In der Lausitz will der Energiekonzern Vattenfall seinen Tagebau erweitern. Ganze Orte müssen weichen. Nun wächst der Protest
Die Aktivisten kamen im Morgengrauen, und sie brachten gleich eine Feldküche mit. Unbemerkt von Vattenfall setzten sie Betonquader auf die Braunkohlebahn, stülpten Stahlbehälter darüber und ketteten sich darin fest. Eine Schlagader des ostdeutschen Vattenfall-Konzerns - einfach stillgelegt, von 40 Greenpeace-Aktivisten. Eine Handvoll davon sogar aus Schweden, dem Heimatland des Konzerns.
Greenpeace-Aktivisten ketten sich an ein Gleis von Vattenfall in der Lausitz
Es ist die bisher aufsehenerregendste Aktion gegen die Braunkohle in der Lausitz. Der Protest richtet sich gegen die geplante Erweiterung des Braunkohle-Tageabbaus von Vattenfall in Brandenburg. In dem 'Welzow Süd' genannten Areal sollen sich bald riesige Bagger noch weiter durch das Land fressen. Orte wie Proschim oder Lindenfeld könnten in ein paar Jahren von der Landkarte verschwunden sein. 800 Menschen müssen hier umgesiedelt werden. Insgesamt will Vattenfall in Ostdeutschland fünf Tagebaue erweitern und bis zu 3000 Menschen umsiedeln. 'Die fortschreitende Klimazerstörung erlaubt keine neuen Braunkohle-Tagebaue mehr', sagte Greenpeace-Kampagnenleiter Tobias Münchmeyer am Rand der Gleise. 'Die nächste Bundesregierung muss einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 einleiten.'
Parallel übergaben Gegner des neuen Tagebaus in Cottbus insgesamt 112157 Einwendungen gegen den Tagebau - Arbeit satt für die Planungsbehörde. Verschiedene Umweltverbände und Bürgerinitiativen hatten dazu aufgerufen. Jetzt sprechen sie von einer 'historisch hohen Zahl' an Einwendungen - so viele habe es noch nie gegen einen Tagebau gegeben. Derweil sammelte die Initiative 'Pro Lausitz ' noch am Montagabend Unterschriften für den Tagebau- beim Zweitligaduell zwischen Energie Cottbus und dem 1. FC Köln. Schließlich handele es sich dabei um ein 'sportliches Duell der beiden Braunkohlereviere'. Die Frist für Einwendungen läuft an diesem Dienstag aus.
Doch mit der Greenpeace-Blockade erreicht der Protest gegen die Kohleindustrie in Deutschland eine neue Dimension - und bringt den Energiekonzern Vattenfall ernsthaft in Bedrängnis. Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft ist die Braunkohle der Hauptpfeiler der Stromerzeugung für Vattenfall - wenn die Züge denn rollen. Normalerweise werden so täglich Tausende Tonnen Braunkohle zu den nahen Kraftwerksblöcken des Konzerns transportiert. Betroffen seien mit Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg gleich drei Kraftwerke, sagte eine Sprecherin des Konzerns. Sie würden nun provisorisch aus anderen Tagebauen versorgt. Wie lange die Kraftwerke, die auf die nahe Förderung des Rohstoffs angewiesen sind, unter diesen Umständen am Netz bleiben könnten, sei unklar. 'Die Situation ist für uns angespannt', räumte die Sprecherin ein. 'Greenpeace hat die Grenzen des sachlichen Protests überschritten.' Vattenfall will die Umweltorganisation nun anzeigen.
Bei dem Streit geht es nicht zuletzt um viel Geld. Vattenfall will den Tagebau erweitern, um sein wichtiges Kraftwerk Schwarze Pumpe bis 2040 zu beliefern. Denn Kohlestrom ist ausgerechnet im Energiewendeland Deutschland wieder zum guten Geschäft geworden, spätestens seit die Preise für Verschmutzungsrechte eingebrochen sind. Die Schattenseite der Wende: Stein- und Braunkohle erleben eine wahre Renaissance. Sie deckten auch 2012 ein Viertel (24,2 Prozent) des gesamten Energiebedarfs der Bundesrepublik - bei steigender Tendenz. Ihr Anteil an der Stromproduktion lag sogar bei knapp der Hälfte (44,8 Prozent). Die Folge: Der Treibhausgasausstoß in Deutschland steigt nach Jahren des Rückgangs leicht an.
Beispiel Schwarze Pumpe: Das Kraftwerk produziert täglich mehr als 32000Tonnen Kohlendioxid. Das entspreche dem durchschnittlichen CO2-Tagesausstoß von mehr als sieben Millionen Mittelklassewagen oder von sämtlichen zugelassenen Pkws in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, rechnet Greenpeace vor. Mehr noch: Erstmals beteiligen sich nun auch schwedische Umweltaktivisten an den Protesten in der Lausitz. Bei Vattenfall trifft das einen wunden Punkt. Daheim in Schweden steht der Staatskonzern seit Jahren in der Kritik. Die Braunkohle passt nicht in ein klimafreundliches Portfolio. Fünf aktive Tagebaue betreibt Vattenfall noch, bis 2027 läuft die Konzession. Doch Vattenfall will auch danach weiter Kohle fördern, das Genehmigungsverfahren läuft. Kommt Vattenfall durch, heißt das: Förderung bis 2045 - und das Ende sechs weiterer Dörfer. Ob Vattenfall so lange an der Braunkohle festhält, ist hingegen fraglich. Derzeit trifft der Konzern Vorkehrungen für die Abspaltung des Geschäfts, Verkauf nicht ausgeschlossen.
Noch am Montagnachmittag wurde die Feldküche fortgeschafft, angeblich stand sie auf Vattenfall-Grund. Für die Aktivisten auf den Schienen rückte ein Gleisbauzug an, er sollte die Schienen austauschen - und die Blockade so abräumen. Der Protest gegen 'Welzow Süd' aber wird wohl bleiben.
Die Aktivisten kamen im Morgengrauen, und sie brachten gleich eine Feldküche mit. Unbemerkt von Vattenfall setzten sie Betonquader auf die Braunkohlebahn, stülpten Stahlbehälter darüber und ketteten sich darin fest. Eine Schlagader des ostdeutschen Vattenfall-Konzerns - einfach stillgelegt, von 40 Greenpeace-Aktivisten. Eine Handvoll davon sogar aus Schweden, dem Heimatland des Konzerns.
Greenpeace-Aktivisten ketten sich an ein Gleis von Vattenfall in der Lausitz
Es ist die bisher aufsehenerregendste Aktion gegen die Braunkohle in der Lausitz. Der Protest richtet sich gegen die geplante Erweiterung des Braunkohle-Tageabbaus von Vattenfall in Brandenburg. In dem 'Welzow Süd' genannten Areal sollen sich bald riesige Bagger noch weiter durch das Land fressen. Orte wie Proschim oder Lindenfeld könnten in ein paar Jahren von der Landkarte verschwunden sein. 800 Menschen müssen hier umgesiedelt werden. Insgesamt will Vattenfall in Ostdeutschland fünf Tagebaue erweitern und bis zu 3000 Menschen umsiedeln. 'Die fortschreitende Klimazerstörung erlaubt keine neuen Braunkohle-Tagebaue mehr', sagte Greenpeace-Kampagnenleiter Tobias Münchmeyer am Rand der Gleise. 'Die nächste Bundesregierung muss einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 einleiten.'
Parallel übergaben Gegner des neuen Tagebaus in Cottbus insgesamt 112157 Einwendungen gegen den Tagebau - Arbeit satt für die Planungsbehörde. Verschiedene Umweltverbände und Bürgerinitiativen hatten dazu aufgerufen. Jetzt sprechen sie von einer 'historisch hohen Zahl' an Einwendungen - so viele habe es noch nie gegen einen Tagebau gegeben. Derweil sammelte die Initiative 'Pro Lausitz ' noch am Montagabend Unterschriften für den Tagebau- beim Zweitligaduell zwischen Energie Cottbus und dem 1. FC Köln. Schließlich handele es sich dabei um ein 'sportliches Duell der beiden Braunkohlereviere'. Die Frist für Einwendungen läuft an diesem Dienstag aus.
Doch mit der Greenpeace-Blockade erreicht der Protest gegen die Kohleindustrie in Deutschland eine neue Dimension - und bringt den Energiekonzern Vattenfall ernsthaft in Bedrängnis. Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft ist die Braunkohle der Hauptpfeiler der Stromerzeugung für Vattenfall - wenn die Züge denn rollen. Normalerweise werden so täglich Tausende Tonnen Braunkohle zu den nahen Kraftwerksblöcken des Konzerns transportiert. Betroffen seien mit Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg gleich drei Kraftwerke, sagte eine Sprecherin des Konzerns. Sie würden nun provisorisch aus anderen Tagebauen versorgt. Wie lange die Kraftwerke, die auf die nahe Förderung des Rohstoffs angewiesen sind, unter diesen Umständen am Netz bleiben könnten, sei unklar. 'Die Situation ist für uns angespannt', räumte die Sprecherin ein. 'Greenpeace hat die Grenzen des sachlichen Protests überschritten.' Vattenfall will die Umweltorganisation nun anzeigen.
Bei dem Streit geht es nicht zuletzt um viel Geld. Vattenfall will den Tagebau erweitern, um sein wichtiges Kraftwerk Schwarze Pumpe bis 2040 zu beliefern. Denn Kohlestrom ist ausgerechnet im Energiewendeland Deutschland wieder zum guten Geschäft geworden, spätestens seit die Preise für Verschmutzungsrechte eingebrochen sind. Die Schattenseite der Wende: Stein- und Braunkohle erleben eine wahre Renaissance. Sie deckten auch 2012 ein Viertel (24,2 Prozent) des gesamten Energiebedarfs der Bundesrepublik - bei steigender Tendenz. Ihr Anteil an der Stromproduktion lag sogar bei knapp der Hälfte (44,8 Prozent). Die Folge: Der Treibhausgasausstoß in Deutschland steigt nach Jahren des Rückgangs leicht an.
Beispiel Schwarze Pumpe: Das Kraftwerk produziert täglich mehr als 32000Tonnen Kohlendioxid. Das entspreche dem durchschnittlichen CO2-Tagesausstoß von mehr als sieben Millionen Mittelklassewagen oder von sämtlichen zugelassenen Pkws in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, rechnet Greenpeace vor. Mehr noch: Erstmals beteiligen sich nun auch schwedische Umweltaktivisten an den Protesten in der Lausitz. Bei Vattenfall trifft das einen wunden Punkt. Daheim in Schweden steht der Staatskonzern seit Jahren in der Kritik. Die Braunkohle passt nicht in ein klimafreundliches Portfolio. Fünf aktive Tagebaue betreibt Vattenfall noch, bis 2027 läuft die Konzession. Doch Vattenfall will auch danach weiter Kohle fördern, das Genehmigungsverfahren läuft. Kommt Vattenfall durch, heißt das: Förderung bis 2045 - und das Ende sechs weiterer Dörfer. Ob Vattenfall so lange an der Braunkohle festhält, ist hingegen fraglich. Derzeit trifft der Konzern Vorkehrungen für die Abspaltung des Geschäfts, Verkauf nicht ausgeschlossen.
Noch am Montagnachmittag wurde die Feldküche fortgeschafft, angeblich stand sie auf Vattenfall-Grund. Für die Aktivisten auf den Schienen rückte ein Gleisbauzug an, er sollte die Schienen austauschen - und die Blockade so abräumen. Der Protest gegen 'Welzow Süd' aber wird wohl bleiben.