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Gift made in Germany

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Deutschland lieferte jede Menge Chemikalien an Syrien, die zur Herstellung von Chemiewaffen taugen

Deutsche Unternehmen haben Syrien in größerem Umfang Chemikalien geliefert, die auch für die Herstellung von Chemiewaffen verwendet werden können. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Fragen der Linksfraktion im Bundestag hervor, über die am Mittwoch zunächst die ARD berichtete. Demnach wurden zwischen 2002 und 2006 Ausfuhrgenehmigungen für 111 Tonnen Chemikalien erteilt, die unter die strikten Vorgaben einer Verordnung der Europäischen Union fallen. Dabei geht es um so genannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Solche Substanzen dürfen exportiert werden - allerdings erst nach eingehender Prüfung, um Missbrauch zu vermeiden.



Außenminister Westerwelle: "Dem muss nachgegangen werden."

In dem Schreiben an die Linksfraktion listet das Bundeswirtschaftsministerium zwölf Exportgenehmigungen im Wert von knapp 316000 Euro auf, die zwischen 2002 und 2006, also zu Zeiten rot-grünen sowie der großen Koalition aus Union und SPD, erteilt wurden. Geliefert wurden unter anderem 90 Tonnen Fluorwasserstoff und zwölf Tonnen Ammoniumhydrogendifluorid.

Insbesondere die Fluoride seien für die Produktion des Kampfstoffes Sarin wichtig, sagte der Chemiewaffen-Experte Ralf Trapp der Süddeutschen Zeitung. "Das sind gängige Chemikalien, die aber auch für die Herstellung von Nervenkampfstoffen der Sarin-Gruppe verwendet werden können", erklärte er.

Das Bundeswirtschaftsministerium wies darauf hin, dass es sich um Substanzen handle, "die auch eine breite, rein zivile Anwendung haben" etwa bei der Oberflächenbehandlung von Metallen, Fluorierung von Trinkwasser oder Herstellung von Zahnpasta. Die Genehmigungen seien "nach sorgfältiger Prüfung aller eventueller Risiken, einschließlich von Missbrauchs- und Umleitungsgefahren im Hinblick auf mögliche Verwendungen im Zusammenhang mit Chemiewaffen" erteilt worden, heißt es im Schreiben des Wirtschaftsministeriums an die Linksfraktion. Der Bundesregierung lägen "auch keine Informationen vor, dass die gelieferten Güter zwischenzeitlich anders als für die angegebenen zivilen Zwecke genutzt wurden". Genehmigungen würden "nur bei einer plausiblen zivilen Verwendung" etwa in der Schmuckfertigung oder der Ölindustrie "und eingehender Prüfung durch die Nachrichtendienste erteilt", ergänzte das Ministerium am Mittwoch.

In einer weiteren Antwort auf eine Anfrage der Linken teilte das Wirtschaftsministerium mit, das seit Inkrafttreten der Sanktionen der Europäischen Union gegen Syrien derartige Ausfuhrgenehmigungen nicht mehr erteilt worden seien.

"Es ist ganz augenscheinlich etwas, dem nachgegangen werden muss", betonte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Allerdings seien die Genehmigungen vor seiner Zeit erteilt worden. Fragen müssten daher an diejenigen gestellt werden, "die damals Regierungsverantwortung getragen haben", sagte der Minister.

Westerwelle kündigte deutsche Hilfe bei der geplanten Zerstörung der syrischen Chemiewaffen an. "Wir können bei der Vernichtung chemischer Waffen technisch und finanziell helfen. Deutschland verfügt seit vielen Jahren über entsprechende Expertise", sagte er. "In einem ersten Schritt" stelle die Bundesregierung der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen zwei Millionen Euro zur Verfügung. Der Betrag soll helfen, zusätzliche Kosten zu decken, die durch die Syrien-Mission verursacht werden.

Der Außenminister bekräftigte, dass der Bericht der UN-Waffeninspekteure aus Sicht der Bundesregierung Hinweise auf die Schuld des Regimes von Präsident Baschar al-Assad enthalte. "Der Bericht bestätigt unsere bisherige Annahme, dass nur das Assad-Regime die technischen und logistischen Fähigkeiten für einen Giftgasangriff dieses Ausmaßes haben kann", sagte er. Die Bundesregierung setze sich nun "mit Nachdruck dafür ein, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Internationalen Strafgerichtshof beauftragt, die strafrechtliche Aufarbeitung dieses Verbrechens zu übernehmen und diejenigen, die das getan haben, auch zur Verantwortung zu ziehen".

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