Hamburg baut für "Kreative", das soll die Stadt erneuern
Unter Künstlern ist "Kreative" ein Schimpfwort für Werber. Das liegt weniger an alten moralischen Grenzziehungen zwischen Wahrheit und Lüge, obwohl Werbung mit Wahrheit noch immer nichts zu tun hat. Pervertiert wurde der Begriff vielmehr durch eine Stadtpolitik, die seit einigen Jahren die "Kreativen" als Motor der Urbanisierung entdeckt hat, damit aber am Ende immer nur Agenturen und Produktdesigner meinte. Mit der halb verdauten amerikanischen Pop-Soziologie von Richard Florida im Hinterkopf, die Hipster zur Avantgarde der Stadterneuerung verklärte, umarmten Lokalpolitiker plötzlich Bartträger in zerschlissenen Anoraks und erklärten sie zum Eisprung kreativer Milieus. Allerdings gebar diese Befruchtung interessanter Stadtteile nach kurzer Zeit meist windige Immobilientypen und horrende Quadratmeterpreise.
In der Hamburger HafenCity soll ein "Kreativquartier" entstehen
In Hamburg hat die Vermengung von Künstlern und Werbern in einem Begriff eine besonders empfindliche Geschichte. Nach dem gewonnenen Kampf gegen die drastischen Kürzungen des schwarz-grünen Senats im Kulturbereich 2010 wurde den Protestsiegern als Friedensangebot eine Hotelbettensteuer versprochen, mit der die spärlichen Ausgaben der Stadt für Kultur deutlich verbessert werden sollten. Als die Taxe dann Ende 2012 vom nachfolgenden SPD-Senat wirklich beschlossen wurde, ging das wenigste Geld davon in die Kultur, dafür wurden Tourismus-Events, das Galopp-Derby und der jährliche Werbertreff des Art Directors Club subventioniert. Aus solchen Erfahrungen reagierten Kulturseelen auch auf die Erfindung eines "Kreativquartiers" in Hamburgs Neubaugebiet Hafencity äußerst skeptisch.
Das sieben Hektar große Güterfrachtgelände an der Oberhafenkantine, dessen Umnutzung am Dienstag vorgestellt und mit möglichen Mietern diskutiert wurde, sollte ursprünglich komplett abgerissen und durch Büros ersetzt werden. Aber die problematische, linsenförmige Lage zwischen Fernbahndamm und Hafenbecken sowie die Vermietungsprobleme für Büronutzung im bereits gebauten Teil der Hafencity führten zu einem Gesinnungswandel. Das Gebiet werde nun "mit einem Kreativthema besetzt", wie Hafencity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg es den Interessenten erklärte, die sich in einer der ausgeschriebenen Stückguthallen in großer Stückzahl einfanden. Die niedrigen Backsteinzeilen, deren vollgesprühte Tore jeder Bahnreisende bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof sieht, sollen nun "dem Interessensmarkt der Kulturschaffenden zur Verfügung gestellt werden" und zum "dynamischen" Produktionsstandort mit "Schnittstellen" zur Hafencity, mit "Synergieeffekten" und "bedeutender öffentlicher Wirksamkeit" umfunktioniert werden.
Es ist genau dieser Jargon, der kreative Menschen abstößt, die einfach eine billige Fläche in inspirierender Umgebung für ihr Atelier, ihre Werkstatt, ihren 3D-Drucker oder als Büro für eine schräge Nischenbeschäftigung suchen. Doch genau diese Fraktion demonstrierte bei der Präsentation so zahlreich ihr Interesse. Denn gegen den Zauber dieses morbiden Verladequartiers mit Kopfsteinpflaster, Laderampen und Zufallsbiotopen in direkter Nachbarschaft von Deichtorhallen und Spiegel-Hochhaus ist das Jargonthema nur noch eine zweitrangige Irritation. Und tatsächlich merkte man auch den Vertretern von Hafencity und der Hamburger Kreativgesellschaft, die das einzige "Altbau"-Quartier der Hafencity jetzt mit Freaks "bespielen" will, an, dass sie rührend darum bemüht sind, den Hungerleidern des Immobilienmarkts entgegenzukommen.
Brav wird jetzt immer von einem "Kunst- und Kreativquartier" gesprochen. Mit Kulturschaffenden hat man im Vorfeld ein halbwegs zutrauliches Regelwerk geschaffen, das ausschließlich nach Konzepten fragt und nicht nach Rendite. Die
300 und 700 Quadratmeter großen Hallen aus Stahlträgern und Betonflächen werden nur minimal saniert, um eine Quadratmetermiete zwischen vier und fünf Euro garantieren zu können. Wer Heizung oder sonstige Einbauten will, muss selbst investieren. Selbst nächtliche Techno-Partys stören den Vermieter so wenig wie Farbkleckse auf den Fußböden. Bei all diesen Zugeständnissen an ein echtes Alternativ-Quartier fragten sich viele der Neugierigen an diesem Abend, was der Veranstalter mit "Schnittstellen zur Hafencity" meint, die in ihren Konzepten nachgewiesen werden sollten. Denn mehr Kontrast zu der neureichen Stadterweiterung auf der anderen Seite des ICE-Damms ist kaum vorstellbar.
Für diesen großen Schönheitsfleck der Hafencity wäre Schnittstellen-Zwang tatsächlich etwas wie eine Schönheits-OP mit entsprechenden entstellenden Resultaten. Echte Kreative muss man einfach machen lassen. Und dafür ist diese abgeschottete Nutzbaulandschaft, die nur einen versteckten Zugang unter den Bahngleisen besitzt, genau das richtige Reservat. Die passende Werbung hierfür wäre: "Mut zum Kontrast".
Unter Künstlern ist "Kreative" ein Schimpfwort für Werber. Das liegt weniger an alten moralischen Grenzziehungen zwischen Wahrheit und Lüge, obwohl Werbung mit Wahrheit noch immer nichts zu tun hat. Pervertiert wurde der Begriff vielmehr durch eine Stadtpolitik, die seit einigen Jahren die "Kreativen" als Motor der Urbanisierung entdeckt hat, damit aber am Ende immer nur Agenturen und Produktdesigner meinte. Mit der halb verdauten amerikanischen Pop-Soziologie von Richard Florida im Hinterkopf, die Hipster zur Avantgarde der Stadterneuerung verklärte, umarmten Lokalpolitiker plötzlich Bartträger in zerschlissenen Anoraks und erklärten sie zum Eisprung kreativer Milieus. Allerdings gebar diese Befruchtung interessanter Stadtteile nach kurzer Zeit meist windige Immobilientypen und horrende Quadratmeterpreise.
In der Hamburger HafenCity soll ein "Kreativquartier" entstehen
In Hamburg hat die Vermengung von Künstlern und Werbern in einem Begriff eine besonders empfindliche Geschichte. Nach dem gewonnenen Kampf gegen die drastischen Kürzungen des schwarz-grünen Senats im Kulturbereich 2010 wurde den Protestsiegern als Friedensangebot eine Hotelbettensteuer versprochen, mit der die spärlichen Ausgaben der Stadt für Kultur deutlich verbessert werden sollten. Als die Taxe dann Ende 2012 vom nachfolgenden SPD-Senat wirklich beschlossen wurde, ging das wenigste Geld davon in die Kultur, dafür wurden Tourismus-Events, das Galopp-Derby und der jährliche Werbertreff des Art Directors Club subventioniert. Aus solchen Erfahrungen reagierten Kulturseelen auch auf die Erfindung eines "Kreativquartiers" in Hamburgs Neubaugebiet Hafencity äußerst skeptisch.
Das sieben Hektar große Güterfrachtgelände an der Oberhafenkantine, dessen Umnutzung am Dienstag vorgestellt und mit möglichen Mietern diskutiert wurde, sollte ursprünglich komplett abgerissen und durch Büros ersetzt werden. Aber die problematische, linsenförmige Lage zwischen Fernbahndamm und Hafenbecken sowie die Vermietungsprobleme für Büronutzung im bereits gebauten Teil der Hafencity führten zu einem Gesinnungswandel. Das Gebiet werde nun "mit einem Kreativthema besetzt", wie Hafencity-Chef Jürgen Bruns-Berentelg es den Interessenten erklärte, die sich in einer der ausgeschriebenen Stückguthallen in großer Stückzahl einfanden. Die niedrigen Backsteinzeilen, deren vollgesprühte Tore jeder Bahnreisende bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof sieht, sollen nun "dem Interessensmarkt der Kulturschaffenden zur Verfügung gestellt werden" und zum "dynamischen" Produktionsstandort mit "Schnittstellen" zur Hafencity, mit "Synergieeffekten" und "bedeutender öffentlicher Wirksamkeit" umfunktioniert werden.
Es ist genau dieser Jargon, der kreative Menschen abstößt, die einfach eine billige Fläche in inspirierender Umgebung für ihr Atelier, ihre Werkstatt, ihren 3D-Drucker oder als Büro für eine schräge Nischenbeschäftigung suchen. Doch genau diese Fraktion demonstrierte bei der Präsentation so zahlreich ihr Interesse. Denn gegen den Zauber dieses morbiden Verladequartiers mit Kopfsteinpflaster, Laderampen und Zufallsbiotopen in direkter Nachbarschaft von Deichtorhallen und Spiegel-Hochhaus ist das Jargonthema nur noch eine zweitrangige Irritation. Und tatsächlich merkte man auch den Vertretern von Hafencity und der Hamburger Kreativgesellschaft, die das einzige "Altbau"-Quartier der Hafencity jetzt mit Freaks "bespielen" will, an, dass sie rührend darum bemüht sind, den Hungerleidern des Immobilienmarkts entgegenzukommen.
Brav wird jetzt immer von einem "Kunst- und Kreativquartier" gesprochen. Mit Kulturschaffenden hat man im Vorfeld ein halbwegs zutrauliches Regelwerk geschaffen, das ausschließlich nach Konzepten fragt und nicht nach Rendite. Die
300 und 700 Quadratmeter großen Hallen aus Stahlträgern und Betonflächen werden nur minimal saniert, um eine Quadratmetermiete zwischen vier und fünf Euro garantieren zu können. Wer Heizung oder sonstige Einbauten will, muss selbst investieren. Selbst nächtliche Techno-Partys stören den Vermieter so wenig wie Farbkleckse auf den Fußböden. Bei all diesen Zugeständnissen an ein echtes Alternativ-Quartier fragten sich viele der Neugierigen an diesem Abend, was der Veranstalter mit "Schnittstellen zur Hafencity" meint, die in ihren Konzepten nachgewiesen werden sollten. Denn mehr Kontrast zu der neureichen Stadterweiterung auf der anderen Seite des ICE-Damms ist kaum vorstellbar.
Für diesen großen Schönheitsfleck der Hafencity wäre Schnittstellen-Zwang tatsächlich etwas wie eine Schönheits-OP mit entsprechenden entstellenden Resultaten. Echte Kreative muss man einfach machen lassen. Und dafür ist diese abgeschottete Nutzbaulandschaft, die nur einen versteckten Zugang unter den Bahngleisen besitzt, genau das richtige Reservat. Die passende Werbung hierfür wäre: "Mut zum Kontrast".