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Theater und Prekariat

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"art but fair" kämpft gegen Missstände im Kulturbetrieb

10000 Euro: Das ist, nach den Statistiken des Deutschen Musikinformationszentrums, die Summe, um die das Jahresgehalt von freiberuflichen Sängern, Tänzern und Instrumentalisten pendelt - brutto. Und wie ein oft durch jahrelanges Studium vorbereitetes Künstlerleben dann aussieht, kann man seit einigen Monaten auf Facebook nachlesen. "Die traurigsten & unverschämtesten Künstler-Gagen & Auditionserlebnisse" heißt die Gruppe, die derzeit für einigen Wirbel in der Musik- und Theaterszene sorgt. Spätestens seit sich prominente Solisten wie die Sängerinnen Elisabeth Kulman oder Edita Gruberova solidarisch erklärten.



Das Nürnberger Schauspielhaus wurde 2010 für rund 38 Millionen Euro renoviert - für die Schauspieler selbst bleibt meist nur wenig Geld


Nun wollen die Betreiber der Initiative dem Ganzen auch rechtliche Formen geben. "art but fair" nennt sich der in Deutschland und in der Schweiz gegründete Verein, der Missstände im Kunstbetrieb beheben helfen soll. Denn die reichen weit über die finanziellen Probleme hinaus und betreffen auch Selbstverständlichkeiten. "Ich vergebe keine Arbeitsaufträge ohne vorherigen Abschluss eines schriftlichen Vertrages", heißt es in den "Goldenen Regeln künstlerischen Schaffens", die der Verein aufgestellt hat.

Das Überangebot an ausgebildeten Künstlern senkt nicht nur die Preise, sondern auch die Moral. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, eine Mezzosopranistin der anderen aber manchmal schon, wenn es um eine der heiß begehrten Auftrittsmöglichkeiten geht. Die niedrigen Gagen sind also ein Pakt auf Gegenseitigkeit. "Ich arbeite nur für eine angemessene Gage, es sei denn, ich habe dafür einen einzigartigen künstlerischen, wohltätigen oder freundschaftlichen Grund", sollen sich Künstler in Zukunft verpflichten.

"art but fair" begreift das Problem als systemisch und stellt Regeln für Intendanten, Produzenten, Kulturpolitiker, Jurys oder Agenturen bereit. Auch das Problem des Überangebots will man an der Wurzel packen. "Ich nehme nur Bewerber auf, die außerordentliche künstlerische und persönliche Kompetenzen mitbringen und damit reelle Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufweisen", heißt es in den "Bestimmungen für Schulleiter und Verantwortliche an Hochschulen, Akademien und Schulen".

Das wirkt ein bisschen, als versuche man viel zu viele Probleme gleichzeitig zu lösen. Die Debatte vermischt die Arbeitsbedingungen in freien Operntruppen mit der Diskussion um die Subventionen von Staatstheatern, trennt nicht zwischen Schauspielern und Mitgliedern von Bands, die in kleinen Clubs auftreten. Zudem klingt manche Forderung nach dem schal gewordenen humanitären Pathos, mit dem sich Kunst und Künstler gern selber aufladen. So, als habe, wer Singen oder Schauspielen studiert, schon qua Ausbildungswunsch Anspruch auf einen Mindestlohn. Dabei dürfte gerade der gesellschaftliche Ausnahmestatus der Kunst dazu beitragen, dass sich (zu) viele junge Menschen in künstlerischen Fächern ausbilden lassen, und auch dazu, dass über Arbeitsbedingungen nach außen gern geschwiegen wird.

Unterhält man sich aber mit Johannes Maria Schatz, dem Initiator und Vorsitzenden von "art but fair Deutschland", dann klingt der Weg zur Umsetzung deutlich kleinteiliger und realistischer. Schatz möchte "art but fair" als öffentliches Gütesiegel etablieren. Das Prinzip hat man sich vom "Global Compact" der Vereinten Nationen abgeschaut, bei dem sich Unternehmen und andere Organisationen ebenfalls auf einen freiwilligen Regelkatalog verpflichten. Jährlich müssen sie einen Rechenschaftsbericht über Fortschritte in der Umsetzung veröffentlichen. Tun sie es nicht, ist das Siegel weg.

Der Einfluss solcher moralischer Distinktionsgewinne könnte gerade bei den Theatern hoch sein, die sich gern als Anwalt für alle möglichen moralischen Anliegen verstehen. Der Deutsche Bühnenverein und der Deutsche Tonkünstlerverband haben bereits ihre Zustimmung zu der Initiative signalisiert, auch verschiedene Politiker schließen sich derzeit an.

"Wir verstehen es als Signal, uns diesen Prinzipien zu unterstellen, gerade weil wir wenig Geld haben", sagt Robert Pienz, der Intendant des Schauspielhauses Salzburg. Die relativ große, aber frei finanzierte Institution hat sich als erstes Theater den Goldenen Regeln unterworfen. Einen "Leitbildprozess" nennt es Pienz.

Johannes Maria Schatz möchte denn auch vorerst nicht von Mindestlöhnen für Künstler sprechen, die als Forderung an die Politik zu richten wären. Er plant, auf der Homepage einen Kalkulator für "Richtgagen" einzurichten, mit dessen Hilfe Künstler und Arbeitgeber sich nach Faktoren wie Sparte, Berufserfahrung oder dem ortsüblichen Lohnniveau selbst die angemessene Gage ausrechnen können.

In der Internetjobbörse theaterjobs.de hat der Verein in den vergangenen Monaten eine Umfrage durchgeführt, welche Honorare sich freie Theaterschaffende wünschen. Das Ergebnis, so Schatz: "Die Forderungen blieben sogar bescheidener als die gängigen der Gewerkschaften." Dass dennoch einige freie künstlerische Initiativen eingehen könnten, wenn sie in Zukunft höhere Gagen zahlen müssten, will der neue Verein aber bewusst in Kauf nehmen. "Wenn ich eine Produktion nicht zu gerechten Löhnen machen kann", sagt Schatz, "muss ich sie bleiben lassen."

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