Solarstrom am Campus, Biofleisch in der Mensa, ein radelnder Rektor: Immer mehr Hochschulen setzen auf eine ökologische Note - kleine Standorte sind meist flexibler. Zu Besuch in Eberswalde.
Auf der Wiese sitzen sie in Grüppchen und murmeln vor sich hin. Begriffe wie 'Langtriebe mit deutlichen Endknospen', hört man da aus dem Singsang heraus, oder 'Fruchtknoten unbehaart'. Oder doch nicht? Die Kunst der professionellen Baumbestimmung hat ihre Tücken, eifrig werden Fachbücher gewälzt, Blätter, Stängel und Zweige befühlt. Studenten in Fächern wie Forstwirtschaft oder Naturschutz müssen so etwas quasi blind beherrschen - und der Forstbotanische Garten in Eberswalde bietet schier unendlich viele Übungsexemplare. Auf acht Hektar Fläche blühen und leuchten Teppiche aus heimischen und auswärtigen Gewächsen, die Hölle für den Allergiker, ein Paradies für den Pflanzenfreund. Schon 1830 wurde der Garten angelegt, zusammen mit der Königlichen Preußischen Höheren Forstlehranstalt in Eberswalde. Sie heißt heute Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE), ist mit etwa 2000 Studenten und 50 Professoren die kleinste Hochschule Brandenburgs. Sie will nicht nur Experten für Nachhaltigkeit ausbilden - sondern sie hat sich das Prinzip zum Leitbild erhoben.
Bundesweit wächst die Anzahl von Studiengängen mit Nachhaltigkeitsaspekt, klassische Naturfächer oder Umweltingenieurwesen setzen ohnehin darauf, aber auch Architektur oder Betriebswirtschaft nehmen derlei Fragen langsam in ihren Kanon auf. Es ist der Arbeitsmarkt, der die Regeln bestimmt. Manche Hochschulen gehen einen Schritt weiter. 'Was man lehrt, soll man auch leben', sagt Kerstin Kräusche. Die Chemikerin ist die Umweltmanagerin der HNE. Dass die Hochschule ihren Alltag besonders umweltverträglich gestaltet, hat sie schriftlich: durch das EMAS-Siegel, das strengste Umweltmanagementsystem der EU. Systematisch schwört Kräusche den Campus auf das Nachhaltigkeitsprinzip ein: Energie, Abfalltrennung und Wiederverwertung, Heizen, Beleuchten. Solarmodule und eine Hackschnitzelanlage gibt es, so weit möglich kauft man Ökostrom hinzu. In der Hausordnung wird umweltgerechtes Verhalten verordnet, der Dienstwagen des Rektors wurde abgeschafft. Das Oberhaupt der Hochschule fährt seitdem Fahrrad oder Bahn, wenn nötig mit einen Mietwagen. Das große Ziel, mittelfristig: eine klimaneutrale Einrichtung werden.
Studieren in der und für die Natur: Immer mehr Hochschulen bieten Studiengänge mir Nachhaltigkeitsaspekt an.
'Es sind lauter kleine Puzzlesteine, die dann das System darstellen', sagt Kerstin Kräusche. Sie steht im Hof des Stadtcampus, in einem Biotop quaken Frösche, das Insektenhotel empfängt surrende Gäste, der Hochschulbieber hält sich heute versteckt. Ein paar Studenten genießen die Ruhe hier, fläzen in der Sonne. Ansonsten sind sie aber zum Mitmachen eingeladen, ja aufgefordert: Wald und Umwelt, Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holztechnik und Nachhaltige Wirtschaft - in den vier Fachbereichen sind die Studiengänge der Hochschule angesiedelt.
Im ersten Semester steht für alle verpflichtend eine Ringvorlesung zum Thema Nachhaltigkeit an. 'Wir haben das Kreativpotenzial der Studierenden', sagt Kräusche, Seminararbeiten drehen sich oft um die Lebenswelt der Hochschule. 'Und die jungen Leute sehen: Ideen können umgesetzt werden.' Zugleich könnten sie 'sich die Hörner abstoßen, nicht alles ist ja in der Praxis tatsächlich umsetzbar'. Problemlos ging es in der Mensa: Eine Deutschlandkarte mit Pfeilen belegt dort, wo Speisen und Zutaten herkommen, und oft enden sie in Brandenburg - Nudeln aus Kleinmachnow, Obst aus Müncheberg. Kaffee und Schokolade stammen aus fairem Handel.
Nun beschreitet Eberswalde nicht alleine den Nachhaltigkeitspfad. So wie die Brandenburger hat man sich etwa an den Universitäten Marburg, Kiel, Lüneburg und Greifswald das Ziel gesetzt, 'klimaneutral' zu werden. Und auch andernorts sind erste Schritte gegangen worden, da werden Solarfassaden hochgezogen und Bauten gedämmt, es wird Regenwasser gesammelt, Müll getrennt oder in der Mensa Biohähnchen kredenzt. Der große Vorteil, den Hochschulen gegenüber Unternehmen haben: die eigene Kompetenz. 'Eine Hochschule kann sich selber mit den Ressourcen in Forschung und Lehre auf dem Weg zu mehr Umweltschutz begleiten', sagt Joachim Müller, beim Hochschul-Informations-System (HIS) für das Thema Infrastruktur zuständig. Rund 20 Hochschulen haben oder planen konkret ein Management für Umweltschutz nach normierten Systemen, so der Experte. Zudem 'kommunizieren weitere Einrichtungen ohne diesen selbst auferlegten Zwang Nachhaltigkeit in unterschiedlicher Art und Weise'.
Zumindest hat man beinahe überall mit dem Nachdenken begonnen. Die Hochschulrektorenkonferenz hat 2009 die Erklärung 'Hochschulen für nachhaltige Entwicklung' verabschiedet. Man könne 'beispielgebend handeln', hieß es darin. Konkrete Richtlinien geben wollten sich die Rektoren aber nicht - jeder Standort solle für sich entscheiden, was er will. Und kann. Vor allem Massenuniversitäten würden gern grüner sein, können aber nicht mal eben den Schalter umstellen - viele Gebäude sind seit der Bildungsexpansion in den Siebzigerjahren kaum noch renoviert worden. Spricht man etwa mit Umweltingenieuren großer Unis über ihr Metier, kann schnell ein betretenes Schweigen entstehen - wenn man sich nämlich nach den eigenen Gebäuden erkundigt. Als sich vor einem Jahr die Kanzler, also Verwaltungschefs, der Unis trafen, hatte man ganz andere Sorgen als ein Öko-Profil: den Erhalt von Bauten, ohne dass es durchs Dach tropft oder die Fassaden herunterkrachen. Begleitet von einem Lamento über die akute Finanzschwäche der Bundesländer.
'Wir wollen klimaneutral werden, aber auch wir haben hier Bauten, mit denen wir nicht glücklich sind', sagt Wilhelm-Günther Vahrson. Der Professor für Physische Geografie ist HNE-Präsident, der mit dem Dienstrad. Er verweist, wie seine Umweltmanagerin, auf die Stellschrauben im Alltag. 'Wir haben mit der Namensgebung einen Anspruch formuliert, den wir einlösen müssen. Ein selbstverstärkender Prozess.'
Das Konzept geht jedenfalls auf: Bei den Drittmitteln ist die HNE, obwohl so klein, bundesweit in der Spitzengruppe der Fachhochschulen. Beim Deutschland-Stipendium, dem Begabten-Programm des Bundes unter Beteiligung der Wirtschaft, schöpft die Eberswalde die Quote aus - während viele große Unis nicht genug Spender für den privatwirtschaftlichen Anteil an dem Programm finden. Die Studenten kommen zahlreich in die Provinz, ein Drittel aus den alten Bundesländern. Fast alle Studiengänge sind mit einem Numerus clausus belegt; in Brandenburg alles andere als der Regelfall. Ein Segen für eine Gegend, in der junge Einheimische tendenziell das Weite suchen und die rechtsextreme NPD sich breitzumachen droht. 'Viele unserer Studenten wollen ein wenig die Welt retten. Und wir geben ihnen das Rüstzeug dafür', sagt Vahrson. Auch Kräusche meint: 'Es ist schon eine bestimmte Klientel hier. Wir sind attraktiv für Überzeugungstäter'.
Paradebeispiel für die These ist wohl Alexandra Petrikat. Die 25-Jährige hat im gerade endenden Semester ihr Studium begonnen, Ökolandbau und Vermarktung. Im Studiengang üben die Studenten auf einem Hof, machen ein Konzept für Weidewirtschaft, kümmern sich um das Marketing in Bioläden. Bäuerin will sie danach eher nicht werden - sondern in Politik oder in Organisationen mitgestalten, als Lobbyistin. 'Dafür muss man die Problematik verstehen, authentisch reden können.' Um die halbe Welt war Petrikat nach dem Abitur gereist, hat sich dort auch engagiert. In Peru zum Beispiel gebe es auf dem Land manche Krankheiten seit einer Generation; seit man das Kleinbauerntum aufgegeben habe und Industrieprodukte verzehre. Spätestens da hat es bei ihr Klick gemacht: 'Wir müssen etwas ändern.' Dass an der HNE nicht bei allen Studenten nur grünes Blut in den Adern fließt, sei klar. 'Wir haben Dogmatiker, aber das sind nicht alle', sagt Petrikat. 'Wir inspirieren einander, es wird keiner verstoßen, wenn er was in den falschen Mülleimer wirft.'
Insgesamt will auch die Hochschulleitung ihre Mitarbeiter nicht mit dem Kurs überfahren. Das Papier an der HNE, jährlich mehr als eine Million Blatt in Verwaltung und Wissenschaft, ist Umweltpapier, natürlich. 'Wir haben dann aber nicht das ganz supergraue genommen', erzählt Kerstin Kräusche - am Ende sollen 'nicht durch Bagatellen Aversionen entstehen'.
Wird Nachhaltigkeit zum Standortfaktor für Hochschulen? Schließlich wird der aktuelle Studentenansturm demografisch bedingt abflauen. Von der jetzigen Marke von jährlich gut einer halben Million Erstsemester bundesweit entfernt sich die Prognose der Kultusministerkonferenz Jahr für Jahr. Spätestens 2020 wird sich der Wert eher der 40000er-Grenze annähern. In zehn Jahren werden Hochschulen um Studenten buhlen müssen. 'Noch nicht', antwortet denn auch HIS-Experte Joachim Müller auf die Frage, ob Hochschulen einen wirtschaftlichen Vorteil durch umweltfreundlichen Alltag erzielen können.
In Eberswalde erntet man die Früchte der Strategie aber offenkundig schon jetzt. Dabei ist man eigentlich schon seit mehr als 150 Jahren Pionier. Den schicken neuen Namen hat die Hochschule zwar erst vor drei Jahren bekommen, das Profil kam in Grundzügen nach der Wende; der Begriff Nachhaltigkeit stammt aber aus der Forstwirtschaft. Und war damit im 19. Jahrhundert schon kein fremdes Terrain für die damalige Königliche Forstlehranstalt.
Auf der Wiese sitzen sie in Grüppchen und murmeln vor sich hin. Begriffe wie 'Langtriebe mit deutlichen Endknospen', hört man da aus dem Singsang heraus, oder 'Fruchtknoten unbehaart'. Oder doch nicht? Die Kunst der professionellen Baumbestimmung hat ihre Tücken, eifrig werden Fachbücher gewälzt, Blätter, Stängel und Zweige befühlt. Studenten in Fächern wie Forstwirtschaft oder Naturschutz müssen so etwas quasi blind beherrschen - und der Forstbotanische Garten in Eberswalde bietet schier unendlich viele Übungsexemplare. Auf acht Hektar Fläche blühen und leuchten Teppiche aus heimischen und auswärtigen Gewächsen, die Hölle für den Allergiker, ein Paradies für den Pflanzenfreund. Schon 1830 wurde der Garten angelegt, zusammen mit der Königlichen Preußischen Höheren Forstlehranstalt in Eberswalde. Sie heißt heute Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE), ist mit etwa 2000 Studenten und 50 Professoren die kleinste Hochschule Brandenburgs. Sie will nicht nur Experten für Nachhaltigkeit ausbilden - sondern sie hat sich das Prinzip zum Leitbild erhoben.
Bundesweit wächst die Anzahl von Studiengängen mit Nachhaltigkeitsaspekt, klassische Naturfächer oder Umweltingenieurwesen setzen ohnehin darauf, aber auch Architektur oder Betriebswirtschaft nehmen derlei Fragen langsam in ihren Kanon auf. Es ist der Arbeitsmarkt, der die Regeln bestimmt. Manche Hochschulen gehen einen Schritt weiter. 'Was man lehrt, soll man auch leben', sagt Kerstin Kräusche. Die Chemikerin ist die Umweltmanagerin der HNE. Dass die Hochschule ihren Alltag besonders umweltverträglich gestaltet, hat sie schriftlich: durch das EMAS-Siegel, das strengste Umweltmanagementsystem der EU. Systematisch schwört Kräusche den Campus auf das Nachhaltigkeitsprinzip ein: Energie, Abfalltrennung und Wiederverwertung, Heizen, Beleuchten. Solarmodule und eine Hackschnitzelanlage gibt es, so weit möglich kauft man Ökostrom hinzu. In der Hausordnung wird umweltgerechtes Verhalten verordnet, der Dienstwagen des Rektors wurde abgeschafft. Das Oberhaupt der Hochschule fährt seitdem Fahrrad oder Bahn, wenn nötig mit einen Mietwagen. Das große Ziel, mittelfristig: eine klimaneutrale Einrichtung werden.
Studieren in der und für die Natur: Immer mehr Hochschulen bieten Studiengänge mir Nachhaltigkeitsaspekt an.
'Es sind lauter kleine Puzzlesteine, die dann das System darstellen', sagt Kerstin Kräusche. Sie steht im Hof des Stadtcampus, in einem Biotop quaken Frösche, das Insektenhotel empfängt surrende Gäste, der Hochschulbieber hält sich heute versteckt. Ein paar Studenten genießen die Ruhe hier, fläzen in der Sonne. Ansonsten sind sie aber zum Mitmachen eingeladen, ja aufgefordert: Wald und Umwelt, Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holztechnik und Nachhaltige Wirtschaft - in den vier Fachbereichen sind die Studiengänge der Hochschule angesiedelt.
Im ersten Semester steht für alle verpflichtend eine Ringvorlesung zum Thema Nachhaltigkeit an. 'Wir haben das Kreativpotenzial der Studierenden', sagt Kräusche, Seminararbeiten drehen sich oft um die Lebenswelt der Hochschule. 'Und die jungen Leute sehen: Ideen können umgesetzt werden.' Zugleich könnten sie 'sich die Hörner abstoßen, nicht alles ist ja in der Praxis tatsächlich umsetzbar'. Problemlos ging es in der Mensa: Eine Deutschlandkarte mit Pfeilen belegt dort, wo Speisen und Zutaten herkommen, und oft enden sie in Brandenburg - Nudeln aus Kleinmachnow, Obst aus Müncheberg. Kaffee und Schokolade stammen aus fairem Handel.
Nun beschreitet Eberswalde nicht alleine den Nachhaltigkeitspfad. So wie die Brandenburger hat man sich etwa an den Universitäten Marburg, Kiel, Lüneburg und Greifswald das Ziel gesetzt, 'klimaneutral' zu werden. Und auch andernorts sind erste Schritte gegangen worden, da werden Solarfassaden hochgezogen und Bauten gedämmt, es wird Regenwasser gesammelt, Müll getrennt oder in der Mensa Biohähnchen kredenzt. Der große Vorteil, den Hochschulen gegenüber Unternehmen haben: die eigene Kompetenz. 'Eine Hochschule kann sich selber mit den Ressourcen in Forschung und Lehre auf dem Weg zu mehr Umweltschutz begleiten', sagt Joachim Müller, beim Hochschul-Informations-System (HIS) für das Thema Infrastruktur zuständig. Rund 20 Hochschulen haben oder planen konkret ein Management für Umweltschutz nach normierten Systemen, so der Experte. Zudem 'kommunizieren weitere Einrichtungen ohne diesen selbst auferlegten Zwang Nachhaltigkeit in unterschiedlicher Art und Weise'.
Zumindest hat man beinahe überall mit dem Nachdenken begonnen. Die Hochschulrektorenkonferenz hat 2009 die Erklärung 'Hochschulen für nachhaltige Entwicklung' verabschiedet. Man könne 'beispielgebend handeln', hieß es darin. Konkrete Richtlinien geben wollten sich die Rektoren aber nicht - jeder Standort solle für sich entscheiden, was er will. Und kann. Vor allem Massenuniversitäten würden gern grüner sein, können aber nicht mal eben den Schalter umstellen - viele Gebäude sind seit der Bildungsexpansion in den Siebzigerjahren kaum noch renoviert worden. Spricht man etwa mit Umweltingenieuren großer Unis über ihr Metier, kann schnell ein betretenes Schweigen entstehen - wenn man sich nämlich nach den eigenen Gebäuden erkundigt. Als sich vor einem Jahr die Kanzler, also Verwaltungschefs, der Unis trafen, hatte man ganz andere Sorgen als ein Öko-Profil: den Erhalt von Bauten, ohne dass es durchs Dach tropft oder die Fassaden herunterkrachen. Begleitet von einem Lamento über die akute Finanzschwäche der Bundesländer.
'Wir wollen klimaneutral werden, aber auch wir haben hier Bauten, mit denen wir nicht glücklich sind', sagt Wilhelm-Günther Vahrson. Der Professor für Physische Geografie ist HNE-Präsident, der mit dem Dienstrad. Er verweist, wie seine Umweltmanagerin, auf die Stellschrauben im Alltag. 'Wir haben mit der Namensgebung einen Anspruch formuliert, den wir einlösen müssen. Ein selbstverstärkender Prozess.'
Das Konzept geht jedenfalls auf: Bei den Drittmitteln ist die HNE, obwohl so klein, bundesweit in der Spitzengruppe der Fachhochschulen. Beim Deutschland-Stipendium, dem Begabten-Programm des Bundes unter Beteiligung der Wirtschaft, schöpft die Eberswalde die Quote aus - während viele große Unis nicht genug Spender für den privatwirtschaftlichen Anteil an dem Programm finden. Die Studenten kommen zahlreich in die Provinz, ein Drittel aus den alten Bundesländern. Fast alle Studiengänge sind mit einem Numerus clausus belegt; in Brandenburg alles andere als der Regelfall. Ein Segen für eine Gegend, in der junge Einheimische tendenziell das Weite suchen und die rechtsextreme NPD sich breitzumachen droht. 'Viele unserer Studenten wollen ein wenig die Welt retten. Und wir geben ihnen das Rüstzeug dafür', sagt Vahrson. Auch Kräusche meint: 'Es ist schon eine bestimmte Klientel hier. Wir sind attraktiv für Überzeugungstäter'.
Paradebeispiel für die These ist wohl Alexandra Petrikat. Die 25-Jährige hat im gerade endenden Semester ihr Studium begonnen, Ökolandbau und Vermarktung. Im Studiengang üben die Studenten auf einem Hof, machen ein Konzept für Weidewirtschaft, kümmern sich um das Marketing in Bioläden. Bäuerin will sie danach eher nicht werden - sondern in Politik oder in Organisationen mitgestalten, als Lobbyistin. 'Dafür muss man die Problematik verstehen, authentisch reden können.' Um die halbe Welt war Petrikat nach dem Abitur gereist, hat sich dort auch engagiert. In Peru zum Beispiel gebe es auf dem Land manche Krankheiten seit einer Generation; seit man das Kleinbauerntum aufgegeben habe und Industrieprodukte verzehre. Spätestens da hat es bei ihr Klick gemacht: 'Wir müssen etwas ändern.' Dass an der HNE nicht bei allen Studenten nur grünes Blut in den Adern fließt, sei klar. 'Wir haben Dogmatiker, aber das sind nicht alle', sagt Petrikat. 'Wir inspirieren einander, es wird keiner verstoßen, wenn er was in den falschen Mülleimer wirft.'
Insgesamt will auch die Hochschulleitung ihre Mitarbeiter nicht mit dem Kurs überfahren. Das Papier an der HNE, jährlich mehr als eine Million Blatt in Verwaltung und Wissenschaft, ist Umweltpapier, natürlich. 'Wir haben dann aber nicht das ganz supergraue genommen', erzählt Kerstin Kräusche - am Ende sollen 'nicht durch Bagatellen Aversionen entstehen'.
Wird Nachhaltigkeit zum Standortfaktor für Hochschulen? Schließlich wird der aktuelle Studentenansturm demografisch bedingt abflauen. Von der jetzigen Marke von jährlich gut einer halben Million Erstsemester bundesweit entfernt sich die Prognose der Kultusministerkonferenz Jahr für Jahr. Spätestens 2020 wird sich der Wert eher der 40000er-Grenze annähern. In zehn Jahren werden Hochschulen um Studenten buhlen müssen. 'Noch nicht', antwortet denn auch HIS-Experte Joachim Müller auf die Frage, ob Hochschulen einen wirtschaftlichen Vorteil durch umweltfreundlichen Alltag erzielen können.
In Eberswalde erntet man die Früchte der Strategie aber offenkundig schon jetzt. Dabei ist man eigentlich schon seit mehr als 150 Jahren Pionier. Den schicken neuen Namen hat die Hochschule zwar erst vor drei Jahren bekommen, das Profil kam in Grundzügen nach der Wende; der Begriff Nachhaltigkeit stammt aber aus der Forstwirtschaft. Und war damit im 19. Jahrhundert schon kein fremdes Terrain für die damalige Königliche Forstlehranstalt.