Großeltern waren noch nie so wichtig wie heute. Anthropologisch gesehen sind sie eine Innovation.
Killerwale haben Großmütter. Vielleicht auch einige Arten Afrikanischer Elefanten. Und sonst? Nein, sonst gibt es das im Tierreich nicht. Da leben Weibchen nicht mehr lange, sobald sie unfruchtbar geworden sind. Welchen Sinn hätte das auch? Es kostet jede Gemeinschaft nur Mühe und Aufwand, Mitglieder zu unterstützen, die keine Nachkommen mehr produzieren. Dass es dennoch vorkommt, bei Walen, Dickhäutern und bekanntermaßen auch beim Menschen, ist evolutionstheoretisch ein Paradox.
Die Frage also lautet: Warum gibt es Omas?
Eine mögliche Antwort formulierte bereits vor Jahrzehnten der 2010 verstorbene Evolutionsbiologe George Williams von der State University of New York. Er verwies darauf, dass es bei der evolutionären Fitness nicht nur darum gehe, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, sondern dass diese auch mindestens bis zur Geschlechtsreife überleben müssen. Könnte es daher nicht sein, dass Oma unter dem Strich genpoolmäßig besser fährt, wenn sie sich um die Enkel kümmert statt bis zum Lebensende Kinder zu gebären, deren Fortkommen ungewiss ist? Diese Annahme ist als sogenannte Großmutter-Hypothese bekannt geworden und wird bis heute ernsthaft diskutiert.
Der kleinste Nenner in dieser Auseinandersetzung ist wohl die Einsicht, dass auch vermeintlich gottgegebene Beziehungen zwischen Oma-Opa-Eltern-Kind eine Natur- und erst recht eine Kulturgeschichte haben. Und die Geschichte der Großmutter begann nach Ansicht einiger Forscher vermutlich erst irgendwann im Jungpaläolithikum, am Ende der Altsteinzeit.
Großeltern als Regelfall in der Menschheitsgeschichte dürften eine "ziemlich junge Erscheinung sein, kaum älter als einige Zehntausend Jahre", schrieb die Paläoanthropologin Rachel Caspari von der Central Michigan University 2011 im Fachmagazin Scientific American. Alle fossilen Knochenfunde deuteten nämlich darauf hin, dass die Menschen über lange Zeiten gar nicht alt genug wurden, um noch viel von ihren Enkeln mitzubekommen, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Frauen damals mangels Verhütungsmethoden schon sehr bald nach Erreichen der Geschlechtsreife das erste Mal schwanger wurden. Egal, ob man die hinterlassenen Zähne von drei bis 1,5 Millionen Jahre alten Vormenschen in Ost- und Südafrika analysiert, oder diejenigen von frühen Vertretern der Gattung Homo in Afrika, Asien und Europa oder von europäischen Neandertalern vor 130 000 bis 30 000 Jahren: Kaum einer von ihnen wurde auch nur 30 Jahre alt.
Doch dann, bei den anatomisch modernen Menschen der frühen jüngeren Altsteinzeit in Europa, so vor 20- bis 30 000 Jahren muss sich etwas getan haben: Plötzlich gab es fünfmal mehr Menschen, die im für damalige Verhältnisse hohen Alter von mehr als 30 Jahren starben. "Auf zehn "jung" Gestorbene kamen nun gleich 20 potenzielle Großeltern", erläutert Caspari.
Die Wissenschaftlerin vermutet nun aufgrund verschiedener Indizien, dass diese steigende Lebenserwartung zumindest am Anfang dem kulturellen Fortschritt jener Epoche zu verdanken ist. Für diesen gibt es viele Belege, erste Kunstwerke etwa und neue Werkzeuge. Doch damit wurde ein neuer Regelkreis in Gang gesetzt. "Unzweifelhaft wirkte sich (...) das Vorhandensein von mehr Älteren seinerseits auch günstig auf die Lebensumstände aus", erläutert Caspari. Vermutlich haben die Großeltern ihre erwachsenen Nachkommen nach Kräften unterstützt. Das habe diesen wiederum erlaubt, mehr Nachwuchs in die Welt zu setzen. Zugleich stiegen die Überlebenschancen der Enkel. Die Population wuchs, auch auf Kosten etwa der Neandertaler. Und die Gene verbreiteten sich.
Womit schon mal die Großmutter-Hypothese bestätigt wäre.
Und noch viel mehr hätten die Großeltern geleistet, spekuliert Caspari. Vermutlich hätten die Omas und Opas der Altsteinzeit mit ihrer Lebenserfahrung und -weisheit wesentlich dazu beigetragen, dass die neuen kulturellen Innovationen auch tradiert und weiter unter den Menschen verbreitet wurden. Es fand - so resümiert Caspari - ein "Kultursprung durch Großeltern" statt.
So lautet die schöne und sicherlich auch ein wenig kühne Geschichte vom Ursprung der Großeltern in der Altsteinzeit und ihren guten Folgen für die Evolution. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass es in den folgenden Jahrtausenden bruchlos so weiterging und die Menschen seitdem in liebevollen Drei-Generationen-Haushalten lebten, nur dass sie halt irgendwann von der Höhle in die Hütte umzogen.
Vor allem neuzeitliche Familienhistoriker geben sich da eher skeptisch. "Vor 300 Jahren hätte man sich gewundert über die heutige innige Großeltern-Enkelkind-Beziehung", sagte etwa der österreichische Familienhistoriker Erhard Chvojka von der Universität Wien vor Kurzem in einem Interview. "Das ist nicht in uns drinnen. Das sind historisch gewachsene, kulturelle Normen, die von den Menschen selbst gestaltet werden."
In seinen Forschungen zur Geschichte der Großelternrolle seit dem 16. Jahrhundert kam Chvojka zu dem Ergebnis, dass die Idee vom glücklichen und heimeligen Nebeneinander dreier Generationen unter einem Dach eher eine romantisierende Projektion in die Vergangenheit ist. In der vorindustriellen Gesellschaft Mittel- und Westeuropas hätten die Enkel kaum eine enge Verbindung zu Omas und Opas aufbauen können, soweit diese denn überhaupt noch lebten. Schließlich war die durchschnittliche Lebenserwartung damals auch noch nicht sonderlich hoch, zugleich bekam man die Kinder nicht mehr in so jungen Jahren wie vermutlich in der Steinzeit. Früh verließen damals die Kinder ihr Elternhaus, um sich als Lehrling, Knecht oder Magd zu verdingen. Autos und Eisenbahnen zum schnellen Besuch am Wochenende gab es noch nicht.
Relativiert wurde mittlerweile auch die Annahme, wonach insbesondere die Großmütter immer nur einen positiven Einfluss auf ihre Enkel nehmen. Berühmt-berüchtigt wurde etwa eine Studie, die Jan Beise vom Max-Plank-Institut für demografische Forschung in Rostock und der Biophilosoph Eckart Voland von der Universität Gießen im Jahr 2002 vorstellten. Sie konnten anhand von Kirchenbüchern aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus der ostfriesischen Region Krummhörn nachweisen, dass nur die Großmütter mütterlicherseits den Enkeln beim Überleben halfen. Lebte hingegen die Mutter des Vaters am selben Ort, stieg das Sterberisiko des Babys sogar. Die einfachste Erklärung dafür ist wiederum diejenige der Soziobiologie: Nur beim Kind der Tochter kann eine Großmutter wirklich sicher sein, dass es ihre Gene in sich trägt. Der Sohn hingegen könnte ja von seiner Ehefrau betrogen worden sein. Es wäre die biologische Erklärung für die Legende von der bösen Schwiegermutter.
"Wohlgemerkt sind dies Durchschnittszahlen aus Tausenden von Familien und die Verschiebungen der Prozentwerte sind klein", warnen Beise und Voland. Frauen sollten deshalb nicht gleich ihrer Schwiegermutter düstere Absichten unterstellen, aber vielleicht erklärt sich so zum Teil, wieso anderen Studien zufolge das Verhältnis zwischen Schwiegertochter und -mutter tatsächlich recht häufig schwierig ist.
Einig sind sich immerhin die meisten wissenschaftlichen Beobachter, dass vermutlich erst im laufenden 21. Jahrhundert die Beziehungen zwischen den Generationen so richtig gut wurden. In Deutschland betreut jedes zweite Großelternpaar die Enkel zumindest sporadisch, berichtet das Deutsche Zentrum für Altersfragen, häufiger als in den meisten anderen Ländern Europas. Und noch nie, so berichten Studien, waren Oma und Opa emotional so wichtig für die Enkel wie in der Gegenwart.
Die Bedingungen sind ja auch bestens: Die Menschen werden älter denn je und bleiben dabei länger körperlich und psychisch gesund. Viele Senioren können es sich erlauben, frühzeitig die Arbeitslast zu reduzieren und sie verfügen über genug Zeit und Geld, um die Enkel zu verwöhnen. Die 60- bis 70-Jährigen transferieren ihren Kindern und Enkeln im Durchschnitt 4000 Euro mehr pro Jahr, als sie von diesen erhalten, berichtet der Soziologe Martin Kohli vom European University Institute in San Domenico die Fiesole aufgrund von Erkenntnissen aus dem Survey of Health, Aging and Retirement in Europe.
Weitgehend vorbei sind nach Aussagen von Familienforschern auch die Zeiten, da sich die Großeltern massiv in die Erziehung einmischten, womöglich noch als Vertreter einer dunkleren Pädagogik. Oma und Opa müssen nicht erziehen, sondern dürfen verwöhnen und bedingungslos akzeptieren. Wohl deshalb schwärmen Kinder von ihren Großeltern. Sie gelten heute häufig noch in der Pubertät als wichtigste Bezugsperson für die Kinder, etwa wenn es Stress mit den Eltern gibt; sie geben Stabilität, wenn es zu Trennungen kommt. Und noch etwas Neues verstärkt sich in diesen Zeiten der sozialen Beschleunigung: Auch die Kompetenzen der Enkel gewinnen an Bedeutung; sie erklären Omi und Opa, wie das iPad funktioniert.
Eine Win-win-Situation also, fast so wie in der Altsteinzeit?
Nicht ganz. Vorbei sind nämlich auch die Zeiten, in denen Dutzende Enkel auf den Familienfesten herumtobten. Wenn sich Mann und Frau aus Einkindfamilien zusammentun und wieder nur ein Kind kriegen, müssen sich vier Großeltern einen Enkel teilen. Und manchmal bleibt der Nachwuchs ganz aus. Immerhin bieten zuständige Stellen bereits Trauerseminare für ungewollte Enkellosigkeit an.
Killerwale haben Großmütter. Vielleicht auch einige Arten Afrikanischer Elefanten. Und sonst? Nein, sonst gibt es das im Tierreich nicht. Da leben Weibchen nicht mehr lange, sobald sie unfruchtbar geworden sind. Welchen Sinn hätte das auch? Es kostet jede Gemeinschaft nur Mühe und Aufwand, Mitglieder zu unterstützen, die keine Nachkommen mehr produzieren. Dass es dennoch vorkommt, bei Walen, Dickhäutern und bekanntermaßen auch beim Menschen, ist evolutionstheoretisch ein Paradox.
Die Frage also lautet: Warum gibt es Omas?
Eine mögliche Antwort formulierte bereits vor Jahrzehnten der 2010 verstorbene Evolutionsbiologe George Williams von der State University of New York. Er verwies darauf, dass es bei der evolutionären Fitness nicht nur darum gehe, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, sondern dass diese auch mindestens bis zur Geschlechtsreife überleben müssen. Könnte es daher nicht sein, dass Oma unter dem Strich genpoolmäßig besser fährt, wenn sie sich um die Enkel kümmert statt bis zum Lebensende Kinder zu gebären, deren Fortkommen ungewiss ist? Diese Annahme ist als sogenannte Großmutter-Hypothese bekannt geworden und wird bis heute ernsthaft diskutiert.
Der kleinste Nenner in dieser Auseinandersetzung ist wohl die Einsicht, dass auch vermeintlich gottgegebene Beziehungen zwischen Oma-Opa-Eltern-Kind eine Natur- und erst recht eine Kulturgeschichte haben. Und die Geschichte der Großmutter begann nach Ansicht einiger Forscher vermutlich erst irgendwann im Jungpaläolithikum, am Ende der Altsteinzeit.
Großeltern als Regelfall in der Menschheitsgeschichte dürften eine "ziemlich junge Erscheinung sein, kaum älter als einige Zehntausend Jahre", schrieb die Paläoanthropologin Rachel Caspari von der Central Michigan University 2011 im Fachmagazin Scientific American. Alle fossilen Knochenfunde deuteten nämlich darauf hin, dass die Menschen über lange Zeiten gar nicht alt genug wurden, um noch viel von ihren Enkeln mitzubekommen, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Frauen damals mangels Verhütungsmethoden schon sehr bald nach Erreichen der Geschlechtsreife das erste Mal schwanger wurden. Egal, ob man die hinterlassenen Zähne von drei bis 1,5 Millionen Jahre alten Vormenschen in Ost- und Südafrika analysiert, oder diejenigen von frühen Vertretern der Gattung Homo in Afrika, Asien und Europa oder von europäischen Neandertalern vor 130 000 bis 30 000 Jahren: Kaum einer von ihnen wurde auch nur 30 Jahre alt.
Doch dann, bei den anatomisch modernen Menschen der frühen jüngeren Altsteinzeit in Europa, so vor 20- bis 30 000 Jahren muss sich etwas getan haben: Plötzlich gab es fünfmal mehr Menschen, die im für damalige Verhältnisse hohen Alter von mehr als 30 Jahren starben. "Auf zehn "jung" Gestorbene kamen nun gleich 20 potenzielle Großeltern", erläutert Caspari.
Die Wissenschaftlerin vermutet nun aufgrund verschiedener Indizien, dass diese steigende Lebenserwartung zumindest am Anfang dem kulturellen Fortschritt jener Epoche zu verdanken ist. Für diesen gibt es viele Belege, erste Kunstwerke etwa und neue Werkzeuge. Doch damit wurde ein neuer Regelkreis in Gang gesetzt. "Unzweifelhaft wirkte sich (...) das Vorhandensein von mehr Älteren seinerseits auch günstig auf die Lebensumstände aus", erläutert Caspari. Vermutlich haben die Großeltern ihre erwachsenen Nachkommen nach Kräften unterstützt. Das habe diesen wiederum erlaubt, mehr Nachwuchs in die Welt zu setzen. Zugleich stiegen die Überlebenschancen der Enkel. Die Population wuchs, auch auf Kosten etwa der Neandertaler. Und die Gene verbreiteten sich.
Womit schon mal die Großmutter-Hypothese bestätigt wäre.
Und noch viel mehr hätten die Großeltern geleistet, spekuliert Caspari. Vermutlich hätten die Omas und Opas der Altsteinzeit mit ihrer Lebenserfahrung und -weisheit wesentlich dazu beigetragen, dass die neuen kulturellen Innovationen auch tradiert und weiter unter den Menschen verbreitet wurden. Es fand - so resümiert Caspari - ein "Kultursprung durch Großeltern" statt.
So lautet die schöne und sicherlich auch ein wenig kühne Geschichte vom Ursprung der Großeltern in der Altsteinzeit und ihren guten Folgen für die Evolution. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass es in den folgenden Jahrtausenden bruchlos so weiterging und die Menschen seitdem in liebevollen Drei-Generationen-Haushalten lebten, nur dass sie halt irgendwann von der Höhle in die Hütte umzogen.
Vor allem neuzeitliche Familienhistoriker geben sich da eher skeptisch. "Vor 300 Jahren hätte man sich gewundert über die heutige innige Großeltern-Enkelkind-Beziehung", sagte etwa der österreichische Familienhistoriker Erhard Chvojka von der Universität Wien vor Kurzem in einem Interview. "Das ist nicht in uns drinnen. Das sind historisch gewachsene, kulturelle Normen, die von den Menschen selbst gestaltet werden."
In seinen Forschungen zur Geschichte der Großelternrolle seit dem 16. Jahrhundert kam Chvojka zu dem Ergebnis, dass die Idee vom glücklichen und heimeligen Nebeneinander dreier Generationen unter einem Dach eher eine romantisierende Projektion in die Vergangenheit ist. In der vorindustriellen Gesellschaft Mittel- und Westeuropas hätten die Enkel kaum eine enge Verbindung zu Omas und Opas aufbauen können, soweit diese denn überhaupt noch lebten. Schließlich war die durchschnittliche Lebenserwartung damals auch noch nicht sonderlich hoch, zugleich bekam man die Kinder nicht mehr in so jungen Jahren wie vermutlich in der Steinzeit. Früh verließen damals die Kinder ihr Elternhaus, um sich als Lehrling, Knecht oder Magd zu verdingen. Autos und Eisenbahnen zum schnellen Besuch am Wochenende gab es noch nicht.
Relativiert wurde mittlerweile auch die Annahme, wonach insbesondere die Großmütter immer nur einen positiven Einfluss auf ihre Enkel nehmen. Berühmt-berüchtigt wurde etwa eine Studie, die Jan Beise vom Max-Plank-Institut für demografische Forschung in Rostock und der Biophilosoph Eckart Voland von der Universität Gießen im Jahr 2002 vorstellten. Sie konnten anhand von Kirchenbüchern aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus der ostfriesischen Region Krummhörn nachweisen, dass nur die Großmütter mütterlicherseits den Enkeln beim Überleben halfen. Lebte hingegen die Mutter des Vaters am selben Ort, stieg das Sterberisiko des Babys sogar. Die einfachste Erklärung dafür ist wiederum diejenige der Soziobiologie: Nur beim Kind der Tochter kann eine Großmutter wirklich sicher sein, dass es ihre Gene in sich trägt. Der Sohn hingegen könnte ja von seiner Ehefrau betrogen worden sein. Es wäre die biologische Erklärung für die Legende von der bösen Schwiegermutter.
"Wohlgemerkt sind dies Durchschnittszahlen aus Tausenden von Familien und die Verschiebungen der Prozentwerte sind klein", warnen Beise und Voland. Frauen sollten deshalb nicht gleich ihrer Schwiegermutter düstere Absichten unterstellen, aber vielleicht erklärt sich so zum Teil, wieso anderen Studien zufolge das Verhältnis zwischen Schwiegertochter und -mutter tatsächlich recht häufig schwierig ist.
Einig sind sich immerhin die meisten wissenschaftlichen Beobachter, dass vermutlich erst im laufenden 21. Jahrhundert die Beziehungen zwischen den Generationen so richtig gut wurden. In Deutschland betreut jedes zweite Großelternpaar die Enkel zumindest sporadisch, berichtet das Deutsche Zentrum für Altersfragen, häufiger als in den meisten anderen Ländern Europas. Und noch nie, so berichten Studien, waren Oma und Opa emotional so wichtig für die Enkel wie in der Gegenwart.
Die Bedingungen sind ja auch bestens: Die Menschen werden älter denn je und bleiben dabei länger körperlich und psychisch gesund. Viele Senioren können es sich erlauben, frühzeitig die Arbeitslast zu reduzieren und sie verfügen über genug Zeit und Geld, um die Enkel zu verwöhnen. Die 60- bis 70-Jährigen transferieren ihren Kindern und Enkeln im Durchschnitt 4000 Euro mehr pro Jahr, als sie von diesen erhalten, berichtet der Soziologe Martin Kohli vom European University Institute in San Domenico die Fiesole aufgrund von Erkenntnissen aus dem Survey of Health, Aging and Retirement in Europe.
Weitgehend vorbei sind nach Aussagen von Familienforschern auch die Zeiten, da sich die Großeltern massiv in die Erziehung einmischten, womöglich noch als Vertreter einer dunkleren Pädagogik. Oma und Opa müssen nicht erziehen, sondern dürfen verwöhnen und bedingungslos akzeptieren. Wohl deshalb schwärmen Kinder von ihren Großeltern. Sie gelten heute häufig noch in der Pubertät als wichtigste Bezugsperson für die Kinder, etwa wenn es Stress mit den Eltern gibt; sie geben Stabilität, wenn es zu Trennungen kommt. Und noch etwas Neues verstärkt sich in diesen Zeiten der sozialen Beschleunigung: Auch die Kompetenzen der Enkel gewinnen an Bedeutung; sie erklären Omi und Opa, wie das iPad funktioniert.
Eine Win-win-Situation also, fast so wie in der Altsteinzeit?
Nicht ganz. Vorbei sind nämlich auch die Zeiten, in denen Dutzende Enkel auf den Familienfesten herumtobten. Wenn sich Mann und Frau aus Einkindfamilien zusammentun und wieder nur ein Kind kriegen, müssen sich vier Großeltern einen Enkel teilen. Und manchmal bleibt der Nachwuchs ganz aus. Immerhin bieten zuständige Stellen bereits Trauerseminare für ungewollte Enkellosigkeit an.