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Eine Welt ohne Bienen

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Weil die Insekten allmählich verschwinden, greifen die Behörden in Europa und jetzt auch in den USA durch: Sie verbannen gefährliche Pestizide. Für Landwirtschaft und Industrie geht es um einen Milliardenmarkt

New York - Natürlich gibt es hier keinen Honig. Aber auch keine Möhren und keine Mangos, keine Gurken, keine Zwiebeln, keine Äpfel. Da stapeln sich noch ein paar Orangen, aber die Regale des Supermarkts sind fast leer. Es ist ein Bild von einer Welt ohne Bienen. Die US-Biosupermarkt-Kette Whole Foods hat alle Waren aus den Regalen geräumt, die es ohne die Biene und ihr stetes Bestäuben nicht mehr geben wird, 237 von 453 Produkten allein in der Obst- und Gemüseabteilung. Es ist eine Warnung: Menschheit, rette die Biene!

"Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr." Albert Einstein soll das einmal gesagt haben. Ohne Biene habe die Menschheit noch maximal vier Jahre zu leben. Ganz so schlimm wäre es sicher nicht, weiß die Forschung heute, aber die Menschheit müsste ohne die Biene auf gut ein Drittel der Nahrung verzichten, insbesondere auf gesunde Nahrung.



Menschheit, rette die Biene!

Die Warnung vor dem Ende der Biene hat einen Grund: Gerade in einer Zeit, in der die Biene so beliebt ist wie nie zuvor, geht es ihr am schlechtesten. Auf Dutzenden Dächern in New York machen sich Hobbyimker zu schaffen. Die New York City Beekeepers Association hat momentan Zulauf. In Berlin und London gibt es die gleiche Sehnsucht nach ein bisschen mehr Natur. Doch seit 2006 sterben immer mehr Bienenvölker in den Wintermonaten. Imker, die ihre Bienenstöcke prüfen, finden sie immer öfter leer vor, Honig ist drin, Wachs und Waben - aber keine Bienen. Die Insekten verschwinden einfach. In den Vereinigten Staaten starben früher 10 bis 15 Prozent der Tiere pro Winter, in den vergangenen Jahren lag der Schnitt laut der Umweltbehörde EPA bei 30 Prozent. Seit 2006 sind in Amerika zehn Millionen Bienenvölker verschwunden - das kostete die Imker zwei Milliarden Dollar. Auch aus Teilen Europas und Asiens werden hohe Verluste gemeldet. In Deutschland lag die Sterberate im vergangenen Winter mit 15,2 Prozent über dem Schnitt. Wissenschaftler sprechen von Colony Collapse Disorder.

Imker ziehen sich aus dem frustrierenden Geschäft zurück. Die Folgen für die Landwirtschaft sind fatal. Bislang werden die Bienen hunderte Kilometer weit durch Amerika gefahren, um gezielt die Felder zu bestäuben, etwa Kaliforniens Mandelbäume. Es ist eine Milliardenindustrie. Und die Angst wächst. Das amerikanische Magazin Time hat in dieser Woche die Titelgeschichte der Biene gewidmet, das Cover ist schwarz: "A world without bees." Das Erschreckende ist, dass niemand genau weiß, woran die Bienen sterben.

Die Behörden der Welt versuchen, die Biene zu retten. Hauptansatzpunkt sind Pestizide, vor allem die als Bienenkiller bekannten Neonikotinoide. Die Amerikaner machen vorerst nur einen kleinen Schritt: Die EPA hat in dieser Woche ein neues Label für Pestizide vorgestellt. Künftig sollen auf der Verpackung Hinweise stehen, die vor der Gefahr für Bienen warnen und Bauern dazu anhalten, sie möglichst eingeschränkt zu verwenden. Umweltgruppen verlangen einen Bann und verklagen die EPA. "Trotz aller Versuche, die Behörde vor Neonikotinoiden zu warnen, ignoriert die EPA Warnzeichen einer Landwirtschaft, die in Schwierigkeiten steckt", sagt Paul Towers vom Pesticide Action Network.

Die EU hatte im Frühjahr bereits den Einsatz dreier hochwirksamer Pestizide aus der Gruppe der Neonikotinoide ab Dezember verboten. Die Nervengifte werden erstmal nur für den Einsatz beim Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps und Baumwolle verbannt - diese Pflanzen lieben Bienen besonders. Die Sperre gilt zunächst für zwei Jahre. In Deutschland sind die Neonikotinoide außerdem nicht für Wintergetreide zugelassen. Bei der Aussaat kann Staub abdriften, der sich auf andere Blühpflanzen ablegen kann und dadurch das Bienenwohl gefährdet. Es gibt viele Studien, die belegen, wie schädlich die Neonikotinoide für die Bienen sind.

Kürzlich haben Forscher von der University of Dundee gezeigt, dass sie die Funktion des Bienenhirns schädigen, zum Beispiel die Orientierungsfähigkeit, ihre Lernfähigkeiten und den Erfolg beim Futtersammeln. Die Bienen finden schlicht nicht wieder nach Hause. Eigentlich sind die Neonikotinoide ein Mittel, hinter dem eine gute Idee steckt. Statt die Pestizide aufzusprühen, wenn die Pflanzen schon gepflanzt sind, werden die Samen in ihnen getränkt, bevor sie aufs Feld gebracht werden.

Dadurch können die Pestizide sehr gezielt eingesetzt werden und verteilen sich weniger in der Luft, was vor allem für die Feldarbeiter gut ist. Das Pestizid dringt aber in jeden Teil der Pflanze, auch in die Pollen, was den Bienen schadet. Die Verbreitung der Neonikotinoide - die ja erfunden wurden, um Insekten zu töten - begann ungefähr gleichzeitig mit dem großen Bienensterben. Den Pestiziden die Schuld am Bienensterben zu geben, ist eine charmante Lösung, schließlich kann man sie einfach verbieten; das Problem wäre aus der Welt.Allerdings gibt es viel, das gegen die Theorie spricht. In Australien etwa werden Neonikotinoide seit Jahren verwendet und australische Bienen sind kerngesund. In Frankreich dagegen, wo die Pestizide seit 1999 kaum noch verwendet werden dürfen, sterben die Bienen genauso wie im Rest Europas und in Amerika.

Lautester Verfechter der Pflanzenschutzmittel sind - wenig überraschend - die Lobbyisten der Agrarchemiebranche. Hersteller der Neonikotinoide sind unter anderem Bayer und der Schweizer Konzern Syngenta. Es gebe etliche Gründe für das Bienensterben, sagen die Konzerne. Auch Viren und Milben seien schuld. Außerdem würden die Tiere oft nicht artgerecht gehalten. Gerade die hunderte Kilometer, die Bienenvölker zurücklegen, um gezielt etwa die Mandelhaine in Kalifornien zu bestäuben, stressen die Tiere und machen sie krank. Insgesamt ändert sich die Umwelt zum Nachteil der Honigbiene: Es gibt nicht mehr so viele wilde Wiesen und Felder, stattdessen mehr Monokulturen, die Bienen weniger mögen, vor allem Mais und Sojabohnen. Manche Bienen müssen schlicht verhungern. Aber was sollen die Menschen ohne Bienen tun?

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