Er ist aggressiv und einzelgängerisch, spielt mit Leib und Seele. Am Samstag wird der "Taxi Driver" Robert De Niro siebzig
Der Mann ist legendär geworden durch seine Durchmärsche. Einer, der einmal in Bewegung gesetzt nicht wieder zu stoppen ist, der lange warten kann, auf der Stelle tänzelnd, vibrierend, nervös und angespannt, mühsam nur seine Energie zügelnd. Dann die Explosion. Travis Bickle, der "Taxi Driver", der zur Waffe greift, um den dreckigen, amoralischen Sumpf New York auszumisten. Der "Raging Bull" Jake La Motta, der Boxer, der mit einer Wildheit zuschlägt, die am Ende ihn selbst zerstören wird. Rupert Pupkin, der "King of Comedy", der eine endlose Serie von Schikanen und Demütigungen - auch von Seiten seines Idols Jerry Lewis - durchsteht, um am Ende ein paar TV-Minuten für seine verdruckste Stand-Up-Comedian-Nummer zu herauspressen. "Better to be a king for one night, than schmuck for a lifetime."
Drei der Rollen, die Robert De Niro zwischen 1976 und 1983 für seinen Freund Martin Scorsese spielte, Momente von Eruption und Anarchie. Er ist, was seine Präsenz auf der Leinwand angeht, ein Kind der amerikanischen Apokalypse, jener Dekade, da Amerika zerrissen wurde von inneren Konflikten. Vietnamkrieg, Rassenunruhen, wachsende Kriminalität, Krise des Kapitalismus. Das Ende des Hollywood-Studiosystems. Robert Redford, der zur gleichen Zeit seinen Starstaus aufbaut, hält in all der Desintegration tapfer an den uramerikanischen Werten fest, und tut das bis heute. Er weiß, was er seinem Land schuldig ist. De Niro bewahrt sich dagegen die Würde des Outlaws, aus dem Bauch heraus, und er ist bereit, sich für seine Konsequenz angreifen und deformieren zu lassen.
Immer noch als Schauspieler aktiv: Der Schauspieler Robert De Niro.
Zeitlupenhaft, mit dostojewksianischem Stoizismus bewegt er sich zwischen den Menschen der großen Stadt, dockt nirgendwo an, wird nie ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln. Nicht mal zur wilden, durchgeknallten Clique der Jungs des New Hollywood gehört er - um Scorsese, mit dem er im gleichen Viertel aufgewachsen ist, Little Italy, und Paul Schrader, der so viele Rollen ihm auf den Leib geschrieben hat, und Brian de Palma, in dessen Filmen er seine ersten Rollen spielte. Von Spielberg und Lucas, den Etablierten, hat er sich ferngehalten.
In "Mean Streets" ist er Johnny Boy, der alle provoziert, sogar die jungen Mafiosi, denen er große Beträge schuldet und die in Geldsachen null Spaß verstehen - das ist das Allerschlimmste in Zeiten des Niedergangs, diese Streber, die schon wieder am Neuanfang basteln. Seinen Kumpel Harvey Keitel traktiert er mit Mülltonnen, und plötzlich schießt er aufs Empire State Building. Er liebt das Spielerische, aber es wird ganz selbstzerstörerisch von ihm betrieben. Superstoff für Hollywoods Produktionsmaschinen. Nachdem er "Mean Streets" gesehen hatte, verpflichtete Francis Coppola schnell De Niro als jungen Vito Corleone, im zweiten Teil des Godfather-Epos, und dafür hat der dann einen Oscar gekriegt. Als Scorsese ihn für den "Taxi Driver" haben wollte, gab es Terminschwierigkeiten, De Niro war schon für "1900" gebucht, das große Jahrhundertspektakel von Bernardo Bertolucci. "Taxi Driver" scheint damals ein last exit gewesen, eine letzte Chance für ihn, der auf dem Weg zu einer ordentlichen Starkarriere war.
Im Schatten von James Dean und Marlon Brando ist die Generation von Robert De Niro noch aufgewachsen, ihres Stils und der Geschichten, die durch ihn geformt wurden. De Niro stand nur am Rande unter diesem Einfluss, sein Vater war ein Künstler, verkehrte mit Jackson Pollock und dem Maler/Filmkritiker Manny Farber. De Niro ist in seinen Filmen mehr Action Painting als Method Acting. Jake La Motta schreckte, bei der Vorbereitung von "Raging Bull" - seiner Lebensgeschichte -, eines Tages hoch, ging zur Wand und schlug mit dem Kopf dagegen. "De Niro sah diese Bewegung", erinnert sich Scorsese, "und plötzlich tauchte die Filmfigur ganz deutlich vor ihm auf, der ganze Film. Wir wussten, dass wir einen Film machen wollten, in dem ein Mann den Punkt erreicht, wo er diese Geste macht und dazu die Worte sagt: Ich bin kein Tier!"
"Raging Bull" war ein verrückter Selbstversuch, De Niro fraß sich kiloweise einen Bauch an, um dem alten, fetten Jake nahezukommen, das hat ihn für immer verändert. Er hat weiter experimentiert, hat zweimal selber Regie geführt, "A Bronx Tale" und "The Good Shepherd", in den Siebzigern geisterte Godard durch Hollywood mit einem Treatment für einen Film mit De Niro und Diane Keaton, das er aus Fotos der zwei Stars montiert hatte. Nach 9/11 hat De Niro spontan das Tribeca Filmfestival gegründet, um das kulturelle Leben zu reaktivieren im Zentrum New Yorks, es wurde dieses Jahr zum zwölften Mal veranstaltet, man zeigte eine restaurierte Fassung von "King of Comedy", und Scorsese, De Niro und Jerry Lewis erinnerten sich an die Zeit, bevor die Blockbuster die Studios überrannten wie eine Büffelherde.
Er ist von allen Einzelgängern Hollywoods der größte, und als er von Michael Mann für "Heat" mit Al Pacino gepaart wurde, galt das als Sensation. Geh"n wir einen Kaffee trinken, sagt lakonisch Pacino, der Kriminaler, zum kleinen Bandenchef De Niro in der Mitte des Films - schon im "Godfather" spielten sie zusammen, aber in verschiedenen Epochen. "Heat" war einer der wenigen Filme, in denen De Niro ein Professional war, ein anderer war "New York, New York", das Scorsese-Musical, da ist er ein Saxofonist nach dem Ende des Weltkriegs, der nur in der Liebe ziemlich amateurhaft ist. "Seine Spannbreite als Akteur", schrieb Manny Farber, "ist immer unterlegt von einer persönlichen Würde. Er ist sehr gut in wilden manischen Szenen und besser in ergreifender Introversion."
Anders als Redford hat De Niro keine Angst vor der Lächerlichkeit, im Alter zumal, wo er vermehrt Väter spielt. In der Fockers-Trilogie bespitzelt er, als Ex-CIA-Mann, skrupellos Schwiegersohn Ben Stiller - man würde nun gern einen vierten Teil sehen, aus den Zeiten des NSA-Skandals. Es gibt stets etwas Naives und Unschuldiges bei De Niro, schon der Taxi Driver bewegt sich durch New York wie ein Engel, der sich auf Erden verirrt hat.
Der Mann ist legendär geworden durch seine Durchmärsche. Einer, der einmal in Bewegung gesetzt nicht wieder zu stoppen ist, der lange warten kann, auf der Stelle tänzelnd, vibrierend, nervös und angespannt, mühsam nur seine Energie zügelnd. Dann die Explosion. Travis Bickle, der "Taxi Driver", der zur Waffe greift, um den dreckigen, amoralischen Sumpf New York auszumisten. Der "Raging Bull" Jake La Motta, der Boxer, der mit einer Wildheit zuschlägt, die am Ende ihn selbst zerstören wird. Rupert Pupkin, der "King of Comedy", der eine endlose Serie von Schikanen und Demütigungen - auch von Seiten seines Idols Jerry Lewis - durchsteht, um am Ende ein paar TV-Minuten für seine verdruckste Stand-Up-Comedian-Nummer zu herauspressen. "Better to be a king for one night, than schmuck for a lifetime."
Drei der Rollen, die Robert De Niro zwischen 1976 und 1983 für seinen Freund Martin Scorsese spielte, Momente von Eruption und Anarchie. Er ist, was seine Präsenz auf der Leinwand angeht, ein Kind der amerikanischen Apokalypse, jener Dekade, da Amerika zerrissen wurde von inneren Konflikten. Vietnamkrieg, Rassenunruhen, wachsende Kriminalität, Krise des Kapitalismus. Das Ende des Hollywood-Studiosystems. Robert Redford, der zur gleichen Zeit seinen Starstaus aufbaut, hält in all der Desintegration tapfer an den uramerikanischen Werten fest, und tut das bis heute. Er weiß, was er seinem Land schuldig ist. De Niro bewahrt sich dagegen die Würde des Outlaws, aus dem Bauch heraus, und er ist bereit, sich für seine Konsequenz angreifen und deformieren zu lassen.
Immer noch als Schauspieler aktiv: Der Schauspieler Robert De Niro.
Zeitlupenhaft, mit dostojewksianischem Stoizismus bewegt er sich zwischen den Menschen der großen Stadt, dockt nirgendwo an, wird nie ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln. Nicht mal zur wilden, durchgeknallten Clique der Jungs des New Hollywood gehört er - um Scorsese, mit dem er im gleichen Viertel aufgewachsen ist, Little Italy, und Paul Schrader, der so viele Rollen ihm auf den Leib geschrieben hat, und Brian de Palma, in dessen Filmen er seine ersten Rollen spielte. Von Spielberg und Lucas, den Etablierten, hat er sich ferngehalten.
In "Mean Streets" ist er Johnny Boy, der alle provoziert, sogar die jungen Mafiosi, denen er große Beträge schuldet und die in Geldsachen null Spaß verstehen - das ist das Allerschlimmste in Zeiten des Niedergangs, diese Streber, die schon wieder am Neuanfang basteln. Seinen Kumpel Harvey Keitel traktiert er mit Mülltonnen, und plötzlich schießt er aufs Empire State Building. Er liebt das Spielerische, aber es wird ganz selbstzerstörerisch von ihm betrieben. Superstoff für Hollywoods Produktionsmaschinen. Nachdem er "Mean Streets" gesehen hatte, verpflichtete Francis Coppola schnell De Niro als jungen Vito Corleone, im zweiten Teil des Godfather-Epos, und dafür hat der dann einen Oscar gekriegt. Als Scorsese ihn für den "Taxi Driver" haben wollte, gab es Terminschwierigkeiten, De Niro war schon für "1900" gebucht, das große Jahrhundertspektakel von Bernardo Bertolucci. "Taxi Driver" scheint damals ein last exit gewesen, eine letzte Chance für ihn, der auf dem Weg zu einer ordentlichen Starkarriere war.
Im Schatten von James Dean und Marlon Brando ist die Generation von Robert De Niro noch aufgewachsen, ihres Stils und der Geschichten, die durch ihn geformt wurden. De Niro stand nur am Rande unter diesem Einfluss, sein Vater war ein Künstler, verkehrte mit Jackson Pollock und dem Maler/Filmkritiker Manny Farber. De Niro ist in seinen Filmen mehr Action Painting als Method Acting. Jake La Motta schreckte, bei der Vorbereitung von "Raging Bull" - seiner Lebensgeschichte -, eines Tages hoch, ging zur Wand und schlug mit dem Kopf dagegen. "De Niro sah diese Bewegung", erinnert sich Scorsese, "und plötzlich tauchte die Filmfigur ganz deutlich vor ihm auf, der ganze Film. Wir wussten, dass wir einen Film machen wollten, in dem ein Mann den Punkt erreicht, wo er diese Geste macht und dazu die Worte sagt: Ich bin kein Tier!"
"Raging Bull" war ein verrückter Selbstversuch, De Niro fraß sich kiloweise einen Bauch an, um dem alten, fetten Jake nahezukommen, das hat ihn für immer verändert. Er hat weiter experimentiert, hat zweimal selber Regie geführt, "A Bronx Tale" und "The Good Shepherd", in den Siebzigern geisterte Godard durch Hollywood mit einem Treatment für einen Film mit De Niro und Diane Keaton, das er aus Fotos der zwei Stars montiert hatte. Nach 9/11 hat De Niro spontan das Tribeca Filmfestival gegründet, um das kulturelle Leben zu reaktivieren im Zentrum New Yorks, es wurde dieses Jahr zum zwölften Mal veranstaltet, man zeigte eine restaurierte Fassung von "King of Comedy", und Scorsese, De Niro und Jerry Lewis erinnerten sich an die Zeit, bevor die Blockbuster die Studios überrannten wie eine Büffelherde.
Er ist von allen Einzelgängern Hollywoods der größte, und als er von Michael Mann für "Heat" mit Al Pacino gepaart wurde, galt das als Sensation. Geh"n wir einen Kaffee trinken, sagt lakonisch Pacino, der Kriminaler, zum kleinen Bandenchef De Niro in der Mitte des Films - schon im "Godfather" spielten sie zusammen, aber in verschiedenen Epochen. "Heat" war einer der wenigen Filme, in denen De Niro ein Professional war, ein anderer war "New York, New York", das Scorsese-Musical, da ist er ein Saxofonist nach dem Ende des Weltkriegs, der nur in der Liebe ziemlich amateurhaft ist. "Seine Spannbreite als Akteur", schrieb Manny Farber, "ist immer unterlegt von einer persönlichen Würde. Er ist sehr gut in wilden manischen Szenen und besser in ergreifender Introversion."
Anders als Redford hat De Niro keine Angst vor der Lächerlichkeit, im Alter zumal, wo er vermehrt Väter spielt. In der Fockers-Trilogie bespitzelt er, als Ex-CIA-Mann, skrupellos Schwiegersohn Ben Stiller - man würde nun gern einen vierten Teil sehen, aus den Zeiten des NSA-Skandals. Es gibt stets etwas Naives und Unschuldiges bei De Niro, schon der Taxi Driver bewegt sich durch New York wie ein Engel, der sich auf Erden verirrt hat.