Journalismus wird teilbar Buzzfeed-Gründer Jonah Peretti will seine Website zu einem der größten Angeboten im Netz machen - mit einer neuen Form des Nachrichtenjournalismus, den er konsequent digital umsetzt.
Vielleicht ist gerade ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, welcher Schauspieler die Rolle des Jonah Peretti übernehmen wird, wenn seiner Website Buzzfeed passiert, was mit Facebook in dem Film The Social Network geschah: die Hollywood-Verfilmung einer Erfolgsgeschichte aus dem Internet. Zach Braff würde sich optisch anbieten, um die Rolle des jungen Manns auszufüllen, der keinen Zweifel daran hat, dass Buzzfeed den Facebook-Effekt auf Nachrichtenmedien übertragen wird: Peretti sieht dem in Deutschland aus Scrubs bekannten Braff erstaunlich ähnlich - auch wenn er eher das Gegenteil des jungen Assistenzarztes ist, den Braff in der Comedy-Serie spielt.
Ein Beispiel für eine der zahllosen Listen auf der Buzzfeed-Seite
Der 39-jährige Peretti hat seinen beruflichen Erfolg darauf aufgebaut, folgendes zu erforschen: Wie müssen Viren beschaffen sein, damit Menschen sie möglichst leicht weitergeben? Die Rede ist von Trends und Nachrichten, die sich wie Viren im Internet verbreiten sollen; verbreitet nicht mehr nur von Sendern und Zeitungen, sondern von den vielen Millionen Menschen, die ihre Tage körperlich im Büro und virtuell auf Facebook verbringen. Peretti nennt diese Leserschaft das "bored at work network": junge, in der Arbeit gelangweilte Menschen, die viel Zeit im so genannten sozialen Web verbringen und auf klassischen Nachrichtenseiten meist nur noch dann, wenn Freunde sie durch Hinweise auf Texte dorthin schicken.
Wenn das bei einer Nachricht sehr oft passiert, spricht man in schlechter Übersetzung davon, dass dieser Inhalt "viral geht", dass er sich wie ein Schnupfen im Büro durch die virtuelle Welt verbreitet. Diese Verweiskultur von Facebook und Twitter ist der Gegenentwurf zur Suchkultur von Google: Das, was dich interessiert, wird dich auch finden.
Peretti, der zu den Gründern der Huffington Post zählte, hat Buzzfeed konsequent auf diese neue digitale Kultur ausgerichtet - und er scheint damit Erfolg zu haben. Das zumindest schrieb er dieser Tage in einer Art Pressemitteilung, die er, ganz zum Stil von Buzzfeed passend, als interne Mitarbeitermail auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn öffentlich machte: "damit auch künftige Mitarbeiter sie lesen können". Darin berichtet er in einem für die Medienbranche ungewöhnlichen Optimismus von rasant steigender Reichweite für Buzzfeed und von schnell wachsenden Werbeerlösen. Vier Jahre nach ihrem Start sei die Seite erstmals profitabel. Deshalb wolle er Buzzfeed nun innerhalb eines Jahres zu einer der größten Seiten im Internet ausbauen, das heißt, das Angebot muss in jedem Fall größer werden als New York Times oder Guardian. Dafür werde Buzzfeed seine Strategie fortsetzen, die talentiertesten Reporter und Autoren aus der ganzen Welt einzustellen.
In Zeiten von Stellenabbau und Sparmaßnahmen klingt das für Journalisten spannend und beunruhigend zugleich. Denn für Peretti bedeutet digitaler Journalismus mehr als eine Facebookfanseite einzurichten. Er erwartet eine andere Art des Denkens: Bisher haben Journalisten ihre Zeit in die Herstellung von Inhalten investiert, im Zeitalter von Social Media sei das nur die eine Hälfte journalistischen Arbeitens. "Mindestens fünfzig Prozent der Arbeitszeit muss man heute darauf verwenden, diesen Inhalt auch über den richtigen Kanal an die Leser zu bringen." Wenn er davon auf Kongressen wie dem Mediengipfel des britischen Guardian im Frühjahr in London erzählt, lacht das Publikum. Peretti zeigt dann Meldungen, die auch in klassischen Medien stehen könnten, neben Bildern von süßen Tierbabys.
Diese Verbindung, die auf Buzzfeed alltäglich ist, lässt die Zuhörer schmunzeln, sie halten das nicht für seriösen Journalismus. Für Peretti ist diese Kombination die unumstößliche Realität der sozialen Medien. Im Nachrichtenstrom von Facebook läuft dieser "emotionale Inhalt", wie Peretti die Tierfotos nennt, direkt neben dem "informierenden Inhalt", für den sich Journalisten bisher einzig zuständig sahen. "Es gibt Journalisten, die mir sagen, dafür haben sie keine Journalistenschule besucht, um sich mit Tierbildern zu befassen", erzählt er und sagt: "Das ist aber heute Journalismus." Es gibt auch bekannte Journalisten, die Perettis Meinung teilen.
Lisa Tozzi hatte dreizehn Jahre in wichtiger Position für die New York Times gearbeitet, bevor sie im Frühjahr zu Buzzfeed wechselte. Miriam Elder war Moskau-Korrespondentin beim Guardian, sie arbeitet jetzt daran, ein Netz an Auslandkorrespondenten für Buzzfeed aufzubauen. Es sind gestandene Journalisten, die Peretti zu Buzzfeed holt. Er plant ein Investigativressort, widmet sich so genannten Longreads, langen Lesestücken, von denen es immer hieß, sie würden im Netz nicht gelesen.
Perettis Botschaft ist klar: Wir erleben gerade die nächste Stufe des so genannten sozialen Web. Wer die Menschen erreichen wolle, die mit Facebook und Twitter und vor allem Tumblr sozialisiert wurden, muss deren Kultur verstehen - und Geschichten auf ihre Art erzählen.
Die Außenpolitik-Expertin Miriam Elder legte die Grundlagen des Syrien-Konflikts in dieser Woche in 55 Bildern dar - und bewies damit: Diese Form der "Listicles" genannten Artikel-Listen kann man nicht nur für lustige Katzenbilder nutzen, sie können auch im Politikjournalismus Verwendung finden. Buzzfeed ist mit diesem Ansatz nicht allein. Der Buchautor Eli Pariser (Filter Bubble) verfolgt seit Kurzem mit dem Portal Upworthy einen vergleichbaren Plan: Er will relevante Inhalte für die Generation derjenigen aufbereiten, die sich nicht suchend, sondern durch Hinweise ihrer Freunde durchs Netz bewegen.
Upworthy wie Buzzfeed zeigen ein erstaunliches Wachstum - und dass dies auch ein erstaunliches Geschäftsmodell nach sich zieht, ist für Peretti logisch. Er meint, eine weltweite Nutzerschaft für diese neue Form des Journalismus erkannt zu haben und will diese nun bedienen - übrigens anders als bei der Huffington Post nicht durch weitere lokale Ableger. Einer deutschen Ausgabe von Buzzfeed, von der hierzulande mancher träumt, erteilte Peretti in der Mitarbeiter-Pressemitteilung eine Absage.
Vielleicht ist gerade ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, welcher Schauspieler die Rolle des Jonah Peretti übernehmen wird, wenn seiner Website Buzzfeed passiert, was mit Facebook in dem Film The Social Network geschah: die Hollywood-Verfilmung einer Erfolgsgeschichte aus dem Internet. Zach Braff würde sich optisch anbieten, um die Rolle des jungen Manns auszufüllen, der keinen Zweifel daran hat, dass Buzzfeed den Facebook-Effekt auf Nachrichtenmedien übertragen wird: Peretti sieht dem in Deutschland aus Scrubs bekannten Braff erstaunlich ähnlich - auch wenn er eher das Gegenteil des jungen Assistenzarztes ist, den Braff in der Comedy-Serie spielt.
Ein Beispiel für eine der zahllosen Listen auf der Buzzfeed-Seite
Der 39-jährige Peretti hat seinen beruflichen Erfolg darauf aufgebaut, folgendes zu erforschen: Wie müssen Viren beschaffen sein, damit Menschen sie möglichst leicht weitergeben? Die Rede ist von Trends und Nachrichten, die sich wie Viren im Internet verbreiten sollen; verbreitet nicht mehr nur von Sendern und Zeitungen, sondern von den vielen Millionen Menschen, die ihre Tage körperlich im Büro und virtuell auf Facebook verbringen. Peretti nennt diese Leserschaft das "bored at work network": junge, in der Arbeit gelangweilte Menschen, die viel Zeit im so genannten sozialen Web verbringen und auf klassischen Nachrichtenseiten meist nur noch dann, wenn Freunde sie durch Hinweise auf Texte dorthin schicken.
Wenn das bei einer Nachricht sehr oft passiert, spricht man in schlechter Übersetzung davon, dass dieser Inhalt "viral geht", dass er sich wie ein Schnupfen im Büro durch die virtuelle Welt verbreitet. Diese Verweiskultur von Facebook und Twitter ist der Gegenentwurf zur Suchkultur von Google: Das, was dich interessiert, wird dich auch finden.
Peretti, der zu den Gründern der Huffington Post zählte, hat Buzzfeed konsequent auf diese neue digitale Kultur ausgerichtet - und er scheint damit Erfolg zu haben. Das zumindest schrieb er dieser Tage in einer Art Pressemitteilung, die er, ganz zum Stil von Buzzfeed passend, als interne Mitarbeitermail auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn öffentlich machte: "damit auch künftige Mitarbeiter sie lesen können". Darin berichtet er in einem für die Medienbranche ungewöhnlichen Optimismus von rasant steigender Reichweite für Buzzfeed und von schnell wachsenden Werbeerlösen. Vier Jahre nach ihrem Start sei die Seite erstmals profitabel. Deshalb wolle er Buzzfeed nun innerhalb eines Jahres zu einer der größten Seiten im Internet ausbauen, das heißt, das Angebot muss in jedem Fall größer werden als New York Times oder Guardian. Dafür werde Buzzfeed seine Strategie fortsetzen, die talentiertesten Reporter und Autoren aus der ganzen Welt einzustellen.
In Zeiten von Stellenabbau und Sparmaßnahmen klingt das für Journalisten spannend und beunruhigend zugleich. Denn für Peretti bedeutet digitaler Journalismus mehr als eine Facebookfanseite einzurichten. Er erwartet eine andere Art des Denkens: Bisher haben Journalisten ihre Zeit in die Herstellung von Inhalten investiert, im Zeitalter von Social Media sei das nur die eine Hälfte journalistischen Arbeitens. "Mindestens fünfzig Prozent der Arbeitszeit muss man heute darauf verwenden, diesen Inhalt auch über den richtigen Kanal an die Leser zu bringen." Wenn er davon auf Kongressen wie dem Mediengipfel des britischen Guardian im Frühjahr in London erzählt, lacht das Publikum. Peretti zeigt dann Meldungen, die auch in klassischen Medien stehen könnten, neben Bildern von süßen Tierbabys.
Diese Verbindung, die auf Buzzfeed alltäglich ist, lässt die Zuhörer schmunzeln, sie halten das nicht für seriösen Journalismus. Für Peretti ist diese Kombination die unumstößliche Realität der sozialen Medien. Im Nachrichtenstrom von Facebook läuft dieser "emotionale Inhalt", wie Peretti die Tierfotos nennt, direkt neben dem "informierenden Inhalt", für den sich Journalisten bisher einzig zuständig sahen. "Es gibt Journalisten, die mir sagen, dafür haben sie keine Journalistenschule besucht, um sich mit Tierbildern zu befassen", erzählt er und sagt: "Das ist aber heute Journalismus." Es gibt auch bekannte Journalisten, die Perettis Meinung teilen.
Lisa Tozzi hatte dreizehn Jahre in wichtiger Position für die New York Times gearbeitet, bevor sie im Frühjahr zu Buzzfeed wechselte. Miriam Elder war Moskau-Korrespondentin beim Guardian, sie arbeitet jetzt daran, ein Netz an Auslandkorrespondenten für Buzzfeed aufzubauen. Es sind gestandene Journalisten, die Peretti zu Buzzfeed holt. Er plant ein Investigativressort, widmet sich so genannten Longreads, langen Lesestücken, von denen es immer hieß, sie würden im Netz nicht gelesen.
Perettis Botschaft ist klar: Wir erleben gerade die nächste Stufe des so genannten sozialen Web. Wer die Menschen erreichen wolle, die mit Facebook und Twitter und vor allem Tumblr sozialisiert wurden, muss deren Kultur verstehen - und Geschichten auf ihre Art erzählen.
Die Außenpolitik-Expertin Miriam Elder legte die Grundlagen des Syrien-Konflikts in dieser Woche in 55 Bildern dar - und bewies damit: Diese Form der "Listicles" genannten Artikel-Listen kann man nicht nur für lustige Katzenbilder nutzen, sie können auch im Politikjournalismus Verwendung finden. Buzzfeed ist mit diesem Ansatz nicht allein. Der Buchautor Eli Pariser (Filter Bubble) verfolgt seit Kurzem mit dem Portal Upworthy einen vergleichbaren Plan: Er will relevante Inhalte für die Generation derjenigen aufbereiten, die sich nicht suchend, sondern durch Hinweise ihrer Freunde durchs Netz bewegen.
Upworthy wie Buzzfeed zeigen ein erstaunliches Wachstum - und dass dies auch ein erstaunliches Geschäftsmodell nach sich zieht, ist für Peretti logisch. Er meint, eine weltweite Nutzerschaft für diese neue Form des Journalismus erkannt zu haben und will diese nun bedienen - übrigens anders als bei der Huffington Post nicht durch weitere lokale Ableger. Einer deutschen Ausgabe von Buzzfeed, von der hierzulande mancher träumt, erteilte Peretti in der Mitarbeiter-Pressemitteilung eine Absage.