Im Rahmen einer Ausstellung im Hamburg Museum präsentiert das niederländische Architekturbüro MVRDV eine Alternative zu Hochhaustürmen: Das Konzept "The Vertical Village" sieht Häuser vor, die neben- und übereinander stehen.
Hochhäuser wohin man schaut. Fenster über Fenster, Balkon über Balkon, alle in derselben Farbe und Größe. Gleichförmige Fassaden über mehr als ein Dutzend Stockwerke. Häuser, auf denen man nach Spuren von individueller Gestaltung der Außenwände durch die Bewohner mit der Lupe suchen muss. Großformatige Fotos von solchen Motiven empfangen die Besucher der Ausstellung "The Vertical Village" im Hamburg Museum, die noch bis 29. September im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) zu sehen ist (www.hamburgmuseum.de). Wo die Aufnahmen gemacht wurden, erfährt der Betrachter nicht, doch es ist offensichtlich, dass man die abgebildeten Objekte in den Millionenstädten rings um den Erdball finden kann. Einen Raum weiter wird klar, dass es hier vor allem um die boomenden Metropolen Asiens geht. Videoaufnahmen unter anderem aus Peking, Tokio, Hongkong und Bangkok zeigen neu erbaute Wohngiganten mit 30 Stockwerken und mehr, meist noch ohne jede Infrastruktur.
Das Wälderhaus auf der Internationalen Bauausstellung in Hamburg
Diese Darstellung der heutigen Realität ist Ausgangspunkt für eine Gruppe von Architekten, die beklagen, dass die oft gigantischen Blöcke die traditionelle Architektur wie zum Beispiel die niedrigen Holzhäuser in Tokio verdrängen. Die modernen Wohnkomplexe versprechen einen westlichen Wohn- und Lebensstandard, doch die gewachsenen Strukturen und menschlichen Beziehungen der einstigen Viertel werden dabei zerstört. Gibt es dazu angesichts der wachsenden Bevölkerung und des Trends zur ungebrochenen Landflucht in die Metropolen eine Alternative?
Der Niederländer Winy Maas und seine Kollegen des Architekturbüros MVRDV aus Rotterdam wollen statt Hochhauswüsten lieber urbane Dörfer in den Himmel wachsen lassen. Nach ihrem bisher nur in der Theorie bestehenden Konzept werden Häuser individuell gestaltet und neben- und übereinander gesetzt, miteinander verbunden durch Stege, Gänge, Plätze und Wege. Über Treppen gelangt man zu Gemeinschaftsgärten mit Bäumen und kleinen Teichen. Das vertikale Dorf entwickelt sich nach den Ideen und Wünschen der Bewohner immer weiter in die Höhe, es gibt keinen vorgegebenen Masterplan. Allerdings müssen Regeln festgelegt werden, damit ein Gebäude genügend Licht bekommt, wenn ein neues neben oder auf ihm gebaut wird. Im Notfall müssen die Fluchtwege der Bewohner auch der höheren Stockwerke gesichert sein. Mit zahlreichen Modellen liefert die Ausstellung eindrucksvolle Beispiele für dieses Konzept.
Dabei können sich die Besucher auch als Bauherren betätigen. Am Bildschirm können sie mit einer speziellen Software ihr Wunschhaus erstellen und es in einem Wohnturm platzieren. Im Innenhof des Museums sieht man einen fünf Meter hohen Turm mit Bauteilen aus unterschiedliche Formen und Farben. Wer früher gerne mit einem Baukasten gespielt und Klötze gerne so weit wie möglich übereinander gestapelt hat, der dürfte sich hier ganz in seinem Element fühlen.
Der Untertitel der Ausstellung "Eine radikale Stadtvision" deutet an, dass es um mehr als Spielerei geht. In den im Hamburg Museum gezeigten Interviews betonen Stadtplaner und Architekten aus Europa und Asien, dass übereinander gebaute, individuell gestaltete Häuser technisch machbar sind. Über die damit verbundenen Kosten erfährt man allerdings nichts. Ob das "vertikale Dorf" tatsächlich eine große Anziehungskraft auf Menschen in den asiatischen Metropolen ausübt, müsste noch geklärt werden. In der Ausstellung kann man sich die Wohnwünsche von fünf jungen Familien mit kleinen Kindern im 2,7 Millionen Einwohner zählenden Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, anhören. Nicht der gute Kontakt zu Nachbarn und intakte soziale Strukturen werden genannt, sondern Kriterien bei der Suche nach einer neuen Wohnung sind neben bezahlbaren Mieten möglichst viele Fenster für viel natürliches Licht, ausreichend Parkplätze, die Nähe zur U-Bahn und die Erreichbarkeit des eigenen Arbeitsplatzes innerhalb von einer Stunde sowie für die Kinder eine gute Schule und ein Spielplatz in nicht zu großer Entfernung. Dies ist auch weitgehend in Hochhaussiedlungen realisierbar.
Die Ideen von Maas und Kollegen nehmen vieles auf, was es heute schon gibt. In Taipeh haben sich viele Bewohner in luftiger Höhe ihr Dach ausgebaut, um dort zu gärtnern oder mit den Kindern im Freien zu spielen - an einen eigenen Garten ist ansonsten nicht zu denken. Mittlerweile ist der Ausbau von den Behörden verboten worden, doch sie haben kaum Möglichkeiten, dieses Verbot auch durchzusetzen. Die Wäscheleinen, die in den engen Gassen zwischen zwei Bauten gespannt werden, haben die Architekten dazu inspiriert, Wohnhäuser mit einem neu geschaffenen Zwischenraum zu verbinden, der weit über der Erde zum Beispiel einen Ort der Begegnung in der Nachbarschaft schafft.
Ansonsten zeigt die Ausstellung auch, dass die Ideen von Architekten und Bewohnern zum Teil weit auseinandergehen. Der Architekt Hsiao Yu-Chic hat ein Holzhaus mit einer Fläche von 4,32 Quadratmetern für den Stadtbezirk Zhong Shan in Taipeh entworfen, das nach seiner Ansicht alles bietet, was man braucht: eine Toilette, Badewanne, Schreibtisch mit einem Stuhl, Küchenzeile, Schubladen und ein Bett. "Wir sind für unsere dreiköpfige Familie seit zwei Jahren auf Wohnungssuche", erklärt eine junge Mutter aus der Mittelschicht im Ausstellungsvideo, die gerade in Taipeh mit einem Makler eine 39-Quadratmeter-Wohnung besichtigt hat. "Schön, aber zu klein", lautet ihr Urteil über das "Mini-House".
Hochhäuser wohin man schaut. Fenster über Fenster, Balkon über Balkon, alle in derselben Farbe und Größe. Gleichförmige Fassaden über mehr als ein Dutzend Stockwerke. Häuser, auf denen man nach Spuren von individueller Gestaltung der Außenwände durch die Bewohner mit der Lupe suchen muss. Großformatige Fotos von solchen Motiven empfangen die Besucher der Ausstellung "The Vertical Village" im Hamburg Museum, die noch bis 29. September im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) zu sehen ist (www.hamburgmuseum.de). Wo die Aufnahmen gemacht wurden, erfährt der Betrachter nicht, doch es ist offensichtlich, dass man die abgebildeten Objekte in den Millionenstädten rings um den Erdball finden kann. Einen Raum weiter wird klar, dass es hier vor allem um die boomenden Metropolen Asiens geht. Videoaufnahmen unter anderem aus Peking, Tokio, Hongkong und Bangkok zeigen neu erbaute Wohngiganten mit 30 Stockwerken und mehr, meist noch ohne jede Infrastruktur.
Das Wälderhaus auf der Internationalen Bauausstellung in Hamburg
Diese Darstellung der heutigen Realität ist Ausgangspunkt für eine Gruppe von Architekten, die beklagen, dass die oft gigantischen Blöcke die traditionelle Architektur wie zum Beispiel die niedrigen Holzhäuser in Tokio verdrängen. Die modernen Wohnkomplexe versprechen einen westlichen Wohn- und Lebensstandard, doch die gewachsenen Strukturen und menschlichen Beziehungen der einstigen Viertel werden dabei zerstört. Gibt es dazu angesichts der wachsenden Bevölkerung und des Trends zur ungebrochenen Landflucht in die Metropolen eine Alternative?
Der Niederländer Winy Maas und seine Kollegen des Architekturbüros MVRDV aus Rotterdam wollen statt Hochhauswüsten lieber urbane Dörfer in den Himmel wachsen lassen. Nach ihrem bisher nur in der Theorie bestehenden Konzept werden Häuser individuell gestaltet und neben- und übereinander gesetzt, miteinander verbunden durch Stege, Gänge, Plätze und Wege. Über Treppen gelangt man zu Gemeinschaftsgärten mit Bäumen und kleinen Teichen. Das vertikale Dorf entwickelt sich nach den Ideen und Wünschen der Bewohner immer weiter in die Höhe, es gibt keinen vorgegebenen Masterplan. Allerdings müssen Regeln festgelegt werden, damit ein Gebäude genügend Licht bekommt, wenn ein neues neben oder auf ihm gebaut wird. Im Notfall müssen die Fluchtwege der Bewohner auch der höheren Stockwerke gesichert sein. Mit zahlreichen Modellen liefert die Ausstellung eindrucksvolle Beispiele für dieses Konzept.
Dabei können sich die Besucher auch als Bauherren betätigen. Am Bildschirm können sie mit einer speziellen Software ihr Wunschhaus erstellen und es in einem Wohnturm platzieren. Im Innenhof des Museums sieht man einen fünf Meter hohen Turm mit Bauteilen aus unterschiedliche Formen und Farben. Wer früher gerne mit einem Baukasten gespielt und Klötze gerne so weit wie möglich übereinander gestapelt hat, der dürfte sich hier ganz in seinem Element fühlen.
Der Untertitel der Ausstellung "Eine radikale Stadtvision" deutet an, dass es um mehr als Spielerei geht. In den im Hamburg Museum gezeigten Interviews betonen Stadtplaner und Architekten aus Europa und Asien, dass übereinander gebaute, individuell gestaltete Häuser technisch machbar sind. Über die damit verbundenen Kosten erfährt man allerdings nichts. Ob das "vertikale Dorf" tatsächlich eine große Anziehungskraft auf Menschen in den asiatischen Metropolen ausübt, müsste noch geklärt werden. In der Ausstellung kann man sich die Wohnwünsche von fünf jungen Familien mit kleinen Kindern im 2,7 Millionen Einwohner zählenden Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, anhören. Nicht der gute Kontakt zu Nachbarn und intakte soziale Strukturen werden genannt, sondern Kriterien bei der Suche nach einer neuen Wohnung sind neben bezahlbaren Mieten möglichst viele Fenster für viel natürliches Licht, ausreichend Parkplätze, die Nähe zur U-Bahn und die Erreichbarkeit des eigenen Arbeitsplatzes innerhalb von einer Stunde sowie für die Kinder eine gute Schule und ein Spielplatz in nicht zu großer Entfernung. Dies ist auch weitgehend in Hochhaussiedlungen realisierbar.
Die Ideen von Maas und Kollegen nehmen vieles auf, was es heute schon gibt. In Taipeh haben sich viele Bewohner in luftiger Höhe ihr Dach ausgebaut, um dort zu gärtnern oder mit den Kindern im Freien zu spielen - an einen eigenen Garten ist ansonsten nicht zu denken. Mittlerweile ist der Ausbau von den Behörden verboten worden, doch sie haben kaum Möglichkeiten, dieses Verbot auch durchzusetzen. Die Wäscheleinen, die in den engen Gassen zwischen zwei Bauten gespannt werden, haben die Architekten dazu inspiriert, Wohnhäuser mit einem neu geschaffenen Zwischenraum zu verbinden, der weit über der Erde zum Beispiel einen Ort der Begegnung in der Nachbarschaft schafft.
Ansonsten zeigt die Ausstellung auch, dass die Ideen von Architekten und Bewohnern zum Teil weit auseinandergehen. Der Architekt Hsiao Yu-Chic hat ein Holzhaus mit einer Fläche von 4,32 Quadratmetern für den Stadtbezirk Zhong Shan in Taipeh entworfen, das nach seiner Ansicht alles bietet, was man braucht: eine Toilette, Badewanne, Schreibtisch mit einem Stuhl, Küchenzeile, Schubladen und ein Bett. "Wir sind für unsere dreiköpfige Familie seit zwei Jahren auf Wohnungssuche", erklärt eine junge Mutter aus der Mittelschicht im Ausstellungsvideo, die gerade in Taipeh mit einem Makler eine 39-Quadratmeter-Wohnung besichtigt hat. "Schön, aber zu klein", lautet ihr Urteil über das "Mini-House".