Alles könnte so schön sein, im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Wenn nur nicht die Drogendealer wären. Doch wie löst man das Problem? Mit einem Zaun? Mit einem Coffeeshop? Eine Ortsbegehung
Fast könnte man meinen, man stünde in einem normalen Park. Ein paar Jogger drehen an diesem Vormittag ihre Runden, auf einer Bank sitzen zwei junge Frauen und unterhalten sich, Mütter mit Kinderwagen ziehen vorbei, vor einem Café trinken Menschen ihren Frühstücks-Cappuccino. Auf einem Stück Wiese wachsen junge Obstbäume, an ihren Stämmen blühen Sonnenblumen, ein kleiner Hase hoppelt vorbei. "Man muss auch die schönen Seiten sehen!", sagt Andreas Teuchert, es klingt ein wenig trotzig. Denn auch wenn die Streuobstwiese gerade sehr friedlich wirkt - der Görlitzer Park ist kein normaler Park. Er ist ein "Problempark", so nennt ihn Hans-Christian Ströbele (Grüne), der in Kreuzberg seinen Wahlkreis hat. Der Park ist ein Problem, mit dem niemand so richtig umzugehen weiß und das die Toleranz vieler auf die Probe stellt.
Der Görlitzer Park ist Berlins Hauptumschlagplatz für Cannabis
Ein paar Meter von der Streuobstwiese entfernt wandelt sich die Blümchen-Idylle zur harten Realität. Junge Männer, etwa 20 sind es an diesem Vormittag, reihen sich auf entlang eines Weges, der von der Görlitzer bis zur Wiener Straße führt. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika, sie sind nach Europa gekommen, um hier ein sichereres oder besseres Leben zu suchen. Was viele von ihnen gefunden haben, ist ein Job als Drogendealer in einem Kreuzberger Park.
Geht man den Weg entlang, zwischen den Männern, dann grüßen, rufen, zischeln sie, machen auf ihre Ware aufmerksam. Auch wenn man das ignoriert, starr geradeaus oder auf den Boden schaut, rufen sie weiter. Die etwa hundert Meter lange Strecke wird zum Spießrutenlauf, auf den viele Anwohner keine Lust mehr haben. Sie meiden den Park, fühlen sich verdrängt. "Das ist ein Drecksloch, ich geh" da nicht mehr hin", sagt ein Mann, Mitte 30, der vor dem Café Nest in der angrenzenden Görlitzer Straße Rhabarberschorle trinkt. Eine Frau um die 60, die mit Einkaufstüten in der Hand an den Außenmauern des Parks entlanggeht, sagt, sie laufe da nicht einmal mehr durch, um den Weg abzukürzen: "Das ist mir zu gefährlich." Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sagte der Boulevard-Zeitung B.Z.: "Ich gehe seit den 80er-Jahren da nachts nicht mehr durch. Viel zu dunkel, auch andere fühlen sich hier nachts nicht wohl."
Die Beschwerden wurden lauter in den letzten Monaten, Anwohner sagen, die Dealer würden aufdringlicher, aggressiver. Die Polizei veranstaltete mehrere große Razzien. Nachbarn, Politiker, Cafébetreiber - sie alle wollen, dass sich etwas ändert im Görlitzer Park, dass er wieder zu einem Ort wird, an dem man sich gerne aufhält und Kinder spielen lassen kann. Doch eine richtige Lösung hat bisher keiner gefunden. Stattdessen ähneln die Diskussionen zuweilen einem Eiertanz, denn das Thema ist heikel: Wer etwas sagt gegen den Drogenhandel, seinem Ärger Luft macht, der gilt schnell als intoleranter, ordnungssüchtiger Spießer, als Yuppie, der Kreuzberg nicht verstanden habe - oder als Rassist, weil die Dealer zum überwiegenden Teil Afrikaner oder Araber sind.
Auch Andreas Teuchert, der Mann von der Streuobstwiese, musste sich solche Beschimpfungen schon anhören. "Absurder geht"s ja gar nicht", sagt er. Teuchert, ein sanft wirkender 42-Jähriger, kümmert sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Rahel Schweikert um den Park. Sie haben vor zwei Jahren ein Bürgerbeteiligungsprojekt gegründet und arbeiten im Auftrag des Fachbereichs Grünflächen des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. Teuchert ist wichtig, dass sie "keine Initiative von wütenden Bürgern" seien, sondern versuchten, möglichst vielen unterschiedlichen Parknutzern gerecht zu werden. Das Projekt heißt "Unser Görli - einer für alle", auch den Zusatz erwähnt er ausdrücklich, "sonst wird uns wieder Vereinnahmung vorgeworfen". Vor Kurzem wurden die Scheiben des Nachbarschaftsladens, in dem er sein Büro hat, eingeworfen und "Nazis raus" und "Teuchert aufs Maul" an die Wände geschmiert. Auf ultralinken Internetseiten wird er als einer bezeichnet, der glaube, sich den Park mit seinem "höheren Einkommen und sozialem Status erkaufen" zu können. Momentan leben Teuchert, seine Freundin und ihre zwei Kinder von der halben Stelle, die das Projekt vom Bezirk finanziert bekommt, den Rest stocken sie mit ALG II auf. "Wir sind unverbesserliche Idealisten", findet er. "Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als würde man einen riesigen Berg an Aufgaben mit dem Teelöffel abtragen."
Andreas Teuchert setzt auf den Erfolg kleiner Schritte und auf Aktionen, die angesichts der existierenden Probleme teils rührend-naiv wirken. Der "Trashmob" etwa, bei dem dazu aufgerufen wird, die überall im Park herumliegenden Kronkorken einzusammeln und daraus bunte Mosaike zu basteln. Eine "Barfußwiese" möchte das Projekt umsetzen und eine Komposttoilette, ein kleiner Garten wurde angelegt, in dem ein paar Kräuter und Tomaten wachsen. "Das kann man naiv oder gutmenschlich finden, aber es ist ein Versuch - wie alles im Görli", sagt Teuchert. In einem kleinen weißen Container lagert das Projekt seine Gartengeräte, er ist mit bunten Symbolen bemalt, die für Toleranz und friedliches Miteinander stehen sollen. Erfreut stellt Teuchert fest, dass der Container bisher nicht attackiert wurde, naja, an eine Seite hat jemand klein "Geht sterben" geschmiert, aber das dürfe man nicht persönlich nehmen, findet Teuchert. Ob Obstbäume, Blumen und weniger Müll schon helfen, den Park wieder zu einem Ort für alle zu machen?
Andere setzen auf radikalere Lösungsideen. Innensenator Frank Henkel (CDU) verspricht einen "hohen polizeilichen Aufwand", der CDU-Bezirksverordnete Timur Husein fordert, den Park zu umzäunen und nachts abzuschließen. Teuchert schüttelt bei dieser Idee den Kopf: "Sollen dann abends die Wiesen von einer Hundertschaft Polizisten leergeräumt werden? Das geht an dem, was Kreuzberg ist und ausmacht, vollkommen vorbei." Tatsächlich ist der Park bei schönem Wetter brechend voll. Es wird gegrillt, Bongo gespielt; türkischstämmige Familien picknicken, auch viele Party-Touristen dösen hier nach Clubnächten in der Sonne. Es gibt viele Plätze auf dem 14 Hektar großen Gelände, an denen keine Drogen verkauft werden.
Und auch nicht jeder stört sich an den Dealern, im Gegenteil: "Dass die dort stehen, hängt ja auch davon ab, dass es dort eine Nachfrage gibt", sagt der Berliner Polizeisprecher Martin Dams. Ein Aspekt, der bei der hitzigen Diskussion oft vergessen wird: Würden Berliner, Anwohner, Touristen nicht hier ihre Drogen kaufen, würden hier langfristig auch keine mehr angeboten werden. 60 bis 100 Dealer vermutet die Polizei im Park. 59 Einsätze zählten die Beamten dort im ersten Halbjahr 2013, 428 Personen wurden überprüft, 170 Platzverweise ausgesprochen, 79 Menschen wurden verhaftet, 93 angezeigt, 48 verstießen gegen das Aufenthaltsgesetz. Fast immer finden die Polizisten Marihuana, andere härtere Drogen spielen kaum eine Rolle. Meist können die Polizisten den Verkäufern nicht viel nachweisen, die Vorräte werden im Gebüsch gebunkert und nicht am Körper getragen, außerdem gibt es Wachposten, die rechtzeitig vor Polizeikontrollen warnen. Und die Drahtzieher, die Großhändler im Hintergrund, die wird man sowieso nicht im Park erwischen.
Die Grünen würden am liebsten einen Coffeeshop im Park aufmachen, in dem legal Marihuana verkauft wird. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele ist von dem Vorschlag ganz "begeistert", den seine Parteikollegin, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, da auf den Tisch gebracht hat. Ströbele ist zum Gespräch in den Park gekommen, wie immer auf dem Fahrrad. Es ist Wahlkampf, da kommen ihm solche öffentlichkeitswirksamen Themen wie legaler Cannabisverkauf natürlich gerade recht. Die Chancen, das umzusetzen, also für Berlin eine Ausnahme von den bundesweit geltenden Betäubungsmittelgesetzen zu erreichen, stehen nicht gut, das weiß auch Ströbele. Aber er findet, man könne trotzdem bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um den Vorschlag zu diskutieren. "Berlin hätte dann eine Attraktion mehr." Dann kommt ein junger Mann auf ihn zu, er spricht, wie manche junge Männer in Kreuzberg gern sprechen: "Isch hab" Sie da auf der einen Demo gesehen, das fand" isch voll gut, dass Sie da waren. Sie sind voll der gute Politiker, wie heißen Sie noch mal?" Ströbele nennt seinen Namen. "Und welche Partei eigentlich?" Grüne, sagt Ströbele, woraufhin der junge Mann ein bisschen enttäuscht sagt: "Ah, schade, isch bin SPD."
Dem Görlitzer Park würde eine Legalisierung von Cannabis wohl auch nicht entscheidend weiterhelfen. "Das löst nicht das Problem der Leute, die hier verkaufen", weiß Ströbele. Um das zumindest ansatzweise zu lösen, müsste man die Asylgesetze ändern. Denn viele der Dealer sind Flüchtlinge, nicht wenige sind illegal in Berlin, haben entweder gar keine Aufenthaltsgenehmigung oder eine für einen anderen Ort. Legal arbeiten dürfen sie nicht, für viele ist der Drogenhandel der einfachste Weg, um an Geld zu kommen.
Dass nichtsdestotrotz andere Wege existieren, das soll den Verkäufern im Park nun auch Katharina Oguntoye vermitteln. Die 54-jährige Deutsche hat einen nigerianischen Vater und die ersten Jahre ihrer Kindheit in dessen Heimatland gelebt. Seit 16 Jahren betreibt sie in der Görlitzer Straße den interkulturellen Verein Joliba und hilft in Berlin lebenden afrikanischen Familien. Joliba hat einen Flyer entworfen, der an die Dealer verteilt werden soll. In vier Sprachen wird darauf erklärt, dass die Männer bitte keine Jugendlichen ansprechen sollen und keine zu großen Gruppen an den Parkeingängen bilden und sich freundlich und respektvoll verhalten sollen. Auf der Rückseite weist Joliba auf sein Angebot hin: Beratung, Deutschkurse, Computerbenutzung, Nähmöglichkeiten.
"Viele afrikanische Männer nähen gerne", sagt Oguntoye. Sie ist in den letzten Tagen gemeinsam mit einem ghanaischen Sozialarbeiter durch den Park gegangen. "60 Leute haben wir angesprochen - fast alle haben positiv darauf reagiert, dass sich überhaupt jemand für sie interessiert. Fast alle haben gesagt, dass sie gern Deutsch lernen wollen, die meisten würden gerne arbeiten." Mehrere kamen danach in die Vereinswohnung zum Gespräch. Eine ähnliche Erfahrung hat auch Andreas Teuchert beim Anlegen des kleinen Gartenstücks im Park gemacht. Drei von den am Parkeingang stehenden Männern hätten beim Buddeln mitgeholfen und würden nun regelmäßig gießen.
Selbst wenn das Dealen - durch welche Maßnahmen auch immer - weniger oder ganz aufhören würde, ruppig und struppig wird der Görlitzer Park wohl immer bleiben. Teuchert findet: "Es ist auch eine Qualität dieses Ortes, dass hier gesellschaftliche Widersprüche sichtbar sind." Eine Haltung, die diejenigen Anwohner, die den Park gern als Erholungsgebiet und nicht als Beobachtungsfeld für soziale Missstände nutzen möchten, wahrscheinlich nicht teilen werden.
Fast könnte man meinen, man stünde in einem normalen Park. Ein paar Jogger drehen an diesem Vormittag ihre Runden, auf einer Bank sitzen zwei junge Frauen und unterhalten sich, Mütter mit Kinderwagen ziehen vorbei, vor einem Café trinken Menschen ihren Frühstücks-Cappuccino. Auf einem Stück Wiese wachsen junge Obstbäume, an ihren Stämmen blühen Sonnenblumen, ein kleiner Hase hoppelt vorbei. "Man muss auch die schönen Seiten sehen!", sagt Andreas Teuchert, es klingt ein wenig trotzig. Denn auch wenn die Streuobstwiese gerade sehr friedlich wirkt - der Görlitzer Park ist kein normaler Park. Er ist ein "Problempark", so nennt ihn Hans-Christian Ströbele (Grüne), der in Kreuzberg seinen Wahlkreis hat. Der Park ist ein Problem, mit dem niemand so richtig umzugehen weiß und das die Toleranz vieler auf die Probe stellt.
Der Görlitzer Park ist Berlins Hauptumschlagplatz für Cannabis
Ein paar Meter von der Streuobstwiese entfernt wandelt sich die Blümchen-Idylle zur harten Realität. Junge Männer, etwa 20 sind es an diesem Vormittag, reihen sich auf entlang eines Weges, der von der Görlitzer bis zur Wiener Straße führt. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika, sie sind nach Europa gekommen, um hier ein sichereres oder besseres Leben zu suchen. Was viele von ihnen gefunden haben, ist ein Job als Drogendealer in einem Kreuzberger Park.
Geht man den Weg entlang, zwischen den Männern, dann grüßen, rufen, zischeln sie, machen auf ihre Ware aufmerksam. Auch wenn man das ignoriert, starr geradeaus oder auf den Boden schaut, rufen sie weiter. Die etwa hundert Meter lange Strecke wird zum Spießrutenlauf, auf den viele Anwohner keine Lust mehr haben. Sie meiden den Park, fühlen sich verdrängt. "Das ist ein Drecksloch, ich geh" da nicht mehr hin", sagt ein Mann, Mitte 30, der vor dem Café Nest in der angrenzenden Görlitzer Straße Rhabarberschorle trinkt. Eine Frau um die 60, die mit Einkaufstüten in der Hand an den Außenmauern des Parks entlanggeht, sagt, sie laufe da nicht einmal mehr durch, um den Weg abzukürzen: "Das ist mir zu gefährlich." Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sagte der Boulevard-Zeitung B.Z.: "Ich gehe seit den 80er-Jahren da nachts nicht mehr durch. Viel zu dunkel, auch andere fühlen sich hier nachts nicht wohl."
Die Beschwerden wurden lauter in den letzten Monaten, Anwohner sagen, die Dealer würden aufdringlicher, aggressiver. Die Polizei veranstaltete mehrere große Razzien. Nachbarn, Politiker, Cafébetreiber - sie alle wollen, dass sich etwas ändert im Görlitzer Park, dass er wieder zu einem Ort wird, an dem man sich gerne aufhält und Kinder spielen lassen kann. Doch eine richtige Lösung hat bisher keiner gefunden. Stattdessen ähneln die Diskussionen zuweilen einem Eiertanz, denn das Thema ist heikel: Wer etwas sagt gegen den Drogenhandel, seinem Ärger Luft macht, der gilt schnell als intoleranter, ordnungssüchtiger Spießer, als Yuppie, der Kreuzberg nicht verstanden habe - oder als Rassist, weil die Dealer zum überwiegenden Teil Afrikaner oder Araber sind.
Auch Andreas Teuchert, der Mann von der Streuobstwiese, musste sich solche Beschimpfungen schon anhören. "Absurder geht"s ja gar nicht", sagt er. Teuchert, ein sanft wirkender 42-Jähriger, kümmert sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Rahel Schweikert um den Park. Sie haben vor zwei Jahren ein Bürgerbeteiligungsprojekt gegründet und arbeiten im Auftrag des Fachbereichs Grünflächen des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. Teuchert ist wichtig, dass sie "keine Initiative von wütenden Bürgern" seien, sondern versuchten, möglichst vielen unterschiedlichen Parknutzern gerecht zu werden. Das Projekt heißt "Unser Görli - einer für alle", auch den Zusatz erwähnt er ausdrücklich, "sonst wird uns wieder Vereinnahmung vorgeworfen". Vor Kurzem wurden die Scheiben des Nachbarschaftsladens, in dem er sein Büro hat, eingeworfen und "Nazis raus" und "Teuchert aufs Maul" an die Wände geschmiert. Auf ultralinken Internetseiten wird er als einer bezeichnet, der glaube, sich den Park mit seinem "höheren Einkommen und sozialem Status erkaufen" zu können. Momentan leben Teuchert, seine Freundin und ihre zwei Kinder von der halben Stelle, die das Projekt vom Bezirk finanziert bekommt, den Rest stocken sie mit ALG II auf. "Wir sind unverbesserliche Idealisten", findet er. "Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als würde man einen riesigen Berg an Aufgaben mit dem Teelöffel abtragen."
Andreas Teuchert setzt auf den Erfolg kleiner Schritte und auf Aktionen, die angesichts der existierenden Probleme teils rührend-naiv wirken. Der "Trashmob" etwa, bei dem dazu aufgerufen wird, die überall im Park herumliegenden Kronkorken einzusammeln und daraus bunte Mosaike zu basteln. Eine "Barfußwiese" möchte das Projekt umsetzen und eine Komposttoilette, ein kleiner Garten wurde angelegt, in dem ein paar Kräuter und Tomaten wachsen. "Das kann man naiv oder gutmenschlich finden, aber es ist ein Versuch - wie alles im Görli", sagt Teuchert. In einem kleinen weißen Container lagert das Projekt seine Gartengeräte, er ist mit bunten Symbolen bemalt, die für Toleranz und friedliches Miteinander stehen sollen. Erfreut stellt Teuchert fest, dass der Container bisher nicht attackiert wurde, naja, an eine Seite hat jemand klein "Geht sterben" geschmiert, aber das dürfe man nicht persönlich nehmen, findet Teuchert. Ob Obstbäume, Blumen und weniger Müll schon helfen, den Park wieder zu einem Ort für alle zu machen?
Andere setzen auf radikalere Lösungsideen. Innensenator Frank Henkel (CDU) verspricht einen "hohen polizeilichen Aufwand", der CDU-Bezirksverordnete Timur Husein fordert, den Park zu umzäunen und nachts abzuschließen. Teuchert schüttelt bei dieser Idee den Kopf: "Sollen dann abends die Wiesen von einer Hundertschaft Polizisten leergeräumt werden? Das geht an dem, was Kreuzberg ist und ausmacht, vollkommen vorbei." Tatsächlich ist der Park bei schönem Wetter brechend voll. Es wird gegrillt, Bongo gespielt; türkischstämmige Familien picknicken, auch viele Party-Touristen dösen hier nach Clubnächten in der Sonne. Es gibt viele Plätze auf dem 14 Hektar großen Gelände, an denen keine Drogen verkauft werden.
Und auch nicht jeder stört sich an den Dealern, im Gegenteil: "Dass die dort stehen, hängt ja auch davon ab, dass es dort eine Nachfrage gibt", sagt der Berliner Polizeisprecher Martin Dams. Ein Aspekt, der bei der hitzigen Diskussion oft vergessen wird: Würden Berliner, Anwohner, Touristen nicht hier ihre Drogen kaufen, würden hier langfristig auch keine mehr angeboten werden. 60 bis 100 Dealer vermutet die Polizei im Park. 59 Einsätze zählten die Beamten dort im ersten Halbjahr 2013, 428 Personen wurden überprüft, 170 Platzverweise ausgesprochen, 79 Menschen wurden verhaftet, 93 angezeigt, 48 verstießen gegen das Aufenthaltsgesetz. Fast immer finden die Polizisten Marihuana, andere härtere Drogen spielen kaum eine Rolle. Meist können die Polizisten den Verkäufern nicht viel nachweisen, die Vorräte werden im Gebüsch gebunkert und nicht am Körper getragen, außerdem gibt es Wachposten, die rechtzeitig vor Polizeikontrollen warnen. Und die Drahtzieher, die Großhändler im Hintergrund, die wird man sowieso nicht im Park erwischen.
Die Grünen würden am liebsten einen Coffeeshop im Park aufmachen, in dem legal Marihuana verkauft wird. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele ist von dem Vorschlag ganz "begeistert", den seine Parteikollegin, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, da auf den Tisch gebracht hat. Ströbele ist zum Gespräch in den Park gekommen, wie immer auf dem Fahrrad. Es ist Wahlkampf, da kommen ihm solche öffentlichkeitswirksamen Themen wie legaler Cannabisverkauf natürlich gerade recht. Die Chancen, das umzusetzen, also für Berlin eine Ausnahme von den bundesweit geltenden Betäubungsmittelgesetzen zu erreichen, stehen nicht gut, das weiß auch Ströbele. Aber er findet, man könne trotzdem bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um den Vorschlag zu diskutieren. "Berlin hätte dann eine Attraktion mehr." Dann kommt ein junger Mann auf ihn zu, er spricht, wie manche junge Männer in Kreuzberg gern sprechen: "Isch hab" Sie da auf der einen Demo gesehen, das fand" isch voll gut, dass Sie da waren. Sie sind voll der gute Politiker, wie heißen Sie noch mal?" Ströbele nennt seinen Namen. "Und welche Partei eigentlich?" Grüne, sagt Ströbele, woraufhin der junge Mann ein bisschen enttäuscht sagt: "Ah, schade, isch bin SPD."
Dem Görlitzer Park würde eine Legalisierung von Cannabis wohl auch nicht entscheidend weiterhelfen. "Das löst nicht das Problem der Leute, die hier verkaufen", weiß Ströbele. Um das zumindest ansatzweise zu lösen, müsste man die Asylgesetze ändern. Denn viele der Dealer sind Flüchtlinge, nicht wenige sind illegal in Berlin, haben entweder gar keine Aufenthaltsgenehmigung oder eine für einen anderen Ort. Legal arbeiten dürfen sie nicht, für viele ist der Drogenhandel der einfachste Weg, um an Geld zu kommen.
Dass nichtsdestotrotz andere Wege existieren, das soll den Verkäufern im Park nun auch Katharina Oguntoye vermitteln. Die 54-jährige Deutsche hat einen nigerianischen Vater und die ersten Jahre ihrer Kindheit in dessen Heimatland gelebt. Seit 16 Jahren betreibt sie in der Görlitzer Straße den interkulturellen Verein Joliba und hilft in Berlin lebenden afrikanischen Familien. Joliba hat einen Flyer entworfen, der an die Dealer verteilt werden soll. In vier Sprachen wird darauf erklärt, dass die Männer bitte keine Jugendlichen ansprechen sollen und keine zu großen Gruppen an den Parkeingängen bilden und sich freundlich und respektvoll verhalten sollen. Auf der Rückseite weist Joliba auf sein Angebot hin: Beratung, Deutschkurse, Computerbenutzung, Nähmöglichkeiten.
"Viele afrikanische Männer nähen gerne", sagt Oguntoye. Sie ist in den letzten Tagen gemeinsam mit einem ghanaischen Sozialarbeiter durch den Park gegangen. "60 Leute haben wir angesprochen - fast alle haben positiv darauf reagiert, dass sich überhaupt jemand für sie interessiert. Fast alle haben gesagt, dass sie gern Deutsch lernen wollen, die meisten würden gerne arbeiten." Mehrere kamen danach in die Vereinswohnung zum Gespräch. Eine ähnliche Erfahrung hat auch Andreas Teuchert beim Anlegen des kleinen Gartenstücks im Park gemacht. Drei von den am Parkeingang stehenden Männern hätten beim Buddeln mitgeholfen und würden nun regelmäßig gießen.
Selbst wenn das Dealen - durch welche Maßnahmen auch immer - weniger oder ganz aufhören würde, ruppig und struppig wird der Görlitzer Park wohl immer bleiben. Teuchert findet: "Es ist auch eine Qualität dieses Ortes, dass hier gesellschaftliche Widersprüche sichtbar sind." Eine Haltung, die diejenigen Anwohner, die den Park gern als Erholungsgebiet und nicht als Beobachtungsfeld für soziale Missstände nutzen möchten, wahrscheinlich nicht teilen werden.