Senator Cruz und die Tea Party kämpfen wie besessen gegen die Gesundheitsreform - auch mit Erpressung
Am Dienstagabend hat Ted Cruz im Parlament eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Sie hieß "Grüne Eier und Speck", und als er fertig war, wandte er sich über die Kameras direkt an seine Kinder daheim: "Putzt eure Zähne, sprecht eure Gebete, Papa wird bald zu Hause sein." Als die Kinder am Mittwochmorgen aufwachten, war ihr Vater zwar nicht zu Hause, aber noch immer im Fernsehen. Die ganze Nacht hindurch hatte der konservative US-Senator aus Texas angeredet gegen die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama, umgangssprachlich auch "Obamacare" genannt.
Ted Cruz kämpft mit einer Dauerrede im US-Senat gegen Obamas Gesundheitsreform
Am Morgen wirkte Cruz bereits ein bisschen mitgenommen, er stützte sich auf sein Stehpult; auch sein Vorrat an Metaphern schien sich zu erschöpfen. Gegen sieben Uhr früh verglich er Obamacare mit dem Horrorfilm "The Shining", nein, korrigierte er sich, es war "Psycho", das Gemetzel in der Dusche, weil Obamas Gesetz so viele Arbeitsplätze vernichte. Auf den Inhalt kam es da allerdings längst nicht mehr an, sondern nur darauf, möglichst lange durchzuhalten; am Dienstag hatte Cruz angekündigt, zu reden, "bis ich nicht mehr stehen kann". Er referierte dann über die Nazis, Eier mit Spinat und die bequemen schwarzen Tennisschuhe, die er sich für diesen Anlass gekauft hatte.
Cruz ist derzeit der wortmächtigste Vertreter der populistischen Tea-Party-Republikaner im Parlament. Er verabscheut Eingriffe der Regierung ins Alltagsleben, bekämpft sie und nimmt dabei keine Rücksicht, weder auf die Kompromisskultur im Senat, noch auf die Funktionstüchtigkeit des Staates. All dies führt Cruz derzeit am Beispiel von Obamacare vor, der staatlich geregelten und subventionierten Krankenversicherung, die als bisher größte innenpolitische Errungenschaft des Präsidenten gilt und unter Rechten verhasst ist. Cruz wirbt nun für eine Taktik, die letztlich ein Erpressungsversuch ist: Entweder die Regierung verzichtet darauf, Obamacare mit öffentlichem Geld zu stützen - oder die Regierung bekommt eben überhaupt kein Geld mehr.
Das mehrheitlich republikanische Abgeordnetenhaus hat sich dem jüngst angeschlossen mit einem doppelten Gesetzentwurf: Die Regierung erhält erstens die Erlaubnis, von Anfang Oktober bis Mitte November Geld auszugeben für ihre laufenden Verpflichtungen, zweitens darf sie kein Geld für die allgemeine Krankenversicherung ausgeben. Dieser Entwurf liegt nun im Senat, der zweiten Parlamentskammer. Weil der Senat mehrheitlich demokratisch ist, wird er sich freilich weigern, Obamacare auszutrocknen. Gegen Ende der Woche also dürfte er den Entwurf an das Abgeordnetenhaus zurückschicken, mit einer Finanzvollmacht und ohne Obamacare-Verbot. Die Abgeordneten im Unterhaus haben dann zwei Möglichkeiten: Entweder sie unterlassen ihren Erpressungsversuch und erteilen die Erlaubnis zum Geldausgeben ohne Bedingungen. Oder sie bleiben hart: Dann wäre die Regierung vom 1.Oktober an weitgehend zahlungsunfähig.
Solche Machtspiele zwischen Republikanern und Demokraten sind inzwischen Routine. Die USA standen deswegen schon mehrmals kurz vor der Insolvenz, etwa im Sommer 2011 oder an Neujahr 2013. Weil das Parlament immer nur für kurze Zeiträume die Erlaubnis zum Geldausgeben erteilt oder die Obergrenze für Staatsschulden anhebt, droht nach jedem Fristablauf die nächste Haushaltskrise. Jedes Mal versuchen die Republikaner, Obamas Regierung neue Einsparungen abzutrotzen.
Diesmal ist es Cruz und den Tea-Party-Rechten gelungen, die Krankenversicherung in den Mittelpunkt des Budgetstreits zu rücken. Es ist ein wichtiger Zeitpunkt, denn von Oktober an können die Amerikaner, unter ihnen Millionen Unversicherte, das neue Gesundheitssystem tatsächlich nutzen. Vielerorts können sie sich billiger und zu besseren Konditionen als bisher privat versichern. Obamas Regierung hat eine große Werbeoffensive begonnen für die Vorzüge der Reform. Zwar lehnen die Amerikaner sie mehrheitlich ab oder verstehen die Details nicht. Doch hofft die Regierung darauf, dass Obamacare auf Dauer überzeugen wird, vor allem wenn die Menschen merken, dass sie Geld sparen und weniger als bisher der Willkür der Versicherungskonzerne ausgeliefert sind. Sollte das Programm mit der Zeit so beliebt werden wie etwa die Rentner-Versicherung Medicare, könnten es die Republikaner kaum je mehr rückgängig machen.
Gemäßigte Republikaner hoffen zwar, dass Obamas Projekt an mangelnder Akzeptanz zugrunde geht, halten aber die Cruzsche Politik der verbrannten Erde für einen Fehler. Sie wissen: Sollten sie hart bleiben und die Regierung ihre Arbeit in der kommenden Woche aus Geldnot einstellen, würden alle unangenehmen Folgen den Republikanern angelastet. Das könnte die Parlamentswahl im kommenden Jahr beeinflussen, aber auch den Wettbewerb um das Weiße Haus im Jahr 2016. Etliche Republikaner haben Cruz zuletzt offen kritisiert, manche halten ihn schon seit Langem für einen rücksichtslosen Selbstdarsteller. Senator John McCain hat ihn einen "komischen Kauz" genannt.
Cruz zeigt sich unbeeindruckt von den Rügen seiner Parteifreunde. Die Verachtung seiner Kollegen ist ihm egal, er spielt bewusst den Außenseiter. Viele Politiker kämen nach Washington und hörten nicht mehr auf das amerikanische Volk, klagte der Senator in seiner Dauerrede: "Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht am Wasser, an der Luft oder an den Kirschblüten." Er hingegen sieht sich angeblich nur seinen Wählern verpflichtet, und die empfinden Obamacare als Bevormundung und Gefahr für die Staatsfinanzen. Die Aussichten auf einen Kompromiss sind deshalb nicht gut, weil besonders im Unterhaus viele Republikaner so denken wie Cruz. Aus ihrer Sicht spielt es keine Rolle, ob die Regierung pleite ist oder nicht. Sondern ob sie ihren Wählern versichern können, mit aller Kraft gegen Obama gekämpft zu haben. Bei Cruz dient die Profilierung freilich noch einem weiteren Zweck: Er möchte sich 2016 wohl für das Weiße Haus bewerben.
Am Dienstagabend hat Ted Cruz im Parlament eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Sie hieß "Grüne Eier und Speck", und als er fertig war, wandte er sich über die Kameras direkt an seine Kinder daheim: "Putzt eure Zähne, sprecht eure Gebete, Papa wird bald zu Hause sein." Als die Kinder am Mittwochmorgen aufwachten, war ihr Vater zwar nicht zu Hause, aber noch immer im Fernsehen. Die ganze Nacht hindurch hatte der konservative US-Senator aus Texas angeredet gegen die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama, umgangssprachlich auch "Obamacare" genannt.
Ted Cruz kämpft mit einer Dauerrede im US-Senat gegen Obamas Gesundheitsreform
Am Morgen wirkte Cruz bereits ein bisschen mitgenommen, er stützte sich auf sein Stehpult; auch sein Vorrat an Metaphern schien sich zu erschöpfen. Gegen sieben Uhr früh verglich er Obamacare mit dem Horrorfilm "The Shining", nein, korrigierte er sich, es war "Psycho", das Gemetzel in der Dusche, weil Obamas Gesetz so viele Arbeitsplätze vernichte. Auf den Inhalt kam es da allerdings längst nicht mehr an, sondern nur darauf, möglichst lange durchzuhalten; am Dienstag hatte Cruz angekündigt, zu reden, "bis ich nicht mehr stehen kann". Er referierte dann über die Nazis, Eier mit Spinat und die bequemen schwarzen Tennisschuhe, die er sich für diesen Anlass gekauft hatte.
Cruz ist derzeit der wortmächtigste Vertreter der populistischen Tea-Party-Republikaner im Parlament. Er verabscheut Eingriffe der Regierung ins Alltagsleben, bekämpft sie und nimmt dabei keine Rücksicht, weder auf die Kompromisskultur im Senat, noch auf die Funktionstüchtigkeit des Staates. All dies führt Cruz derzeit am Beispiel von Obamacare vor, der staatlich geregelten und subventionierten Krankenversicherung, die als bisher größte innenpolitische Errungenschaft des Präsidenten gilt und unter Rechten verhasst ist. Cruz wirbt nun für eine Taktik, die letztlich ein Erpressungsversuch ist: Entweder die Regierung verzichtet darauf, Obamacare mit öffentlichem Geld zu stützen - oder die Regierung bekommt eben überhaupt kein Geld mehr.
Das mehrheitlich republikanische Abgeordnetenhaus hat sich dem jüngst angeschlossen mit einem doppelten Gesetzentwurf: Die Regierung erhält erstens die Erlaubnis, von Anfang Oktober bis Mitte November Geld auszugeben für ihre laufenden Verpflichtungen, zweitens darf sie kein Geld für die allgemeine Krankenversicherung ausgeben. Dieser Entwurf liegt nun im Senat, der zweiten Parlamentskammer. Weil der Senat mehrheitlich demokratisch ist, wird er sich freilich weigern, Obamacare auszutrocknen. Gegen Ende der Woche also dürfte er den Entwurf an das Abgeordnetenhaus zurückschicken, mit einer Finanzvollmacht und ohne Obamacare-Verbot. Die Abgeordneten im Unterhaus haben dann zwei Möglichkeiten: Entweder sie unterlassen ihren Erpressungsversuch und erteilen die Erlaubnis zum Geldausgeben ohne Bedingungen. Oder sie bleiben hart: Dann wäre die Regierung vom 1.Oktober an weitgehend zahlungsunfähig.
Solche Machtspiele zwischen Republikanern und Demokraten sind inzwischen Routine. Die USA standen deswegen schon mehrmals kurz vor der Insolvenz, etwa im Sommer 2011 oder an Neujahr 2013. Weil das Parlament immer nur für kurze Zeiträume die Erlaubnis zum Geldausgeben erteilt oder die Obergrenze für Staatsschulden anhebt, droht nach jedem Fristablauf die nächste Haushaltskrise. Jedes Mal versuchen die Republikaner, Obamas Regierung neue Einsparungen abzutrotzen.
Diesmal ist es Cruz und den Tea-Party-Rechten gelungen, die Krankenversicherung in den Mittelpunkt des Budgetstreits zu rücken. Es ist ein wichtiger Zeitpunkt, denn von Oktober an können die Amerikaner, unter ihnen Millionen Unversicherte, das neue Gesundheitssystem tatsächlich nutzen. Vielerorts können sie sich billiger und zu besseren Konditionen als bisher privat versichern. Obamas Regierung hat eine große Werbeoffensive begonnen für die Vorzüge der Reform. Zwar lehnen die Amerikaner sie mehrheitlich ab oder verstehen die Details nicht. Doch hofft die Regierung darauf, dass Obamacare auf Dauer überzeugen wird, vor allem wenn die Menschen merken, dass sie Geld sparen und weniger als bisher der Willkür der Versicherungskonzerne ausgeliefert sind. Sollte das Programm mit der Zeit so beliebt werden wie etwa die Rentner-Versicherung Medicare, könnten es die Republikaner kaum je mehr rückgängig machen.
Gemäßigte Republikaner hoffen zwar, dass Obamas Projekt an mangelnder Akzeptanz zugrunde geht, halten aber die Cruzsche Politik der verbrannten Erde für einen Fehler. Sie wissen: Sollten sie hart bleiben und die Regierung ihre Arbeit in der kommenden Woche aus Geldnot einstellen, würden alle unangenehmen Folgen den Republikanern angelastet. Das könnte die Parlamentswahl im kommenden Jahr beeinflussen, aber auch den Wettbewerb um das Weiße Haus im Jahr 2016. Etliche Republikaner haben Cruz zuletzt offen kritisiert, manche halten ihn schon seit Langem für einen rücksichtslosen Selbstdarsteller. Senator John McCain hat ihn einen "komischen Kauz" genannt.
Cruz zeigt sich unbeeindruckt von den Rügen seiner Parteifreunde. Die Verachtung seiner Kollegen ist ihm egal, er spielt bewusst den Außenseiter. Viele Politiker kämen nach Washington und hörten nicht mehr auf das amerikanische Volk, klagte der Senator in seiner Dauerrede: "Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht am Wasser, an der Luft oder an den Kirschblüten." Er hingegen sieht sich angeblich nur seinen Wählern verpflichtet, und die empfinden Obamacare als Bevormundung und Gefahr für die Staatsfinanzen. Die Aussichten auf einen Kompromiss sind deshalb nicht gut, weil besonders im Unterhaus viele Republikaner so denken wie Cruz. Aus ihrer Sicht spielt es keine Rolle, ob die Regierung pleite ist oder nicht. Sondern ob sie ihren Wählern versichern können, mit aller Kraft gegen Obama gekämpft zu haben. Bei Cruz dient die Profilierung freilich noch einem weiteren Zweck: Er möchte sich 2016 wohl für das Weiße Haus bewerben.