingesetzt hat, wird wild bedroht.
Alles nur wegen bunten Bildchen auf farbigen Papier. Spinnen die Briten? Tatsächlich ist es immer heikel, wenn Notenbanken ihre Scheine neu auflegen. Am Geld hängt mehr als sein Gegenwert in Gold, Brötchen und anderen Konsumgütern. Es repräsentiert eine Nation, nach außen und nach innen. Die Menschen müssen sich auf seinen Wert verlassen können, ihm vertrauen und nach ihm streben, wenn eine Wirtschaft funktionieren soll. Die Amerikaner beispielsweise nehmen dafür nicht nur ihre versammelten Gründungsväter zu Hilfe. Sie verweisen auf höhere Stelle: 'In God we trust', steht neben George Washington, Abraham Lincoln, Benjamin Franklin auf jedem Dollarschein und jeder Münze.
Winston Churchill an Stelle von Elizabeth Fry? Die Briten streiten derzeit, wer in Zukunft ihre Fünf-Pfund-Note zieren soll.
'Geld ist etwas, das uns inhaltlich bewegt. Es ist ein Massenkommunikationsmittel', sagt der Geldhistoriker Hendrik Mäkeler, der das Münzkabinetts der Universität Uppsala leitet. Es taugt daher für politische Propaganda, man denke nur an Karl Marx auf dem russischen Rubel und der DDR-Mark. Schon die alten Römer nutzten das Geld laut Mäkeler für ihren Wahlkampf: Julius Caesar und sein Widersacher Brutus prägten dafür jeder seine eigen Münze. Brutus wählte das Portrait der Libertas, Göttin der Freiheit, mit der Botschaft an die Römer, sich von ihren Diktatoren zu befreien. Diktator Caesar dagegen wählt Aeneas, der aus dem brennenden Troja flieht und dessen Nachkommen, zu denen er sich zählt, Rom gründen.
Heute drucken nicht Politiker, sondern Notenbanken das Geld und vermeiden meist jede Botschaft. 'Es gibt eine Grundregel: Geld soll politisch neutral sein', sagt Mäkeler. Nur so können sich alle mit der Währung identifizieren, nur so glaubt man der Notenbank ihre Unabhängigkeit.
Vor Streit schützt das nicht immer: Israels Zentralbank wollte das Konfliktpotenzial senken, indem sie Politiker auf den Banknoten von Herbst 2013 an durch Poeten ersetzt. Doch nun fühlen sich die Sephardim, die aus Spanien stammen, diskriminiert, weil alle vier ausgewählten Dichter Aschkensim waren. Oder Argentinien: Hier hätte die ehemalige Präsidentengattin Evita Peron als erste Frau auf einem Geldschein für mehr Gleichberechtigung sorgen können. Statt dessen wird sie verschmäht, Händler weigern sich sogar, den Schein anzunehmen.
Als Schweden 2012 eine neue Serie von Banknoten ankündigte, gab es viel Unmut. Alte Größen wie König Gustav I. Wasa und Naturwissenschaftler Carl von Linné sollen modernen Gesichtern weichen. Astrid Lindgren, die in Zukunft auf dem 20-Kronen-Schein zu sehen sein wird, war noch unumstritten. Aber Abba? Das war vielen Schweden doch zu modern. Trotzdem kommt nun eine Serie von Stars aufs Geld, neben Lindgren die Schauspielerinnen Ingrid Bergmann und Greta Garbo. 'Die Kritik der Schweden war, dass sie in der Außenwirkung nun von einem Land der Wissenschaft zu einem Land der Popkultur würden', sagt Mäkler. Das ist das Problem, wenn die Wahl der Vertreter unpolitisch sein soll, gleichzeitig identitätsstiftend nach innen, repräsentativ nach außen.
Auch in Deutschland setzte man nach der Wiedervereinigung 1990 auf Porträts für die gemeinsamen Scheine. Ein Gremien aus Historikern wählte die Persönlichkeiten aus, wobei bewusst auf Promis wie Goethe, Schiller und Dürer verzichtet wurde. Die Mark sollte einen Querschnitt der Gesellschaft zeigen, Wissenschaftler, Künstler, Literaten. Vor allem sollten Männer und Frauen sich abwechseln, um Konflikte wie jetzt in Großbritannien zu vermeiden. Ein Schein sticht dennoch hervor: Der größte, der 1000-Mark-Schein, zeigt ausgerechnet die Märchenerzähler Wilhelm und Jacob Grimm. Nicht gerade ein Paar, das für Verlässlichkeit und Ehrlichkeit steht. Die Gründe für die Wahl, erzählt man sich, sind praktische: Der Schein war größer und bot daher Platz für zwei Köpfe.
'Porträts prägen sich in der menschlichen Wahrnehmung besser ein als sonstige Motive', sagt Helmut Hammes, der bei der Bundesbank für die Bargeldemission zuständig ist. Auf den Euro-Banknoten waren sie zwar nicht von vorn herein ausgeschlossen. 'Es sollte jedoch keine nationalen Bezüge geben; Gesichter sollten nicht an real existierende Personen erinnern.' Damit sich kein Staat benachteiligt fühlt, bilden die Scheine Epochen ab. Sie zeigen Phantasiebauwerke, die für Baustile stehen, wie Gotik und Barock. Ein Streit wie in Großbritannien kann sich an solchen Platzhaltern nicht entzünden. Als besonders identitätsstiftend gelten sie aber auch nicht. Immerhin: Die neue Euro-Serie, deren Fünf-Euro-Schein bereits auf dem Markt ist, zeigt die Europa aus der griechischen Sagenwelt. Da kann niemand was dagegen haben. Trotzdem bleibt die EZB vorsichtig: Die Dame ist nur klein und versteckt im Wasserzeichen und im Silberstreifen des Scheins zu sehen.
München - Sie streiten seit Monaten ums Geld, die Briten. Der grimmig dreinschauende Winston Churchill vertreibt die Wohltäterin Elizabeth Fry, die Großbritanniens Gefängnisse im 19. Jahrhundert reformierte, von der Fünf-Pfund-Note. Dabei ist sie die einzige Frau auf britischem Geld - abgesehen von der Queen, die von jedem Schein blickt. Feministinnen gehen auf die Barrikaden, eine Petition zur Rettung der Frau wird eingereicht, Klage mit Berufung auf das Gleichstellungsgesetz angedroht, 46 Parlamentarier schreiben eindringliche Appelle an die Notenbank. Am Ende opfert die den Naturwissenschaftler Charles Darwin, der die Zehn-Pfund-Note für die Schriftstellerin Jane Austen räumen muss. Frau gerettet, denkt man, doch es geht weiter: Austen-Fans streiten mit solchen, die lieber eine Wissenschaftlerin geehrt hätten. Die Aktivistin Caroline Criado-Perez, die sich für die Quote auf dem Pfund eingesetzt hat, wird wild bedroht.
Alles nur wegen bunten Bildchen auf farbigen Papier. Spinnen die Briten? Tatsächlich ist es immer heikel, wenn Notenbanken ihre Scheine neu auflegen. Am Geld hängt mehr als sein Gegenwert in Gold, Brötchen und anderen Konsumgütern. Es repräsentiert eine Nation, nach außen und nach innen. Die Menschen müssen sich auf seinen Wert verlassen können, ihm vertrauen und nach ihm streben, wenn eine Wirtschaft funktionieren soll. Die Amerikaner beispielsweise nehmen dafür nicht nur ihre versammelten Gründungsväter zu Hilfe. Sie verweisen auf höhere Stelle: 'In God we trust', steht neben George Washington, Abraham Lincoln, Benjamin Franklin auf jedem Dollarschein und jeder Münze.
Winston Churchill an Stelle von Elizabeth Fry? Die Briten streiten derzeit, wer in Zukunft ihre Fünf-Pfund-Note zieren soll.
'Geld ist etwas, das uns inhaltlich bewegt. Es ist ein Massenkommunikationsmittel', sagt der Geldhistoriker Hendrik Mäkeler, der das Münzkabinetts der Universität Uppsala leitet. Es taugt daher für politische Propaganda, man denke nur an Karl Marx auf dem russischen Rubel und der DDR-Mark. Schon die alten Römer nutzten das Geld laut Mäkeler für ihren Wahlkampf: Julius Caesar und sein Widersacher Brutus prägten dafür jeder seine eigen Münze. Brutus wählte das Portrait der Libertas, Göttin der Freiheit, mit der Botschaft an die Römer, sich von ihren Diktatoren zu befreien. Diktator Caesar dagegen wählt Aeneas, der aus dem brennenden Troja flieht und dessen Nachkommen, zu denen er sich zählt, Rom gründen.
Heute drucken nicht Politiker, sondern Notenbanken das Geld und vermeiden meist jede Botschaft. 'Es gibt eine Grundregel: Geld soll politisch neutral sein', sagt Mäkeler. Nur so können sich alle mit der Währung identifizieren, nur so glaubt man der Notenbank ihre Unabhängigkeit.
Vor Streit schützt das nicht immer: Israels Zentralbank wollte das Konfliktpotenzial senken, indem sie Politiker auf den Banknoten von Herbst 2013 an durch Poeten ersetzt. Doch nun fühlen sich die Sephardim, die aus Spanien stammen, diskriminiert, weil alle vier ausgewählten Dichter Aschkensim waren. Oder Argentinien: Hier hätte die ehemalige Präsidentengattin Evita Peron als erste Frau auf einem Geldschein für mehr Gleichberechtigung sorgen können. Statt dessen wird sie verschmäht, Händler weigern sich sogar, den Schein anzunehmen.
Als Schweden 2012 eine neue Serie von Banknoten ankündigte, gab es viel Unmut. Alte Größen wie König Gustav I. Wasa und Naturwissenschaftler Carl von Linné sollen modernen Gesichtern weichen. Astrid Lindgren, die in Zukunft auf dem 20-Kronen-Schein zu sehen sein wird, war noch unumstritten. Aber Abba? Das war vielen Schweden doch zu modern. Trotzdem kommt nun eine Serie von Stars aufs Geld, neben Lindgren die Schauspielerinnen Ingrid Bergmann und Greta Garbo. 'Die Kritik der Schweden war, dass sie in der Außenwirkung nun von einem Land der Wissenschaft zu einem Land der Popkultur würden', sagt Mäkler. Das ist das Problem, wenn die Wahl der Vertreter unpolitisch sein soll, gleichzeitig identitätsstiftend nach innen, repräsentativ nach außen.
Auch in Deutschland setzte man nach der Wiedervereinigung 1990 auf Porträts für die gemeinsamen Scheine. Ein Gremien aus Historikern wählte die Persönlichkeiten aus, wobei bewusst auf Promis wie Goethe, Schiller und Dürer verzichtet wurde. Die Mark sollte einen Querschnitt der Gesellschaft zeigen, Wissenschaftler, Künstler, Literaten. Vor allem sollten Männer und Frauen sich abwechseln, um Konflikte wie jetzt in Großbritannien zu vermeiden. Ein Schein sticht dennoch hervor: Der größte, der 1000-Mark-Schein, zeigt ausgerechnet die Märchenerzähler Wilhelm und Jacob Grimm. Nicht gerade ein Paar, das für Verlässlichkeit und Ehrlichkeit steht. Die Gründe für die Wahl, erzählt man sich, sind praktische: Der Schein war größer und bot daher Platz für zwei Köpfe.
'Porträts prägen sich in der menschlichen Wahrnehmung besser ein als sonstige Motive', sagt Helmut Hammes, der bei der Bundesbank für die Bargeldemission zuständig ist. Auf den Euro-Banknoten waren sie zwar nicht von vorn herein ausgeschlossen. 'Es sollte jedoch keine nationalen Bezüge geben; Gesichter sollten nicht an real existierende Personen erinnern.' Damit sich kein Staat benachteiligt fühlt, bilden die Scheine Epochen ab. Sie zeigen Phantasiebauwerke, die für Baustile stehen, wie Gotik und Barock. Ein Streit wie in Großbritannien kann sich an solchen Platzhaltern nicht entzünden. Als besonders identitätsstiftend gelten sie aber auch nicht. Immerhin: Die neue Euro-Serie, deren Fünf-Euro-Schein bereits auf dem Markt ist, zeigt die Europa aus der griechischen Sagenwelt. Da kann niemand was dagegen haben. Trotzdem bleibt die EZB vorsichtig: Die Dame ist nur klein und versteckt im Wasserzeichen und im Silberstreifen des Scheins zu sehen.