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Politischer Mord erschüttert Athen

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Ein Neonazi ersticht einen bekannten linken Musiker. Der Täter ist Anhänger der rechtsradikalen Parlamentspartei Goldene Morgenröte. Die Regierung erwägt nun, diese zu verbieten

Der Mord an einem 34 Jahre alten Hip-Hop-Sänger durch einen Anhänger der Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) erschüttert Griechenland. Der Musiker, der mit antifaschistischen Liedern bekannt wurde, war in der Nacht zum Mittwoch in dem Athener Vorort Keratsini von einem 45 Jahre alten Mann mit mehreren Messerstichen getötet worden. Der geständige Täter wurde von der Polizei noch in der Nähe des Tatorts festgenommen, auch das Messer ist sichergestellt. Die Frau des Griechen berichtete der Polizei, ihr Mann habe sie nach der Tat angerufen und sie gebeten, verdächtiges Material der Chrysi Avgi wegzuwerfen, wie die Zeitung Kathimerini berichtete. Die Polizei durchsuchte mehrere Büros der neofaschistischen Partei, darunter auch deren Zentrale in Athen.



Nach dem Mord an einem linken Musiker durchsucht die griechische Polizei die Zentrale der rechtsradkalen Partei "Goldene Morgenröte" in Athen


Chrysi Avgi stellt seit der Wahl im Juni vergangenen Jahres 18 der 300 Abgeordneten im Parlament. Damals erreichte die Partei sieben Prozent. Nach jüngsten Umfragen kommt sie auf etwa 13 Prozent. Polizeiminister Nikos Dendias von der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) deutete erstmals auch ein Verbot der Chrysi Avgi an. Er verwies auf die Artikel 187 und 195 des Strafrechts, die "verbrecherische Organisationen" und "bewaffnete Gruppen" betreffen. Dendias schlug eine Verfassungsinitiative vor, die den Spielraum dieser Artikel erweitern würde. Ein Parteiverbot ist in der ND von Premier Antonis Samaras seit Langem heftig umstritten. Erschreckt hat die ND-Führung offenbar auch eine bisher nicht veröffentlichte Umfrage, wonach der Kandidat der Neonazi-Partei für die Bürgermeisterwahl 2014 in Athen, der Parlamentsabgeordnete Ilias Kassidiaris, auf mehr als 30 Prozent kommen könnte. Kassidiaris leugnete jetzt jede Verbindung des Täters zu seiner Partei.

Der Bluttat von Keratsini, einem Arbeiterviertel von Athen, war in der vergangenen Woche bereits ein Überfall auf acht Mitglied der kommunistischen Partei unweit des jetzigen Tatorts durch Chrysi-Avgi-Anhänger vorausgegangen. Der Hip-Hop-Sänger hatte in einem Café mit drei Freunden ein Fußballspiel im Fernsehen angeschaut. Einer der Freunde soll in einen kurzen Streit mit anwesenden Rechtsradikalen geraten sein. Die holten dann per Handy Verstärkung. Augenzeugen sprachen von 30 bis 40 Leuten, die vor dem Café auftauchten. Als der Musiker flüchten wollte, fuhr ein Auto vor. Der Fahrer sprang heraus und stach mit einem Messer mindestens dreimal zu. Die Polizei sprach von zwei Stichen in der Herzgegend.

Die Empörung über den Mord vermengte sich am Mittwoch mit dem Protest gegen die harte Sparpolitik der Regierung, die unter dem Druck ihrer internationalen Kreditgeber bis Jahresende 25000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in eine Arbeitsreserve versetzen soll. Dies ist eine Vorstufe zur möglichen Entlassung. Tausende Lehrer, Eisenbahner und Ärzte legten die Arbeit nieder und gingen in Athen und Thessaloniki auf die Straßen. Bei den Protesten, die friedlich verliefen, drückten viele ihre Solidarität mit den Angehörigen des Getöteten aus und machten ihre Wut auf die Rechtsradikalen deutlich.

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