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Der erste Phantastilliardär

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Geld macht nicht glücklich? Dagobert Duck sitzt auf seinem Goldhaufen und lacht jeden aus, der so redet. Vereint mit seinen Talern ist er wunschlos


Im Moment wird er im Wirtschaftsmagazin Forbes als 65-facher Milliardär notiert, Tendenz selbstverständlich steigend. Daneben sieht Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seinen lächerlichen 25 Milliarden wie ein Kleinsparer aus. Zum Glück für Bezos, Gates, Buffett und die anderen aktuellen Krösusse führt Dagobert Duck nur die Liste der "15 reichsten fiktiven Gestalten" an, aber auch da steht er weit vor Long John Silver und selbst vor dem unermesslich reichen Drachen Smaug aus dem "Kleinen Hobbit".

Dagobert Duck widerspricht in eigener Leibesgestalt der billigen Mahnung, dass Geld allein nicht glücklich mache; es muss schon sehr viel Geld sein. Millionen genügen nicht, auch keine Milliarden, es müssen speziell angefertigte Phantastilliarden sein. Die abenteuerlichsten Legenden ranken sich um seinen schamlosen Reichtum: Er habe seinen ersten Glückstaler einfach aufs wundersamste, nämlich im beständigen Handumdrehen, vermehrt; er habe sein Glück nach alter Weise in Alaska, droben am Yukon, als Goldwäscher gemacht; er habe schlicht einen infinitesimal großen Schatz gefunden, geraubt, umquartiert in seinen Geldspeicher.





Das alles spielt aber keine Rolle. Dagobert ist die Verkörperung nicht nur des Geizes, sondern er ist Geld in seiner reinsten, kindischsten Form: skrupellos, ohne Gedanken an Kaiser und Vaterland, geschweige denn an die bedauernswerten Entenhausener, die nicht wissen, wie ausgerechnet ihm und nicht uns das geschehen konnte.

Noch älter ist die Legende, die sich einst der englische Schriftsteller Charles Dickens ausdachte und 1843 veröffentlichte. Er nannte sie "Eine Weihnachtsgeschichte" und predigte damit seinen zahlreichen Lesern gehörig in die stade Zeit. Handelte sie doch von einem alten Geizkragen, dem erst der Geist eines verstorbenen und ebenso pfennigfuchsenden Mitarbeiters erscheinen musste, damit ihm endlich das Gewissen schlug und er - Weihnachten und Friede auf Erden allen Menschen guten Willens! - von seinem Geiz geheilt war. Ebenezer Scrooge hieß der Ausbeuter, und nach ihm nannte der Zeichner Carl Barks seinen Finanzhai, Scrooge McDuck, den die Übersetzerin Erika Fuchs dann zu dem nur in Deutschland bekannten Dagobert Duck formte.

Dagobert ist aber nicht von seinem Geiz zu heilen, denn er ist unheilbar gesund, wie sein Erfolg, also sein Geldspeicher und die chronische Klammheit von Neffe Donald, immer aufs Neue beweist. Seine Finanzstrategie widerspricht allen Ratschlägen von Analysten und Anlageberatern. Das Geld in der Tasche will seit je raus aus dieser Tasche, will, wie der Taler im frohen Liede, wandern von dem einen zu dem anderen, aber dieser mitleidlose (C. Dickens), anal fixierte (S. Freud), stinkstiefelige (D. Duck) Erpel sitzt einfach drauf auf seinem Haufen und lacht die Neider aus.

Bei Karl Marx, dem alten Miesepeter, der allerdings auch nie genug davon hatte, heißt es vom Kapital, dass es "von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend, zur Welt kommt", bei Carl Barks ist eine erneuerbare Energie daraus geworden. Geld ist Dagoberts Jungbrunnen. Wie Martin Walser im Bodensee, so badet er jeden Morgen in seinem Geldspeicher. Mit diesen Hechtsprüngen durchs Edelmetall erfüllt die Ente den Traum, dass sich das ewige Geldscheffeln endlich auch spirituell ummünzen ließe, nämlich in immerwährende Ferien auf der eigenen Großyacht mit 20 Kilometer langem vergissmeinnichtblauen Pool unter einem ebensolchen Himmel. Was Dickens einst als reines Elend dargestellt hat, der einsame Tod, der dem Geizhals bevorsteht, und wovor er ihn mit der weihnachtsgerechten Schnulze aufgelöst hat, könnte seinem Nachfolger im Comic niemals passieren: Dieser ist wunschlos glücklich, wenn er die Unio mystica mit seinen Talern feiert.

Im richtigen Leben erwarteten einen am Beckenrand karibische Bacardi-Schönheiten, in jeder Hand einen noch exotischeren Cocktail kredenzend. Das geht vielleicht in bürgerlichen Kreisen, wo man ein Leben lang auf eine Kreuzfahrt spart, aber doch nicht bei den Ducks: Im calvinistischen Imperium des ewigen Geldverdienenmüssens ist nicht einmal eine Ehefrau vorgesehen. Für einen Satz wie "Schatz, wie war dein Tag?" wäre auch kein Platz. Dennoch könnte ihm niemand vorwerfen, dass er gefühllos wäre. Dagobert die Ente vermag wirklich zu lieben; sein Geld jedenfalls liebt er mehr als die meisten ihre Frau. In Entenhausen, wo sich die Welt tatsächlich nur ums Geld dreht, sind solche störenden Beziehungen ohnehin nicht vorgesehen. Alle leben nicht in einem prä-, sondern in einem postsexuellen Paradies. Sentimentalität, die nicht dem Geld gewidmet ist, wäre reine Verschwendung.

Und die fürchtet Dagobert wie der Teufel das Weihwasser. Ständig droht ihm der Verlust seines Vermögens. Die Panzerkna-cker sind hartnäckig hinter seiner Kohle her, Mac Moneysac will ihm den Rang als reichste Mannmenschente der Welt streitig machen, der dämliche Neffe Donald; natürlich auch Düsentrieb mit seinen irrsinnigen Erfindungen, die vielleicht einmal Geld bringen, aber eher doch nie.

So ist er zum Abgott des Reichtums, aber auch zum Sklaven des Geldverdienens geworden. Selbst sein harmloses Hobby, das erfrischende Schwimmen im Geld, wirkt dann nicht mehr anders der tägliche Gang in den Kraftraum, der für das brutale Geschäft des Geldscheffelns stählen soll. So ist Dagobert auch zum Vorbild der von Douglas Coupland beschriebene microserfs im wirtschaftswunderlichen Silicon Valley geworden, eine zwischen traurig und lächerlich changierende Gestalt, die vom guten alten Kapital, dem mit redlicher Ausbeutung erworbenen Reichtum nur noch den Zylinder behalten hat.

Längst droht eine Gefahr, mit der verglichen selbst der versammelte Neid dieser und der Entenhauser Welt harmlos wirkt. Seit einiger Zeit taucht der Goldpreis nicht mehr, sondern er stürzt, stürzt ins Bodenlose. Während wir Kleinsparer ungläubig in unsere zinslosen Bücher starren, muss Dagobert davor zittern, dass sein Geldspeicher durch den Wertverfall seiner verlässlichsten Anlagen bald komplett drainiert ist. Nichts ist trostloser als ein leeres Schwimmbecken, hat Raymond Chandler gesagt. Er ahnte ja nicht, wie traurig ein leerer Geldspeicher macht.

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