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Gegen den Wind

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Das Team New Zealand nähert sich dem Gewinn des America"s Cup: Der Herausforderer segelt dem Pokalverteidiger aus den USA scheinbar nach Belieben davon

Jimmy Spithill wirkte ratlos und frustriert, nachdem sein favorisiertes Team Oracle in der Finalserie um den America"s Cup am Donnerstag die nächsten beiden Niederlagen gegen das Team New Zealand erlitten hatte. "Beide Mannschaften haben eine Menge Zeit und Energie auf den Bau der Boote verwendet", resümierte Oracle-Skipper Spithill, "es ist ein Schock, was für einen Vorteil die Neuseeländer haben, wenn sie gegen den Wind segeln." Mit 47 Sekunden Vorsprung hatte der Herausforderer das sechste Rennen in der Bucht von San Francisco für sich entschieden, obwohl die Pokalverteidiger aus den USA besser gestartet und bis zur ersten Wendemarke auch vorne waren. 66 Sekunden waren es im siebten Rennen kurz danach, als dem Team New Zealand ein Start-Ziel-Sieg gelang. "Wir sind sehr zufrieden", sagte dessen Skipper Dean Barker, "es ist schön, zwei weitere Punkte zu haben, aber wir machen uns keine Illusionen: Es liegt noch ein weiter Weg vor uns."



Das führende Team New Zealand erreicht die Golden Gate Bridge in San Francisco

So weit ist der Weg gar nicht mehr, wenn man bedenkt, dass diejenige Crew den America"s Cup erhält, die zuerst neun Regatten gewonnen hat: Das Team New Zealand führt mit 6:-1 Punkten; der Minuspunkt der Amerikaner rührt her von einer Strafe, welche sie wegen Manipulationen bei der vorgeschalteten World Series für das Finale aufgebrummt bekommen hatten. Oracle braucht deshalb also noch zehn Siege, Team New Zealand hingegen nur drei - im günstigsten Fall könnte das Rennen um die älteste Trophäe des internationalen Sportgeschehens schon an diesem Wochenende entschieden sein; für Samstag und Sonntag sind jeweils zwei weitere Wettfahrten angesetzt.

"Das Rennen ist noch lange nicht vorbei", beharrt Barker, 41, "es wird harte Arbeit, noch dreimal zu gewinnen. An einem schlechten Tag da draußen kann sich das Momentum ändern, und die Dinge sehen wieder ganz anders aus." Dass sich das Momentum schlagartig ändert, der Schwung, von dem die Sportler so gern reden, glauben indes nur wenige. Jimmy Spithill, der aus Australien angeheuerte Chef des US-Teams, hat ja schon alles Mögliche versucht, um seinen Groß-Katamaran in Schwung zu bringen. Am Dienstag, nach der vierten Niederlage im fünften Vergleich, machte er von seinem Recht Gebrauch, eine Wettfahrt zu verschieben. Er wolle sein Team "neu formieren", erklärte der 34-Jährige, der Oracle vor drei Jahren als jüngster Skipper der America"s-Cup-Geschichte zum Erfolg dirigiert hatte. Was er damit meinte, zeigte sich am Donnerstag: Da ersetzte er seinen bisherigen Taktiker John Kostecki (USA), der schon 2010 mit an Bord war, durch den viermaligen Olympiasieger Ben Ainslie aus Großbritannien. Ohne Erfolg, der Joker stach nicht.

Die Unterlegenheit des Cup-Verteidigers verblüfft selbst Experten. Das von dem Software-Milliardär Larry Ellison großzügig finanzierte Team hatte ja vermeintlich alle Vorteile auf seiner Seite. Es verfügt über mehr Geld und mehr Personal (202 zu 132, inklusive aller Mitarbeiter an Land), es durfte das Segel-Revier aussuchen und die Bootsklasse bestimmen. Mit den eigens für den diesjährigen America"s Cup konzipierten AC72-Katamaranen - 26Meter lang, 14 Meter breit, 40 Meter Masthöhe - kommen die Neuseeländer allerdings allem Anschein nach besser zurecht. Ihr Geschwindigkeitsrekord steht bei 45 Knoten, etwas mehr als 80 km/h. Da kann Oracle nicht mithalten.

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