Ein Abend mit selbstbewusstem Zeitungsstolz: Der Theodor-Wolff-Preis wurde in München vergeben
Die Geschichte des kleinen Dennis und seiner Pflegeeltern, an deren Ende große Verzweiflung steht, beginnt im November 2006. Damals wurde das Hamburger Ehepaar Schneider zu Pflegeeltern für einen viermonatigen Jungen, dessen drogenabhängige Mutter ihn im Krankenhaus zurückgelassen hatte. Die Geschichte endet knapp sechs Jahre später, im Mai 2012, als Dennis ins Heim kommt, weil die Schneiders nach jahrelangen Kämpfen mit den Behörden, finanziell und seelisch am Ende, kapituliert haben.
Jan Haarmeyer - der stolze Preisträger (links) bei der Verleihung in München
Der Journalist Jan Haarmeyer hat Dennis" Geschichte, deren Irrsinn man beim Lesen kaum begreifen kann, für das Hamburger Abendblatt aufgeschrieben, zwei Seiten hat er am 8. Juni 2012 dafür freigeräumt bekommen. Er hat für diesen Text so viele Leserbriefe bekommen wie wahrscheinlich nie wieder in seinem Leben, sagt er. Menschen, Haarmeyers Leser offenbar, haben daraufhin vor Behördengebäuden demonstriert. Und am Mittwochabend in München, in Anwesenheit von Blasmusik und Presseprominenz, ist Jan Haarmeyer für seinen Text "Im Namen des Volkes, auf Kosten des Kindes" mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Journalistenpreis der deutschen Zeitungen, ausgezeichnet worden.
Haarmeyers Text, wie auch die Geschichten der weiteren vier Preisträger, seien Geschichten, die uns "einen neuen Blick auf die Welt geben", sagte Richard Rebmann, Geschäftsführer der Südwestdeutschen Medienholding und Gastgeber bei der Preisverleihung im Haus der Süddeutschen Zeitung, zur Begrüßung, und gab in seiner Rede gleich den Ton des Abends vor. Für Geschichten wie die hier ausgezeichneten, so Rebmann, brauche es Zeit, eine gewisse Muße und Freiheit im Redaktionsalltag. Jochen Arntz etwa hat für die Süddeutsche Zeitung viele Monate lang im Umfeld von Maike Kohl-Richter recherchiert und geht der Frage nach, ob die zweite Frau des Altkanzlers Helmut Kohl in ihrem Haus in Oggersheim ein Stück bundesdeutsche Geschichte umdeutet. Kai Müller vom Tagesspiegel hat die Chronik einer tödlichen Messerstecherei recherchiert und sehr langsam das Vertrauen seiner Protagonisten gewinnen müssen. Andrea Jeska fuhr für die Zeit nach Burkina Faso und traf einen alten Mann, der sich und seinem Dorf selbst half, und Robin Alexander ging für die Welt am Sonntag dem Begriff "Herdprämie" nach - und kam bis zu Charles Dickens. Alles keine Geschichten also, die schnell oder einfach zu machen waren. Alles Geschichten, für die es Zeit und Freiheit braucht.
Solche Texte, sagte Rebmann, seien die Grundlage für eine Zukunft der Zeitungen, die er ausdrücklich nicht so finster sieht wie all jene, die schon seit Jahren ihren "eigenen Untergang prophezeien". Zum einen seien die meisten Verlage rentable Unternehmen, und für jedes, das derzeit verkauft würde, gebe es einen Käufer. Das ist die wirtschaftliche Seite, und von einem Bedeutungsverlust der Print-Branche kann Rebmann zufolge ohnehin keine Rede sein. Das Segment habe, zitiert er eine aktuelle Studie, in der Meinungsrelevanz zugenommen. Und noch nie habe ein Verlag so viele Möglichkeiten gehabt, Inhalte auf unterschiedlichsten Kanälen auszuspielen.
Inhalte, Recherche, Texte, darum ging es an diesem Abend im SZ-Hochhaus. Das Betreiben von E-Commerce-Plattformen allein - Webseiten also, auf denen andere Verlage alles Mögliche, aber keine Geschichten verkaufen - sei, so Rebmann, "keine Antwort auf die Frage, ob es auch in Zukunft noch Qualitätsjournalismus geben wird". Man brauche den anspruchsvollen, reflektierenden und unterhaltenden, einordnenden und überraschenden Journalismus so dringend wie nie zuvor.
Es war ein Abend mit viel Zeitungsstolz, den die Schauspieler Sibylle Canonica und Matthias Brandt noch ein wenig steigerten, indem sie die ausgezeichneten Texte zum Live-Hörstück machten. Am Ende des Abends dann trat Alfred Grosser auf die Bühne, der deutsch-französische Publizist, den die Jury für sein Lebenswerk auszeichnete und der von Avi Primor in einer Laudatio gewürdigt wurde. In seiner Dankesrede, das kündigte Grosser gleich an, müsse er kritisch mit den Medien sein. Grosser sprach dann, von einem sehr strengen Abstecher zur Regietheaterliebe der Zeitungen abgesehen, über das Fernsehduell der Kanzlerkandidaten - und vor allem die Eitelkeit der Journalisten. Es waren, zum Glück, natürlich nur Fernsehjournalisten gemeint.
Die Geschichte des kleinen Dennis und seiner Pflegeeltern, an deren Ende große Verzweiflung steht, beginnt im November 2006. Damals wurde das Hamburger Ehepaar Schneider zu Pflegeeltern für einen viermonatigen Jungen, dessen drogenabhängige Mutter ihn im Krankenhaus zurückgelassen hatte. Die Geschichte endet knapp sechs Jahre später, im Mai 2012, als Dennis ins Heim kommt, weil die Schneiders nach jahrelangen Kämpfen mit den Behörden, finanziell und seelisch am Ende, kapituliert haben.
Jan Haarmeyer - der stolze Preisträger (links) bei der Verleihung in München
Der Journalist Jan Haarmeyer hat Dennis" Geschichte, deren Irrsinn man beim Lesen kaum begreifen kann, für das Hamburger Abendblatt aufgeschrieben, zwei Seiten hat er am 8. Juni 2012 dafür freigeräumt bekommen. Er hat für diesen Text so viele Leserbriefe bekommen wie wahrscheinlich nie wieder in seinem Leben, sagt er. Menschen, Haarmeyers Leser offenbar, haben daraufhin vor Behördengebäuden demonstriert. Und am Mittwochabend in München, in Anwesenheit von Blasmusik und Presseprominenz, ist Jan Haarmeyer für seinen Text "Im Namen des Volkes, auf Kosten des Kindes" mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Journalistenpreis der deutschen Zeitungen, ausgezeichnet worden.
Haarmeyers Text, wie auch die Geschichten der weiteren vier Preisträger, seien Geschichten, die uns "einen neuen Blick auf die Welt geben", sagte Richard Rebmann, Geschäftsführer der Südwestdeutschen Medienholding und Gastgeber bei der Preisverleihung im Haus der Süddeutschen Zeitung, zur Begrüßung, und gab in seiner Rede gleich den Ton des Abends vor. Für Geschichten wie die hier ausgezeichneten, so Rebmann, brauche es Zeit, eine gewisse Muße und Freiheit im Redaktionsalltag. Jochen Arntz etwa hat für die Süddeutsche Zeitung viele Monate lang im Umfeld von Maike Kohl-Richter recherchiert und geht der Frage nach, ob die zweite Frau des Altkanzlers Helmut Kohl in ihrem Haus in Oggersheim ein Stück bundesdeutsche Geschichte umdeutet. Kai Müller vom Tagesspiegel hat die Chronik einer tödlichen Messerstecherei recherchiert und sehr langsam das Vertrauen seiner Protagonisten gewinnen müssen. Andrea Jeska fuhr für die Zeit nach Burkina Faso und traf einen alten Mann, der sich und seinem Dorf selbst half, und Robin Alexander ging für die Welt am Sonntag dem Begriff "Herdprämie" nach - und kam bis zu Charles Dickens. Alles keine Geschichten also, die schnell oder einfach zu machen waren. Alles Geschichten, für die es Zeit und Freiheit braucht.
Solche Texte, sagte Rebmann, seien die Grundlage für eine Zukunft der Zeitungen, die er ausdrücklich nicht so finster sieht wie all jene, die schon seit Jahren ihren "eigenen Untergang prophezeien". Zum einen seien die meisten Verlage rentable Unternehmen, und für jedes, das derzeit verkauft würde, gebe es einen Käufer. Das ist die wirtschaftliche Seite, und von einem Bedeutungsverlust der Print-Branche kann Rebmann zufolge ohnehin keine Rede sein. Das Segment habe, zitiert er eine aktuelle Studie, in der Meinungsrelevanz zugenommen. Und noch nie habe ein Verlag so viele Möglichkeiten gehabt, Inhalte auf unterschiedlichsten Kanälen auszuspielen.
Inhalte, Recherche, Texte, darum ging es an diesem Abend im SZ-Hochhaus. Das Betreiben von E-Commerce-Plattformen allein - Webseiten also, auf denen andere Verlage alles Mögliche, aber keine Geschichten verkaufen - sei, so Rebmann, "keine Antwort auf die Frage, ob es auch in Zukunft noch Qualitätsjournalismus geben wird". Man brauche den anspruchsvollen, reflektierenden und unterhaltenden, einordnenden und überraschenden Journalismus so dringend wie nie zuvor.
Es war ein Abend mit viel Zeitungsstolz, den die Schauspieler Sibylle Canonica und Matthias Brandt noch ein wenig steigerten, indem sie die ausgezeichneten Texte zum Live-Hörstück machten. Am Ende des Abends dann trat Alfred Grosser auf die Bühne, der deutsch-französische Publizist, den die Jury für sein Lebenswerk auszeichnete und der von Avi Primor in einer Laudatio gewürdigt wurde. In seiner Dankesrede, das kündigte Grosser gleich an, müsse er kritisch mit den Medien sein. Grosser sprach dann, von einem sehr strengen Abstecher zur Regietheaterliebe der Zeitungen abgesehen, über das Fernsehduell der Kanzlerkandidaten - und vor allem die Eitelkeit der Journalisten. Es waren, zum Glück, natürlich nur Fernsehjournalisten gemeint.