Vor dem TV-Duell mit Merkel zeigt sich SPD-Kandidat Steinbrück als kantiger Entertainer und reizbarer Staatsmann
Berlin - Es sind noch 24 Tage bis zur Bundestagswahl und gerade einmal zweieinhalb bis zum TV-Duell. Nicht sehr viel Zeit für den Herausforderer Peer Steinbrück, der mitsamt seiner SPD eine ziemliche Aufholjagd hinlegen muss, wenn er im Spätherbst zum vierten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt werden will. Wie ist so einem Mann zumute? Er sei entspannt, versichert Steinbrück am Donnerstag morgen im großen Saal der Bundespressekonferenz in Berlin. Er hat gerade erst Platz genommen auf dem Podium und wirkt tatsächlich wohltemperiert. Seine Stimmung wird sich im Lauf der Veranstaltung verdüstern. Aber noch ist alles schick, kein Wunder, erst einmal erläutert er, was ein Kanzler Steinbrück in seinen ersten 100 Tagen im Amt auf den Weg zu bringen gedenkt.
Steinbrück fühlt sich von den Medien oft missinterpretiert – auf etliche Journalisten ist er deshalb ziemlich schlecht zu sprechen
Mindestlohn, Steuererhöhungen, doppelte Staatsbürgerschaft - große Neuigkeiten hat Steinbrück nicht zu verkünden. Das alles steht, wenn auch weitschweifiger, im Wahlprogramm. Die 100-Tage-Ankündigungen gehören zum Pflichtprogramm eines jeden Herausforderers. Die zentralen Botschaften müssen bis zum Wahltag für die Bürger so oft wiederholt werden, so oft es geht. Für den Kandidaten ist es darüber hinaus eine Gelegenheit, sich ins rechte Licht zu rücken, sich auf eine Stufe mit dem Konkurrenten zu stellen und zu behaupten, mit ihm an der Spitze würde es Land und Leuten besser gehen.
Folgt man Steinbrück, dann haben die Leute am 22. September eine interessante Wahl: Sie müssen entscheiden zwischen einer Meisterin des politischen Schleiertanzes und einem kantigen, wenngleich unterhaltsamen Alt-Rock"n"Roller. Eigentlich dachte man, dass mit Ex-Außenminister Joschka Fischer der letzte dieser Art Rocker aus der Bundespolitik ausgeschieden sein. Nichts da. "Bei mir rockt"s", sagt Steinbrück. Er meint seine Wahlveranstaltungen. Die sind seiner Lesart nach lebendig und unterhaltsam, eben anders als die der Kanzlerin.
So viel zu den heiteren Momenten. Andere gab es auch. Zwar ist der Kandidat längst nicht mehr so verletzt und dünnhäutig wie in den ersten, schwierigen Monaten nach der Nominierung. Manche Wunden sind inzwischen vernarbt. Aber sie schmerzen noch. Er fühlt sich missverstanden, missinterpretiert, ist auf etliche Journalisten ziemlich schlecht zu sprechen. Eigentlich will hat er sich seine Abrechnung mit den Medien für die Zeit nach dem 22. September aufsparen. Aber seine Bitterkeit kann er nicht verbergen. Manche Berichte über ihn, die SPD und den Wahlkampf hätten mit der Realität wenig zu tun, sagt er. "Aus der Ferne geschrieben", nennt Steinbrück das. Eine Korrespondentin möchte in höflichen Worten wissen, ob es ihm leicht falle, den Satz zu sagen: "Ich als Bundeskanzler werde..." oder ob er da noch üben müsse. "Ich muss nicht üben", lautet die ziemlich ungnädige Replik. Manchen Politikern ist das Talent gegeben, mit Geduld und Langmut auf delikate, einfältige oder bösartige Fragen zu reagieren. Steinbrück gehört nicht zu dieser Gruppe. Er hat an sich gearbeitet. Leicht reizbar ist er immer noch.
Staatsmännisch zeigt er sich beim Thema Syrien. Im Grundsatz trennt ihn da nicht viel von Merkel. Er möchte noch immer der Diplomatie den Vorzug vor den Waffen geben, vermeidet aber ein klares Nein zu einer eventuellen militärischen Strafaktion westlicher Länder. Einmal kommt er ins Stocken. Wie SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangt er von Merkel, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Umdenken zu bewegen, persönlich in Moskau oder notfalls auch telefonisch. Das aber klingt nicht sehr staatsmännisch, eher nach Wahlkampf. Und wer sich darin versucht, muss gewappnet sein. Der Frage, ob denn nicht Altkanzler Gerhard Schröder in Sachen Weltfrieden bei Freund Putin versuchen solle, möchte er am liebsten ausweichen, sagt dann, er könne mal mit Schröder sprechen. Und fügt hinzu, es könne dabei aber nicht darum gehen, die Kanzlerin zu "entlasten", die in der Verantwortung stehe. Merkel teilt später mit, sie habe mit Putin telefoniert.
Ein wenig mutet die Berliner Veranstaltung an wie eine Generalprobe vor dem TV-Disput am Sonntag mit der Kanzlerin - die vielleicht letzte große Chance für den Herausforderer, seine Erfolgsaussichten zu verbessern. Er beschäftigt sich seit Wochen mit diesem Termin, hat sich beraten lassen von Experten. Details nennt er nicht. "Gut", entgegnet er knapp auf die Frage, wie er sich denn vorbereite. Er will, wie er sagt, der Kanzlerin im Voraus nicht zu viel verraten. Er wird kämpfen im Duell. Und in den kommenden drei Wochen natürlich auch. Steinbrück ist im Wahlkampf angekommen, wenn auch mit Verspätung. Und er hat auch Spaß daran. Eine Rede vor 200000 Leuten, so wie beim SPD-Deutschlandfest vor zwei Wochen, das gebe schon "einen Kick".
Berlin - Es sind noch 24 Tage bis zur Bundestagswahl und gerade einmal zweieinhalb bis zum TV-Duell. Nicht sehr viel Zeit für den Herausforderer Peer Steinbrück, der mitsamt seiner SPD eine ziemliche Aufholjagd hinlegen muss, wenn er im Spätherbst zum vierten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt werden will. Wie ist so einem Mann zumute? Er sei entspannt, versichert Steinbrück am Donnerstag morgen im großen Saal der Bundespressekonferenz in Berlin. Er hat gerade erst Platz genommen auf dem Podium und wirkt tatsächlich wohltemperiert. Seine Stimmung wird sich im Lauf der Veranstaltung verdüstern. Aber noch ist alles schick, kein Wunder, erst einmal erläutert er, was ein Kanzler Steinbrück in seinen ersten 100 Tagen im Amt auf den Weg zu bringen gedenkt.
Steinbrück fühlt sich von den Medien oft missinterpretiert – auf etliche Journalisten ist er deshalb ziemlich schlecht zu sprechen
Mindestlohn, Steuererhöhungen, doppelte Staatsbürgerschaft - große Neuigkeiten hat Steinbrück nicht zu verkünden. Das alles steht, wenn auch weitschweifiger, im Wahlprogramm. Die 100-Tage-Ankündigungen gehören zum Pflichtprogramm eines jeden Herausforderers. Die zentralen Botschaften müssen bis zum Wahltag für die Bürger so oft wiederholt werden, so oft es geht. Für den Kandidaten ist es darüber hinaus eine Gelegenheit, sich ins rechte Licht zu rücken, sich auf eine Stufe mit dem Konkurrenten zu stellen und zu behaupten, mit ihm an der Spitze würde es Land und Leuten besser gehen.
Folgt man Steinbrück, dann haben die Leute am 22. September eine interessante Wahl: Sie müssen entscheiden zwischen einer Meisterin des politischen Schleiertanzes und einem kantigen, wenngleich unterhaltsamen Alt-Rock"n"Roller. Eigentlich dachte man, dass mit Ex-Außenminister Joschka Fischer der letzte dieser Art Rocker aus der Bundespolitik ausgeschieden sein. Nichts da. "Bei mir rockt"s", sagt Steinbrück. Er meint seine Wahlveranstaltungen. Die sind seiner Lesart nach lebendig und unterhaltsam, eben anders als die der Kanzlerin.
So viel zu den heiteren Momenten. Andere gab es auch. Zwar ist der Kandidat längst nicht mehr so verletzt und dünnhäutig wie in den ersten, schwierigen Monaten nach der Nominierung. Manche Wunden sind inzwischen vernarbt. Aber sie schmerzen noch. Er fühlt sich missverstanden, missinterpretiert, ist auf etliche Journalisten ziemlich schlecht zu sprechen. Eigentlich will hat er sich seine Abrechnung mit den Medien für die Zeit nach dem 22. September aufsparen. Aber seine Bitterkeit kann er nicht verbergen. Manche Berichte über ihn, die SPD und den Wahlkampf hätten mit der Realität wenig zu tun, sagt er. "Aus der Ferne geschrieben", nennt Steinbrück das. Eine Korrespondentin möchte in höflichen Worten wissen, ob es ihm leicht falle, den Satz zu sagen: "Ich als Bundeskanzler werde..." oder ob er da noch üben müsse. "Ich muss nicht üben", lautet die ziemlich ungnädige Replik. Manchen Politikern ist das Talent gegeben, mit Geduld und Langmut auf delikate, einfältige oder bösartige Fragen zu reagieren. Steinbrück gehört nicht zu dieser Gruppe. Er hat an sich gearbeitet. Leicht reizbar ist er immer noch.
Staatsmännisch zeigt er sich beim Thema Syrien. Im Grundsatz trennt ihn da nicht viel von Merkel. Er möchte noch immer der Diplomatie den Vorzug vor den Waffen geben, vermeidet aber ein klares Nein zu einer eventuellen militärischen Strafaktion westlicher Länder. Einmal kommt er ins Stocken. Wie SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangt er von Merkel, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Umdenken zu bewegen, persönlich in Moskau oder notfalls auch telefonisch. Das aber klingt nicht sehr staatsmännisch, eher nach Wahlkampf. Und wer sich darin versucht, muss gewappnet sein. Der Frage, ob denn nicht Altkanzler Gerhard Schröder in Sachen Weltfrieden bei Freund Putin versuchen solle, möchte er am liebsten ausweichen, sagt dann, er könne mal mit Schröder sprechen. Und fügt hinzu, es könne dabei aber nicht darum gehen, die Kanzlerin zu "entlasten", die in der Verantwortung stehe. Merkel teilt später mit, sie habe mit Putin telefoniert.
Ein wenig mutet die Berliner Veranstaltung an wie eine Generalprobe vor dem TV-Disput am Sonntag mit der Kanzlerin - die vielleicht letzte große Chance für den Herausforderer, seine Erfolgsaussichten zu verbessern. Er beschäftigt sich seit Wochen mit diesem Termin, hat sich beraten lassen von Experten. Details nennt er nicht. "Gut", entgegnet er knapp auf die Frage, wie er sich denn vorbereite. Er will, wie er sagt, der Kanzlerin im Voraus nicht zu viel verraten. Er wird kämpfen im Duell. Und in den kommenden drei Wochen natürlich auch. Steinbrück ist im Wahlkampf angekommen, wenn auch mit Verspätung. Und er hat auch Spaß daran. Eine Rede vor 200000 Leuten, so wie beim SPD-Deutschlandfest vor zwei Wochen, das gebe schon "einen Kick".