Ist Pink Floyds Ex-Bassist Roger Waters nun ein Antisemit? Bei "The Wall" in Berlin verhedderte er sich vor allem in Symbolen
Am Tag vor seinem Konzert im Berliner Olympiastadion schaute Rogers Waters kurz bei der Berliner "East Side Gallery" vorbei,um gegen den Teilabriss des mit allerlei Kunst versehenen Mauerüberrest zu protestieren. Er ließ sich dort mit erhobener Faust vor dem Cover des Pink-Floyd-Albums "The Wall" fotografieren zu lassen, das dort auch zu sehen ist, und äußerte noch ein paar Selbstverständlichkeiten. Das Mauerdenkmal, so Waters, der andiesem Freitag 70 Jahre alt wird, sei ein wichtiger Ort und müsse erhalten bleiben. Am nächsten Tag berichteten zahlreiche Artikel von der Begebenheit, nicht ohne auf das Konzert am Abend zu verweisen, das erstens noch nicht ausverkauft und zweitens umstritten war: Verschiedene jüdische Organisationen hatten im Vorfeld versucht, das Konzert wegen seiner antisemitischen Motivik zu verhindern.
Roger Waters im Berliner Olympiastadion
Von vorn: Im November 2012 hat Roger Waters eine Rede im Hauptquartier der Vereinten Nationen gehalten, in der er Israel vorwarf, kontinuierlich Völker-und Menschenrechte zu verletzen, sowie im Gazastreifen Millionen Palästinenser in einem "Open-Air-Gefängnis" zu verwahren. Israel, so Waters, sei ein "Apartheitsstaat", der sich "ethnischer Säuberungen" und Kollektivbestrafungen der Zivilbevölkerung schuldig gemacht habe. Gegen Antisemitismus-Vorwürfe verwahrt er sich stets, indem er auf seine jüdischen Enkel und Freunde sowie auf die Biografie seiner Eltern verweist: Sein Vater ist 1944 im Krieg gegen die Nazis gefallen. Das bedeutet allerdings erst einmal wenig. Das "Ich habe viele jüdische Freunde, aber..." ist für Antisemiten das, was das "Ich habe nichts gegen Ausländer, aber..." für Rassisten ist.
Als nun kürzlich ein Zuschauer in Belgien Aufnahmen des "The Wall"-Konzerts ins Internet stellte, auf denen das aufgeblasene Schwein zu sehen war, das im Rahmen der Show in die Luft steigt, schien Waters eine rote Linie überschritten zu haben: Der schwarze, hässliche, gefährliche Eber trug einen Davidstern am Hals. Daraufhin protestierten jüdische Organisationen im In- und Ausland, denn ein Davidstern auf nicht-koscherem Schwein ist ein antisemitisches Motiv, dessen Tradition bis ins Mittelalter reicht. Waters wandte ein, dass auf dem Schwein außerdem unter anderem Hammer und Sichel und ein Dollar-Zeichen zu sehen sind. Das ist auch richtig. Aber wiederum ein Klischee aus den Märchen um die jüdische Weltverschwörung.
Bei der Ausgabe seiner politischen Rockoper, die Waters nun in Berlin aufführte, kam dann noch einiges zusammen, denn das Konzert fand erstens im Berliner Olympiastadion statt, dem Nazi-Turntempel, in dem Leni Riefenstahl 1936 ihren monumentalen Propagandafilm "Olympia drehte, und zweitens am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana. Roger Waters eröffnete drittens den Abend in einem zweireihigen schwarzen Ledermantel mit - viertens - roter Armbinde. Er legte den Mantel gleich wieder ab, doch später, als dann das Schwein des Anstoßes aufstieg, hatte er ihn doch wieder an, während hinter ihm meterlange rote Stoffbanner auf die Leinwand projiziert wurden, auf denen ein weißer Kreis mit zwei gekreuzten schwarzen Hämmern zu sehen war. Damit das alles noch viel mehr nach alten Reichsparteitag-Dokumentationen erinnerte, brüllte er zackig in ein Megafon, während aus den Dolby-Boxen hinter den Zuschauern Menschenmassen immer wieder zwei Silben riefen, die recht aufdringlich "Sieg Heil" implizierten. Das gehört alles schon seit 1980 zur Show war dann aber doch nicht sehr subtil. Originalschauplatz! Rote Armbinde! Schwein mit Davidstern! Und trotzdem aller Wahrscheinlichkeit nach kein Grund zur Beunruhigung.
Im Verlauf der megalomanen Show inszeniert sich Waters der Reihe nach als stilisierter Che Guevara, als einsamer, natürlich vom Kapital gebrochener Mensch, der einen Flachbildfernseher hat, aber niemanden zum Reden, und als Bob Geldof. Ein neuer Fall Meese liegt hier eher nicht vor, denn die Show fällt auf die Klischees herein, die sie zu thematisieren vorgibt: Die Welt ist in dieser Rockoper geteilt in mächtige Demagogen auf der einen Seite, hier repräsentiert durch Dollarzeichen, Konzernlogos und religiöse Embleme. Und aufrechten kleinen Leuten auf der anderen Seite, die "Capitalism" in Coca-Cola-Schrift an Häuserwände malen, dauernd unter die Räder kommen, aber immerhin die Faust in die Luft recken können, wenn es gilt, Kampfgeist zu demonstrieren. Das machte Roger Waters auch sehr oft an diesem Abend, wenn er gerade nicht seinen schwarzen Mantel anhat, sondern als schwarz-roter Commandante ausgeleuchtet war.
"The Wall" ist ein Rock-Musical, das nichts über eine Gegenwart wissen will, in der alles mit allem zusammenhängt. In der Investmentgesellschaften Demokratien vor sich her treiben, jedes online verkaufte "The Wall"-Ticket die Big-Data-Maschine füttert und die wirkungsmächtigsten Ideologen der Welt T-Shirts tragen und beim Joggen Pink Floyd hören. Stattdessen erzählt Waters ein Politmärchen aus dem 20. Jahrhundert. Und verheddert sich heillos in den Symbolen, weil sie ihm nichts bedeuten.Dass dabei möglicherweise religiöse Gefühle verletzt werden, darauf mag Roger Waters keine Rücksicht nehmen, schließlich trägt er als Gesicht dieses unheiligen Wanderzirkus die Verantwortung dafür, dass sein populistischer Politpop möglichst teuer unter die Leute gebracht wird. Das unheilvolle Wirtschaftssystem, das er anprangert, perpetuiert sich schließlich nicht von allein. Auf einer anderen Ebene handelt die Aufführung deshalb davon, dass man reich wird, wenn man keine Rücksicht nimmt: Roger Walters Tour für Weltgerechtigkeit hat bis dato 380 Millionen Euro umgesetzt.
Am Tag vor seinem Konzert im Berliner Olympiastadion schaute Rogers Waters kurz bei der Berliner "East Side Gallery" vorbei,um gegen den Teilabriss des mit allerlei Kunst versehenen Mauerüberrest zu protestieren. Er ließ sich dort mit erhobener Faust vor dem Cover des Pink-Floyd-Albums "The Wall" fotografieren zu lassen, das dort auch zu sehen ist, und äußerte noch ein paar Selbstverständlichkeiten. Das Mauerdenkmal, so Waters, der andiesem Freitag 70 Jahre alt wird, sei ein wichtiger Ort und müsse erhalten bleiben. Am nächsten Tag berichteten zahlreiche Artikel von der Begebenheit, nicht ohne auf das Konzert am Abend zu verweisen, das erstens noch nicht ausverkauft und zweitens umstritten war: Verschiedene jüdische Organisationen hatten im Vorfeld versucht, das Konzert wegen seiner antisemitischen Motivik zu verhindern.
Roger Waters im Berliner Olympiastadion
Von vorn: Im November 2012 hat Roger Waters eine Rede im Hauptquartier der Vereinten Nationen gehalten, in der er Israel vorwarf, kontinuierlich Völker-und Menschenrechte zu verletzen, sowie im Gazastreifen Millionen Palästinenser in einem "Open-Air-Gefängnis" zu verwahren. Israel, so Waters, sei ein "Apartheitsstaat", der sich "ethnischer Säuberungen" und Kollektivbestrafungen der Zivilbevölkerung schuldig gemacht habe. Gegen Antisemitismus-Vorwürfe verwahrt er sich stets, indem er auf seine jüdischen Enkel und Freunde sowie auf die Biografie seiner Eltern verweist: Sein Vater ist 1944 im Krieg gegen die Nazis gefallen. Das bedeutet allerdings erst einmal wenig. Das "Ich habe viele jüdische Freunde, aber..." ist für Antisemiten das, was das "Ich habe nichts gegen Ausländer, aber..." für Rassisten ist.
Als nun kürzlich ein Zuschauer in Belgien Aufnahmen des "The Wall"-Konzerts ins Internet stellte, auf denen das aufgeblasene Schwein zu sehen war, das im Rahmen der Show in die Luft steigt, schien Waters eine rote Linie überschritten zu haben: Der schwarze, hässliche, gefährliche Eber trug einen Davidstern am Hals. Daraufhin protestierten jüdische Organisationen im In- und Ausland, denn ein Davidstern auf nicht-koscherem Schwein ist ein antisemitisches Motiv, dessen Tradition bis ins Mittelalter reicht. Waters wandte ein, dass auf dem Schwein außerdem unter anderem Hammer und Sichel und ein Dollar-Zeichen zu sehen sind. Das ist auch richtig. Aber wiederum ein Klischee aus den Märchen um die jüdische Weltverschwörung.
Bei der Ausgabe seiner politischen Rockoper, die Waters nun in Berlin aufführte, kam dann noch einiges zusammen, denn das Konzert fand erstens im Berliner Olympiastadion statt, dem Nazi-Turntempel, in dem Leni Riefenstahl 1936 ihren monumentalen Propagandafilm "Olympia drehte, und zweitens am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana. Roger Waters eröffnete drittens den Abend in einem zweireihigen schwarzen Ledermantel mit - viertens - roter Armbinde. Er legte den Mantel gleich wieder ab, doch später, als dann das Schwein des Anstoßes aufstieg, hatte er ihn doch wieder an, während hinter ihm meterlange rote Stoffbanner auf die Leinwand projiziert wurden, auf denen ein weißer Kreis mit zwei gekreuzten schwarzen Hämmern zu sehen war. Damit das alles noch viel mehr nach alten Reichsparteitag-Dokumentationen erinnerte, brüllte er zackig in ein Megafon, während aus den Dolby-Boxen hinter den Zuschauern Menschenmassen immer wieder zwei Silben riefen, die recht aufdringlich "Sieg Heil" implizierten. Das gehört alles schon seit 1980 zur Show war dann aber doch nicht sehr subtil. Originalschauplatz! Rote Armbinde! Schwein mit Davidstern! Und trotzdem aller Wahrscheinlichkeit nach kein Grund zur Beunruhigung.
Im Verlauf der megalomanen Show inszeniert sich Waters der Reihe nach als stilisierter Che Guevara, als einsamer, natürlich vom Kapital gebrochener Mensch, der einen Flachbildfernseher hat, aber niemanden zum Reden, und als Bob Geldof. Ein neuer Fall Meese liegt hier eher nicht vor, denn die Show fällt auf die Klischees herein, die sie zu thematisieren vorgibt: Die Welt ist in dieser Rockoper geteilt in mächtige Demagogen auf der einen Seite, hier repräsentiert durch Dollarzeichen, Konzernlogos und religiöse Embleme. Und aufrechten kleinen Leuten auf der anderen Seite, die "Capitalism" in Coca-Cola-Schrift an Häuserwände malen, dauernd unter die Räder kommen, aber immerhin die Faust in die Luft recken können, wenn es gilt, Kampfgeist zu demonstrieren. Das machte Roger Waters auch sehr oft an diesem Abend, wenn er gerade nicht seinen schwarzen Mantel anhat, sondern als schwarz-roter Commandante ausgeleuchtet war.
"The Wall" ist ein Rock-Musical, das nichts über eine Gegenwart wissen will, in der alles mit allem zusammenhängt. In der Investmentgesellschaften Demokratien vor sich her treiben, jedes online verkaufte "The Wall"-Ticket die Big-Data-Maschine füttert und die wirkungsmächtigsten Ideologen der Welt T-Shirts tragen und beim Joggen Pink Floyd hören. Stattdessen erzählt Waters ein Politmärchen aus dem 20. Jahrhundert. Und verheddert sich heillos in den Symbolen, weil sie ihm nichts bedeuten.Dass dabei möglicherweise religiöse Gefühle verletzt werden, darauf mag Roger Waters keine Rücksicht nehmen, schließlich trägt er als Gesicht dieses unheiligen Wanderzirkus die Verantwortung dafür, dass sein populistischer Politpop möglichst teuer unter die Leute gebracht wird. Das unheilvolle Wirtschaftssystem, das er anprangert, perpetuiert sich schließlich nicht von allein. Auf einer anderen Ebene handelt die Aufführung deshalb davon, dass man reich wird, wenn man keine Rücksicht nimmt: Roger Walters Tour für Weltgerechtigkeit hat bis dato 380 Millionen Euro umgesetzt.