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Dämme im Datenfluss

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Das Internet ist mitnichten frei. Mit einfachen technischen Mitteln können Regierungen den Zugang ihrer Bürger zu unliebsamen Informationen im Netz blockieren. Diktaturen nutzen das aus

Die Kritik an der britischen Regierung ist in der britischen und der deutschen Internet-Szene, unter Bürgerrechtlern und Datenschützern massiv. Vor allem seit bekannt geworden ist, dass die geplanten Netzsperren nicht nur Pornografie aus dem Internet-Angebot herausfiltern sollen. Stattdessen soll der vermeintlich moralische motivierte Schutzwall der Regierung von Premier David Cameron offenbar auch Themen wie Rauchen, Gewalt, Anorexie oder Alkohol abblocken.

Unabhängig davon, ob die britischen Nutzer die Themengebiete, die ihre Regierung für problematisch hält, künftig auf Antrag freigeschaltet bekommen oder ob sie dauerhaft für alle Nutzer gesperrt werden: Die Internet-Pläne in Großbritannien erfordern die Installation einer bestimmten Zensur-Technik bei Internet-Providern. In Deutschland wären das zum Beispiel Unternehmen wie die Telekom oder O2. Ist diese Technik einmal installiert, kann derjenige, der darauf Zugriff hat, den Empfang des Netzes nach Belieben zensieren. Deshalb lehnen Datenschützer schon die Installation entsprechender Technik vehement ab.



Für Regierungen ist es ein Leichtes, im Internet zu zensieren. In Deutschland wurde vor eingen Jahren der Vostoß Ursula von der Leyens, Kinderpornographieseiten zu sperren, verhindert.

Entscheidet sich ein Staat dennoch, diese Technik einzubauen, stellt sich stets die Frage, wer sie kontrolliert und wer die Begriffe festlegt, auf der Internet-Filter mit Blockade - sprich: Zensur - reagiert. In Großbritannien soll diese Aufgabe die Regierung übernehmen.

Damit würde sich der Staat in eine ganze Reihe von Ländern einreihen, die das Netz bei den Providern für die Bürger zensieren lassen. Auch Deutschland hätte fast dazugehört. Im Jahr 2008 wurden Pläne der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen in ein Gesetz gegossen, das jedoch 2011 nach heftigen Protesten aufgehoben wurde - noch bevor die Technik bei den Providern eingeschaltet war. Von der Leyen wollte damals die Darstellung von sexuellem Kindesmissbrauch aus dem Internet verbannen. Doch in der Debatte forderten einige Politiker - ähnlich wie heute in Großbritannien -, auch weitere Inhalte mit der Technik zu sperren, zum Beispiel brutale Computerspiele.

In Großbritannien gibt es bereits entsprechende Filtertechnologie. Sie wird auf der Insel derzeit im Kampf gegen Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch eingesetzt und soll nun massiv ausgebaut werden. Geschieht dies, fände sich das Land hinsichtlich der Internet-Freiheit schlagartig auf einer Stufe mit Staaten wie Thailand wieder. Dort ist mit einer ähnlichen Technik der Zugriff auf Pornografie deutlich erschwert. Gleichzeitig nutzen die Behörden in dem südostasiatischen Land die Sperren aber auch, um Kritik am Königshaus, dem Militär und der Regierung zu unterbinden sowie den Zugriff auf als suchtgefährdend geltende Online-Spiele.

Das Beispiel Thailand zeigt zudem, dass die Technik, mit der Internet-Seiten blockiert werden, stets verbessert wird, sodass sie auch für kundige Nutzer nur noch schwer zu umgehen ist. Dies war bei dem in Deutschland diskutierten Filter-Modell noch anders, hier hätten einige Klicks im Browser gereicht, um dem Sperrsystem vorzugaukeln, man käme von einem Computer außerhalb Deutschlands und dürfe daher auch die zensierten Seiten sehen.

Noch restriktiver agieren Staaten wie Bahrain, Iran oder China, die das Internet als eine Art nationale Angelegenheit betrachten und regelmäßig Webseiten wie Wikipedia, Youtube oder ausländische Nachrichtenseiten abschalten oder zensieren. In diesen autoritären Ländern mischt der Staat prinzipiell viel stärker im Internet mit als im Westen, wo das Netz bislang vor allem als ein Modell industrieller Selbstverwaltung funktioniert; auch wenn die Enthüllungen des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden gezeigt haben, dass der Staat hier zumindest als geheimer Ab- und Zuhörer viel aktiver ist als vermutet.

In den autoritären Staaten lassen sich Abstufungen der Netzzensur unterscheiden. Während Großbritannien in seinem grundsätzlich freien Netz lediglich einige Seiten blockieren will, gibt es Länder, die in einem insgesamt unfreien, zensierten Netz nur einige Seiten für ihre Bürger freigeben. Noch weiter gehen Länder wie Iran, die derzeit ein ganz eigenes Netz schaffen, ein nationales Internet, das nur für die lebenswichtigen Funktionen wie Software-Aktualisierungen eine Verbindung zum restlichen Netz aufweist. Was absurd klingt, ist nicht allzu schwer zu bauen. Das gesamte, weltweite Internet ist mitnichten ein einziges untrennbares, zusammenhängendes System. Vielmehr besteht es aus bis zu 45 000 kleinen Netzwerken, die an bestimmten Punkten verbunden sind. So ein Netzwerk lässt sich durchaus autark in einem einzigen Land betreiben.

Am wenigsten Internet-Freiheit haben die Bürger von Ländern wie Myanmar, Kuba und Nordkorea. Computer mit Internet-Anschluss stehen dort aufgrund von Armut und Verboten dem normalen Volk nur in staatlichen Internet-Cafés zur Verfügung. Hier müssen sich die Nutzer ausweisen und registrieren - eine Methode, die nach Stasi-Steinzeit klingt, aber effizient genug ist, um die eigenen Bürger von Informationen fernzuhalten.

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