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Aus dem Nazi-Häusl

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Ein verfehltes NSU-Projekt am Theater Braunschweig


Im Fall der drei Mörder vom nationalsozialistischen Untergrund (NSU) haben alle versagt. Polizei und Verfassungsschutz sowieso, aber auch die Politik, die Justiz und die Medien, die Nachbarn und Verwandten, jeder von uns, ja vielleicht sogar der Kapitalismus. Wir müssen von einer neuen Kollektivschuld reden. Jedenfalls an dem einzigen Ort, der frei von jeglicher Verantwortung ist: im deutschen Theater. Denn hier, wo man aus jeder politischen und menschlichen Kompliziertheit ein bisschen Allegorie klopfen darf, geht es schließlich um Wahrheitssuche. Und das bedeutet bei Mareike Mikat, die am Staatstheater Braunschweig ein Projekt über den NSU entwickelt hat: Bitte möglichst unkonkret.



Der Schauspieler Andrej Kaminsky in einer Szene des Theaterstücks ´ "Unter Drei" (Archivbild von 2012)

Denn im Gegensatz zu den vielen Verantwortlichen, die man mit bestimmten Artikeln in ihrem Verhalten als Ganzes schuldhaft erfassen kann - "DER Verfassungsschutz", "DIE Medien", "DIE Polizei" -, sind die drei Schauspieler, die in "Unter Drei" auftreten, "ein Sammelsurium von Zuschreibungen, Glorifizierungen und Spekulationen". Sie laufen in weißer Saunawäsche herum (vielleicht weil Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gerne mal in die Sauna gingen), können sich aber auch Kapuzen übers Gesicht ziehen, damit aus ihnen Aliens der Area 51 werden. Sie tanzen als Schattenspiel hübsche Hakenkreuze, aber Beate (gespielt von einem Mann: Andrej Kaminsky) brät auch lecker Apfelstückchen, die Uwe und Uwe (gespielt von Frauen: Eva Bay und Gina Henkel) dann schmatzend verschlingen, als sei jeden Tag Kindergeburtstag in dem Nazi-Häusle in Zwickau gewesen.

Gleich zu Beginn werden die Zuschauer darüber aufgeklärt, dass der Abend nicht der Aufklärung diene, das sei ohnehin nicht möglich. Danach lernt das kollektivschuldige Publikum schnell, was Mordserien wie die des NSU-Trios in Zukunft verhindern wird: moralinsaure Kaspereien von jungen deutschen Bühnenkünstlern. Fröhlich erzählen die Saunafreunde vom Sex zu dritt, dass sie gerne Lebensmittel aus der Region kaufen, wie Beate auf Fehmarn mal Aerobic gemacht hat und dass ihre Omi Kaffee "Negerschweiß" nannte. Dazwischen plaudern einige der Mordopfer als Schatten, was ihnen im Himmel (oder wo Mikat und ihre Autorin Olivia Wenzel sie sonst zum Interview aufgespürt haben) so durch den Kopf geht. Später wird die Geschichte um das angeblich vierte NSU-Mitglied, die von Uwe & Uwe ermordete Polizistin Michele Kiesewetter, fortspekuliert mit der Pointe, dass sie sterben musste, weil sie Führers Geburtstag nicht feiern wollte - oder war es der von Hess?

Eineinhalb Stunden rührt Mareike Mikat die bekannt dürftige Faktenlage mit all dem Zeug auf, das sie sich dazu gedacht hat und gibt sich die allergrößte Mühe, so fern von den Charakteren, Motiven, Tatsachen und politischen Begleitumständen zu bleiben, wie es mit der Ironie blasierter Politrechthaberei und Verkniffenheit pauschaler Verdächtigungen nur möglich ist. Bloß gut, dass das mit der Kollektivschuld nicht auch für die Kunst gilt, sonst müsste man "DEM Theater" nach diesem Abend die Pauschalschuld am Verfall des politischen Reflexionsvermögens geben und seine Auflösung fordern.


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