Deutschlands Mittelständler können dem SPD-Kanzlerkandidaten durchaus etwas abgewinnen. Steinbrücks Partei aber fürchten sie - und noch mehr seine potenziellen Koalitionspartner
Es ist 19.48 Uhr an diesem regendurchwirkten Abend in Berlin, als Peer Steinbrück den Glauben an Deutschlands Unternehmer doch noch wiederfindet. 'Endlich!', ruft er und reckt die Hände gen Himmel. 'Endlich! Wenigstens einer!'
Der eine, das ist Bertram Kawlath, Chef der Feingießerei und Ventilmanufaktur Schubert & Salzer, ein höflicher, jung gebliebener Anfangsvierziger. Den theatralischen Gefühlsausbruch des SPD-Kanzlerkandidaten hat er sich verdient, denn ihn unterscheidet etwas Wichtiges von vielen anderen Unternehmern des Landes: Kawlath hat das Wahlprogramm der Sozialdemokraten gelesen, ja sogar die 'Siegener Thesen', in die Steinbrück seine Ideen zur Zukunft des Mittelstands gegossen hat. Für den strauchelnden Kandidaten ist er damit eine Art Exot: Ein Unternehmer, der nicht nur über die SPD redet, sondern sich auch über sie informiert.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am 15. August in Berlin.
Steinbrück, die Wirtschaft und die SPD - da ist einer zu viel im Bunde. Das wird auch an diesem Abend beim Hauptstadtgespräch der Stiftung Familienunternehmen und der Süddeutschen Zeitung deutlich. Der Kandidat persönlich? Kompetent, sympathisch, führungsstark, sagen Kawlath und seine Mitdiskutanten Hubertine Underberg-Ruder, Norbert Basler, Werner Conrad und Hans-Heiner Honold später, als der Merkel-Herausforderer längst zum nächsten Termin geeilt ist. Aber die SPD? Es ist wie bei Steinbrücks Vorbild Helmut Schmidt, der ja für viele auch der richtige Kanzler in der falschen Partei war.
Die Reserviertheit der Wirtschaft gegenüber der Sozialdemokratie - für den Spitzenkandidaten basiert sie auf einer Kette von Missverständnissen. 'Ich kann mir offenbar den Mund fusselig reden - Tatsache ist: Die Familienunternehmen werden von unseren Steuerplänen gar nicht betroffen sein.' Auch bei der Erbschaftsteuer kenne er nicht einen Vorstoß der SPD, der die Betriebe belasten würde. Und schließlich, ein wenig resignierend: 'Wenn Sie mir natürlich nicht glauben, dann kann ich Ihnen so viele Argumente nennen, wie ich will - es wird mir nichts nutzen.'
Ihnen persönlich glauben wir ja gerne, so steht es in den Gesichtern der Unternehmer geschrieben, aber Sie sind nun einmal nicht allein. 'Und einen Koalitionspartner brauchen Sie ja auch noch', sagt Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Wenn er sehe, was Grüne und Linke bei Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer vorhätten, dann drohe den Unternehmen unter einer rot-grünen oder gar einer rot-rot-grünen Regierung die 'schleichende Enteignung'.
Es ist keine scharfe Debatte, die sich der Sozialdemokrat und die Unternehmer liefern, im Gegenteil, es wirkt manchmal so, als leide man ein wenig aneinander. Hier Steinbrück, der daran erinnert, dass Familienbetriebe unter SPD-Kanzler Schröder 'nur Steuersenkungen erlebt' hätten und darum bittet, die Bilanz der schwarz-gelben Koalition doch 'mit denselben Argusaugen zu betrachten wie die rot-grüne'. Dort die Unternehmer, die Steinbrück im Einzelnen häufig beipflichten, im Großen und Ganzen aber skeptisch bleiben.
Die größten Sorgen bereiten den Managern die Pläne der SPD für die Wiedereinführung der Vermögen- und die Erhöhung der Erbschaftsteuer. Die Steuersätze, die da genannt würden, sagt Logistikunternehmer Honold, klängen ja vernachlässigbar. Tatsache aber sei: 'Eine Vermögensteuer von nur 1,5 Prozent würde sich für eigentümergeführte Unternehmen im Handumdrehen in eine erdrückende Last verwandeln.' High-Tech-Manager Basler warnt davor, das mühsam aufgebaute Eigenkapital des Mittelstands wieder aufzuzehren, und Kawlath hält es für grob unfair, wenn jetzt statt der Banken Industrie, Handel und Dienstleister die Haushaltssanierung bezahlen müssten: 'Wir Familienunternehmer sind in der Krise nicht mit Zwölfzylindern durchs Land gefahren. Wir haben Verantwortung bewiesen und, wo immer es ging, unsere Belegschaften vor Arbeitslosigkeit geschützt.' Das solle man den Betrieben jetzt nicht damit danken, dass man die Vermögensteuer wieder einführt.
Steinbrück verteidigt die Pläne der SPD, lehnt aber zugleich eine Besteuerung der 'betrieblichen Substanz' ab. Ja, er deutet sogar vorsichtig an, dass er auf die Vermögensteuer verzichten könnte, sollte das Verfassungsgericht eine Bevorzugung von betrieblichem gegenüber privaten Vermögen untersagen. Auch bei der Erbschaftsteuer steht er zur Besserstellung der Unternehmen, schließlich garantierten diese im Gegenzug den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Kawlaths Idee, die Steuer wegen der bei Familienbetrieben kaum möglichen Trennung zwischen Privat- und Firmenvermögen einfach abzuschaffen und dafür die Einkommensteuersätze leicht anzuheben, weist er allerdings brüsk zurück. 'Selbstverständlich werde ich die Erbschaftsteuer nicht abschaffen', sagt er. Es habe in den letzten Jahren eine 'groteske Verzerrung der Einkommensverteilung in Deutschland' und eine 'Umverteilung von unten nach oben' gegeben. Es sei deshalb 'das gute Recht des Staates, leistungslose Kapitalzuflüsse zu einem Teil abzuschöpfen'.
Das gelte umso mehr, als diese Abschöpfung kein Selbstzweck sei. Der Staat brauche schlicht mehr Geld: für die Bildung, die Infrastruktur, die Stärkung der Kommunen, die Einhaltung der Schuldenbremse. Dem widersprechen die Unternehmer gar nicht - im Gegenteil: 'Sie haben ja recht, Herr Steinbrück', sagt etwa Underberg-Ruder. 'Aber warum muss man deshalb automatisch die Einnahmen, sprich: die Steuern, erhöhen? Warum schaut man nicht einmal nach, ob man sich nicht die ein oder andere Ausgabe sparen kann?'
Conrad schlägt in die gleiche Kerbe: 'Mangelt es der Politik vielleicht an Fantasie und Mut, auch einmal die Ausgaben zu durchforsten?' Steinbrück verweist auf das Trommelfeuer, das auf jeden einprasselt, der Ausgaben kürzen will: 'Klar will jeder Subventionen abbauen - aber dann heißt es: Bei der Forschung? Nein. Bei der Bildung? Nein. Bei der Infrastruktur? Nein. Beim Städtebau? Nein. Bei den Familien? Nein.' Conrad findet das zu simpel: 'Es gibt andere Länder, die ebenfalls über eine hervorragende Infrastruktur, ausgezeichnete Schulen und moderne Krankenhäuser verfügen, die aber mit 15 bis 16 Prozent Steuern auskommen: Hongkong ist so ein Beispiel. Warum schaut man sich nicht einmal an, was die anders machen?'
Einig ist sich die Runde immerhin, dass die vorhandenen Steuermittel möglichst effizient eingesetzt werden sollten. 'Wir sind in Deutschland zu kurzatmig geworden. Wir bauen lieber billig als preiswert - mit dem Ergebnis, dass eine neue Autobahn heute nach zehn Jahren schon wieder kaputt ist', klagt Basler - den noch eine weitere, viel größere Sorge umtreibt: 'Wir haben derzeit in Deutschland die günstigsten finanzpolitischen Rahmenbedingungen, die man sich vorstellen kann: eine niedrige Arbeitslosigkeit, hohe Steuereinnahmen, ultra-niedrige Zinsen - und trotzdem kommen wir mit dem Geld nicht aus. Da kann einem schon angst und bange werden, wenn man daran denkt, was passiert, wenn sich diese Rahmenbedingungen einmal verschlechtern würden.' Steinbrück, der als Bundesfinanzminister einst Opfer einer Entwicklung wurde, wie Basler sie beschreibt, sagt dazu nichts. Aber man darf davon ausgehen, dass ihn die gleiche Angst in einer dunklen, schlaflosen Nacht auch schon einmal überfallen hat.
Es ist 19.48 Uhr an diesem regendurchwirkten Abend in Berlin, als Peer Steinbrück den Glauben an Deutschlands Unternehmer doch noch wiederfindet. 'Endlich!', ruft er und reckt die Hände gen Himmel. 'Endlich! Wenigstens einer!'
Der eine, das ist Bertram Kawlath, Chef der Feingießerei und Ventilmanufaktur Schubert & Salzer, ein höflicher, jung gebliebener Anfangsvierziger. Den theatralischen Gefühlsausbruch des SPD-Kanzlerkandidaten hat er sich verdient, denn ihn unterscheidet etwas Wichtiges von vielen anderen Unternehmern des Landes: Kawlath hat das Wahlprogramm der Sozialdemokraten gelesen, ja sogar die 'Siegener Thesen', in die Steinbrück seine Ideen zur Zukunft des Mittelstands gegossen hat. Für den strauchelnden Kandidaten ist er damit eine Art Exot: Ein Unternehmer, der nicht nur über die SPD redet, sondern sich auch über sie informiert.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am 15. August in Berlin.
Steinbrück, die Wirtschaft und die SPD - da ist einer zu viel im Bunde. Das wird auch an diesem Abend beim Hauptstadtgespräch der Stiftung Familienunternehmen und der Süddeutschen Zeitung deutlich. Der Kandidat persönlich? Kompetent, sympathisch, führungsstark, sagen Kawlath und seine Mitdiskutanten Hubertine Underberg-Ruder, Norbert Basler, Werner Conrad und Hans-Heiner Honold später, als der Merkel-Herausforderer längst zum nächsten Termin geeilt ist. Aber die SPD? Es ist wie bei Steinbrücks Vorbild Helmut Schmidt, der ja für viele auch der richtige Kanzler in der falschen Partei war.
Die Reserviertheit der Wirtschaft gegenüber der Sozialdemokratie - für den Spitzenkandidaten basiert sie auf einer Kette von Missverständnissen. 'Ich kann mir offenbar den Mund fusselig reden - Tatsache ist: Die Familienunternehmen werden von unseren Steuerplänen gar nicht betroffen sein.' Auch bei der Erbschaftsteuer kenne er nicht einen Vorstoß der SPD, der die Betriebe belasten würde. Und schließlich, ein wenig resignierend: 'Wenn Sie mir natürlich nicht glauben, dann kann ich Ihnen so viele Argumente nennen, wie ich will - es wird mir nichts nutzen.'
Ihnen persönlich glauben wir ja gerne, so steht es in den Gesichtern der Unternehmer geschrieben, aber Sie sind nun einmal nicht allein. 'Und einen Koalitionspartner brauchen Sie ja auch noch', sagt Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Wenn er sehe, was Grüne und Linke bei Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer vorhätten, dann drohe den Unternehmen unter einer rot-grünen oder gar einer rot-rot-grünen Regierung die 'schleichende Enteignung'.
Es ist keine scharfe Debatte, die sich der Sozialdemokrat und die Unternehmer liefern, im Gegenteil, es wirkt manchmal so, als leide man ein wenig aneinander. Hier Steinbrück, der daran erinnert, dass Familienbetriebe unter SPD-Kanzler Schröder 'nur Steuersenkungen erlebt' hätten und darum bittet, die Bilanz der schwarz-gelben Koalition doch 'mit denselben Argusaugen zu betrachten wie die rot-grüne'. Dort die Unternehmer, die Steinbrück im Einzelnen häufig beipflichten, im Großen und Ganzen aber skeptisch bleiben.
Die größten Sorgen bereiten den Managern die Pläne der SPD für die Wiedereinführung der Vermögen- und die Erhöhung der Erbschaftsteuer. Die Steuersätze, die da genannt würden, sagt Logistikunternehmer Honold, klängen ja vernachlässigbar. Tatsache aber sei: 'Eine Vermögensteuer von nur 1,5 Prozent würde sich für eigentümergeführte Unternehmen im Handumdrehen in eine erdrückende Last verwandeln.' High-Tech-Manager Basler warnt davor, das mühsam aufgebaute Eigenkapital des Mittelstands wieder aufzuzehren, und Kawlath hält es für grob unfair, wenn jetzt statt der Banken Industrie, Handel und Dienstleister die Haushaltssanierung bezahlen müssten: 'Wir Familienunternehmer sind in der Krise nicht mit Zwölfzylindern durchs Land gefahren. Wir haben Verantwortung bewiesen und, wo immer es ging, unsere Belegschaften vor Arbeitslosigkeit geschützt.' Das solle man den Betrieben jetzt nicht damit danken, dass man die Vermögensteuer wieder einführt.
Steinbrück verteidigt die Pläne der SPD, lehnt aber zugleich eine Besteuerung der 'betrieblichen Substanz' ab. Ja, er deutet sogar vorsichtig an, dass er auf die Vermögensteuer verzichten könnte, sollte das Verfassungsgericht eine Bevorzugung von betrieblichem gegenüber privaten Vermögen untersagen. Auch bei der Erbschaftsteuer steht er zur Besserstellung der Unternehmen, schließlich garantierten diese im Gegenzug den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Kawlaths Idee, die Steuer wegen der bei Familienbetrieben kaum möglichen Trennung zwischen Privat- und Firmenvermögen einfach abzuschaffen und dafür die Einkommensteuersätze leicht anzuheben, weist er allerdings brüsk zurück. 'Selbstverständlich werde ich die Erbschaftsteuer nicht abschaffen', sagt er. Es habe in den letzten Jahren eine 'groteske Verzerrung der Einkommensverteilung in Deutschland' und eine 'Umverteilung von unten nach oben' gegeben. Es sei deshalb 'das gute Recht des Staates, leistungslose Kapitalzuflüsse zu einem Teil abzuschöpfen'.
Das gelte umso mehr, als diese Abschöpfung kein Selbstzweck sei. Der Staat brauche schlicht mehr Geld: für die Bildung, die Infrastruktur, die Stärkung der Kommunen, die Einhaltung der Schuldenbremse. Dem widersprechen die Unternehmer gar nicht - im Gegenteil: 'Sie haben ja recht, Herr Steinbrück', sagt etwa Underberg-Ruder. 'Aber warum muss man deshalb automatisch die Einnahmen, sprich: die Steuern, erhöhen? Warum schaut man nicht einmal nach, ob man sich nicht die ein oder andere Ausgabe sparen kann?'
Conrad schlägt in die gleiche Kerbe: 'Mangelt es der Politik vielleicht an Fantasie und Mut, auch einmal die Ausgaben zu durchforsten?' Steinbrück verweist auf das Trommelfeuer, das auf jeden einprasselt, der Ausgaben kürzen will: 'Klar will jeder Subventionen abbauen - aber dann heißt es: Bei der Forschung? Nein. Bei der Bildung? Nein. Bei der Infrastruktur? Nein. Beim Städtebau? Nein. Bei den Familien? Nein.' Conrad findet das zu simpel: 'Es gibt andere Länder, die ebenfalls über eine hervorragende Infrastruktur, ausgezeichnete Schulen und moderne Krankenhäuser verfügen, die aber mit 15 bis 16 Prozent Steuern auskommen: Hongkong ist so ein Beispiel. Warum schaut man sich nicht einmal an, was die anders machen?'
Einig ist sich die Runde immerhin, dass die vorhandenen Steuermittel möglichst effizient eingesetzt werden sollten. 'Wir sind in Deutschland zu kurzatmig geworden. Wir bauen lieber billig als preiswert - mit dem Ergebnis, dass eine neue Autobahn heute nach zehn Jahren schon wieder kaputt ist', klagt Basler - den noch eine weitere, viel größere Sorge umtreibt: 'Wir haben derzeit in Deutschland die günstigsten finanzpolitischen Rahmenbedingungen, die man sich vorstellen kann: eine niedrige Arbeitslosigkeit, hohe Steuereinnahmen, ultra-niedrige Zinsen - und trotzdem kommen wir mit dem Geld nicht aus. Da kann einem schon angst und bange werden, wenn man daran denkt, was passiert, wenn sich diese Rahmenbedingungen einmal verschlechtern würden.' Steinbrück, der als Bundesfinanzminister einst Opfer einer Entwicklung wurde, wie Basler sie beschreibt, sagt dazu nichts. Aber man darf davon ausgehen, dass ihn die gleiche Angst in einer dunklen, schlaflosen Nacht auch schon einmal überfallen hat.