'White House Down' macht Obama zum liberalen Superhelden, der endlich die Kriegstreiber aus Washington vertreibt - mit der Panzerfaust. Den Amerikanern war das noch zu optimistisch
"Nicht ohne meine Turnschuhe!", verkündet der Präsident, bevor er zur Panzerfaust greift - und tauscht mitten in der wilden Schießerei, in der gerade das Weiße Haus zerlegt wird, die Anzugschuhe gegen ein Paar weiße Jordans. Roland Emmerich, erfolgreichster deutscher Blockbuster-Regisseur und seit einigen Jahren auch Hollywoods Grüner Punkt - er hat mit "The Day After Tomorrow" und "2012" das Genre des politischen Umwelt-Actionfilms erfunden - hat in seiner Karriere schon einige US-Präsidenten inszeniert, aber noch nie so leidenschaftlich wie in der feuchten Obama-Phantasie "White House Down".
Die Emmerichs bei der Premiere von "White House Down" in Berlin am 2. September 2013
Jamie Foxx imitiert Obamas schlaksig-sympathischen Gestus genauso wie die Leidenschaft des Ex-Rauchers für Nikotinkaugummis, auch die First Lady ist fast genauso hübsch wie Michelle. Als Präsident James Sawyer verkündet er dann gleich zu Beginn der großen Action-Sause in einer Fernsehansprache, er habe sich mit dem iranischen Staatsoberhaupt in allen kritischen Fragen der Außenpolitik geeinigt und werde außerdem die US-Truppen aus dem Nahen Osten abziehen.
Dieser Traum-Obama ist also nicht nur ein guter Kumpel, mit dem man jederzeit ein Bier trinken gehen würde, sondern auch ein liberaler Superheld, der Kriege beenden und sich gegen die Rüstungsindustrie durchsetzen kann. Es ist also genau der Obama, den sich viele mal gewünscht haben, sogar er selbst, wenn man der Titelgeschichte "The Unhappy Warrior" in der aktuellen Ausgabe des Time Magazine glauben kann.
Als dann plötzlich ein paar rechtskonservative amerikanische Terroristen das Weiße Haus stürmen, weil sie sich von so viel Frieden und Freundlichkeit gehörig provoziert fühlen, greift der Präsident natürlich höchstpersönlich zur Waffe, um seine Politik gegen diese zum schießwütigen Albtraum mutierte Tea Party zu verteidigen.
Sein Lehrmeister ist dabei der Polizist John Cale (Channing Tatum), der gerade ein Vorstellungsgespräch beim Secret Service verpatzt hat. Als die ersten Kugeln fliegen, nimmt er gerade mit seiner Tochter an einer Führung durchs Weiße Haus teil. Sofort zieht Cale im weißen Bruce Willis-Gedächtnis-Tanktop und mit Maschinengewehr durch 1600 Pennsylvania Avenue und drückt dem Hausherrn eine Panzerfaust in die Hand: "Ich weiß, Sie sind für Frieden und so, aber jetzt schnappen Sie sich das Ding da und arbeiten!" Dann geht es im Cadillac zur Schurkenjagd ums Weiße Haus.
Sprengmeister Emmerich hatte für einen so potenten Spätsommer-Blockbuster eigentlich gute Karten: Seine Hauptdarsteller sind gerade richtig heiß in Hollywood und geben dazu noch ein reizendes Odd-Couple ab. Das Drehbuch stammt vom neuen Star-Autor James Vanderbilt, der schon "Spider-Man" reanimiert hat und gerade für Emmerich an zwei "Independence Day"-Fortsetzungen sitzt. Außerdem weiß Emmerich wie kein Zweiter, wie man Großstädte mit pyrotechnischer Finesse zerlegt und das auch noch so choreografiert, dass die Zuschauer nicht den Überblick verlieren.
Nur leider verfolgt der Mann eben seit geraumer Zeit das Blockbuster-Plus-Prinzip. Also plus Umwelt-Message, plus linksliberale Agenda, und das alles eher überschwellig als subtil vermittelt. Das führt in diesem Fall dazu, dass "White House Down" sich irgendwo zwischen Polit-Groteske und Actionkomödie verheddert. Der Super-Präsident wird zum fidelen schwarzen Action-Buddy degradiert, wie man ihn etwa aus der "Lethal Weapon"-Reihe oder den "Rush Hour"-Filmen kennt.
Wenn Foxx und Tatum verschwitzt und mit dem Gewehr über der Schulter durch die labyrinthischen Flure des Weißen Hauses schleichen und Terroristen jagen, sorgt man sich außerdem, sie könnten jeden Moment Gerard Butler in die Arme laufen, der sich in "Olympus Has Fallen" durch genau die gleichen Gänge prügelt. Beide Filme erzählen nämlich fast die selbe Geschichte, nur dass "Olympus" brutaler, zynischer und konservativer ist: weißer Präsident, nordkoreanische Terroristen.
Doch vor allem hatte Butler Vorsprung. Der spätere Starttermin hat Emmerich unfreiwillig in die Rolle des Nachzüglers gedrängt, so dass seine Bilder von Washington als Schlachtfeld von Anfang an verbraucht wirken. Dabei hat er eigentlich die witzigeren Ideen, wie man vom Kapitol bis zum Washington Monument alle Insignien der Demokratie zertrümmern könnte.
Diese Verspätung und die linksliberale Haltung, die im konservativ-ländlichen Amerika, wo die meisten Tickets verkauft werden, überhaupt nicht gut ankam, haben den Film in den USA zu einem der großen Flops dieses Jahres gemacht. Am Ende war also nicht nur das White House ziemlich Down, sondern auch die Produzenten von Sony. Nachdem auch "R.I.P.D." und "Lone Ranger" an den Kassen abgeschmiert sind, scheint dieses Jahr ohnehin in ganz Hollywood der Blockbuster-Blues ausgebrochen zu sein. Das Emmerich-Projekt wurde daher mit großer Sorge beobachtet, denn Buddy-Action in den Händen eines erfahrenen Regisseurs - das galt bislang eigentlich als Hit-Garantie.
Doch wenn die Saison 2013 eines gezeigt hat, dann dass das Publikum überhaupt nicht mehr Buddy-mäßig drauf ist. Zu den großen Gewinnern dieses Jahres gehören vor allem Depressionsgeschichten, in denen der Thanatos regiert: "World War Z", "Man of Steel" oder "Star Trek Into Darkness". Das sagt natürlich was über den traurigen Zustand des Millionen-Publikums. Vom Optimismus eines "Street Fighting Man", mit dem der Stones-Fan Emmerich seinen Abspann fröhlich unterlegt, will sich heute einfach keiner mehr anstecken lassen. Auch der echte Obama kann ein Lied davon singen.
White House Down, USA 2013 - R: Roland Emmerich. Buch: James Vanderbilt. Mit: Channing Tatum, Jamie Foxx, Maggie Gyllenhaal. Sony, 131 Minuten
"Nicht ohne meine Turnschuhe!", verkündet der Präsident, bevor er zur Panzerfaust greift - und tauscht mitten in der wilden Schießerei, in der gerade das Weiße Haus zerlegt wird, die Anzugschuhe gegen ein Paar weiße Jordans. Roland Emmerich, erfolgreichster deutscher Blockbuster-Regisseur und seit einigen Jahren auch Hollywoods Grüner Punkt - er hat mit "The Day After Tomorrow" und "2012" das Genre des politischen Umwelt-Actionfilms erfunden - hat in seiner Karriere schon einige US-Präsidenten inszeniert, aber noch nie so leidenschaftlich wie in der feuchten Obama-Phantasie "White House Down".
Die Emmerichs bei der Premiere von "White House Down" in Berlin am 2. September 2013
Jamie Foxx imitiert Obamas schlaksig-sympathischen Gestus genauso wie die Leidenschaft des Ex-Rauchers für Nikotinkaugummis, auch die First Lady ist fast genauso hübsch wie Michelle. Als Präsident James Sawyer verkündet er dann gleich zu Beginn der großen Action-Sause in einer Fernsehansprache, er habe sich mit dem iranischen Staatsoberhaupt in allen kritischen Fragen der Außenpolitik geeinigt und werde außerdem die US-Truppen aus dem Nahen Osten abziehen.
Dieser Traum-Obama ist also nicht nur ein guter Kumpel, mit dem man jederzeit ein Bier trinken gehen würde, sondern auch ein liberaler Superheld, der Kriege beenden und sich gegen die Rüstungsindustrie durchsetzen kann. Es ist also genau der Obama, den sich viele mal gewünscht haben, sogar er selbst, wenn man der Titelgeschichte "The Unhappy Warrior" in der aktuellen Ausgabe des Time Magazine glauben kann.
Als dann plötzlich ein paar rechtskonservative amerikanische Terroristen das Weiße Haus stürmen, weil sie sich von so viel Frieden und Freundlichkeit gehörig provoziert fühlen, greift der Präsident natürlich höchstpersönlich zur Waffe, um seine Politik gegen diese zum schießwütigen Albtraum mutierte Tea Party zu verteidigen.
Sein Lehrmeister ist dabei der Polizist John Cale (Channing Tatum), der gerade ein Vorstellungsgespräch beim Secret Service verpatzt hat. Als die ersten Kugeln fliegen, nimmt er gerade mit seiner Tochter an einer Führung durchs Weiße Haus teil. Sofort zieht Cale im weißen Bruce Willis-Gedächtnis-Tanktop und mit Maschinengewehr durch 1600 Pennsylvania Avenue und drückt dem Hausherrn eine Panzerfaust in die Hand: "Ich weiß, Sie sind für Frieden und so, aber jetzt schnappen Sie sich das Ding da und arbeiten!" Dann geht es im Cadillac zur Schurkenjagd ums Weiße Haus.
Sprengmeister Emmerich hatte für einen so potenten Spätsommer-Blockbuster eigentlich gute Karten: Seine Hauptdarsteller sind gerade richtig heiß in Hollywood und geben dazu noch ein reizendes Odd-Couple ab. Das Drehbuch stammt vom neuen Star-Autor James Vanderbilt, der schon "Spider-Man" reanimiert hat und gerade für Emmerich an zwei "Independence Day"-Fortsetzungen sitzt. Außerdem weiß Emmerich wie kein Zweiter, wie man Großstädte mit pyrotechnischer Finesse zerlegt und das auch noch so choreografiert, dass die Zuschauer nicht den Überblick verlieren.
Nur leider verfolgt der Mann eben seit geraumer Zeit das Blockbuster-Plus-Prinzip. Also plus Umwelt-Message, plus linksliberale Agenda, und das alles eher überschwellig als subtil vermittelt. Das führt in diesem Fall dazu, dass "White House Down" sich irgendwo zwischen Polit-Groteske und Actionkomödie verheddert. Der Super-Präsident wird zum fidelen schwarzen Action-Buddy degradiert, wie man ihn etwa aus der "Lethal Weapon"-Reihe oder den "Rush Hour"-Filmen kennt.
Wenn Foxx und Tatum verschwitzt und mit dem Gewehr über der Schulter durch die labyrinthischen Flure des Weißen Hauses schleichen und Terroristen jagen, sorgt man sich außerdem, sie könnten jeden Moment Gerard Butler in die Arme laufen, der sich in "Olympus Has Fallen" durch genau die gleichen Gänge prügelt. Beide Filme erzählen nämlich fast die selbe Geschichte, nur dass "Olympus" brutaler, zynischer und konservativer ist: weißer Präsident, nordkoreanische Terroristen.
Doch vor allem hatte Butler Vorsprung. Der spätere Starttermin hat Emmerich unfreiwillig in die Rolle des Nachzüglers gedrängt, so dass seine Bilder von Washington als Schlachtfeld von Anfang an verbraucht wirken. Dabei hat er eigentlich die witzigeren Ideen, wie man vom Kapitol bis zum Washington Monument alle Insignien der Demokratie zertrümmern könnte.
Diese Verspätung und die linksliberale Haltung, die im konservativ-ländlichen Amerika, wo die meisten Tickets verkauft werden, überhaupt nicht gut ankam, haben den Film in den USA zu einem der großen Flops dieses Jahres gemacht. Am Ende war also nicht nur das White House ziemlich Down, sondern auch die Produzenten von Sony. Nachdem auch "R.I.P.D." und "Lone Ranger" an den Kassen abgeschmiert sind, scheint dieses Jahr ohnehin in ganz Hollywood der Blockbuster-Blues ausgebrochen zu sein. Das Emmerich-Projekt wurde daher mit großer Sorge beobachtet, denn Buddy-Action in den Händen eines erfahrenen Regisseurs - das galt bislang eigentlich als Hit-Garantie.
Doch wenn die Saison 2013 eines gezeigt hat, dann dass das Publikum überhaupt nicht mehr Buddy-mäßig drauf ist. Zu den großen Gewinnern dieses Jahres gehören vor allem Depressionsgeschichten, in denen der Thanatos regiert: "World War Z", "Man of Steel" oder "Star Trek Into Darkness". Das sagt natürlich was über den traurigen Zustand des Millionen-Publikums. Vom Optimismus eines "Street Fighting Man", mit dem der Stones-Fan Emmerich seinen Abspann fröhlich unterlegt, will sich heute einfach keiner mehr anstecken lassen. Auch der echte Obama kann ein Lied davon singen.
White House Down, USA 2013 - R: Roland Emmerich. Buch: James Vanderbilt. Mit: Channing Tatum, Jamie Foxx, Maggie Gyllenhaal. Sony, 131 Minuten