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Streit über Schuldenerlass

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Das Geld aus dem Euro-Schutzschirm EFSF ist schon zu zwei Dritteln aufgezehrt.


Brüssel - Die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) streiten offen über einen weiteren Teilerlass griechischer Staatsschulden. Die Frage, wie die Schuldenlast der Regierung in Athen reduziert werden könne, sei noch nicht entschieden, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn der Süddeutschen Zeitung. Vertreter des IWF hatten zuvor in einer dreistündigen Telefonkonferenz darauf gedrungen, dass die Euro-Länder auf die Rückzahlung eines Teils ihrer Kredite an Griechenland verzichten. Dem widersprach einmal mehr Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der einen Schuldenschnitt der öffentlichen Gläubiger partout nicht will.

Hintergrund der Debatte ist die Erkenntnis, dass es Athen selbst bei Erfüllung aller Reformzusagen nicht gelingen wird, den Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Ursachen sind die jüngsten Verzögerungen bei der Haushaltssanierung und die unerwartet tiefe Rezession, in die das Land wegen des strikten Sparkurses gerutscht ist. Eine Schuldenquote von maximal 120 Prozent gilt als Voraussetzung dafür, dass die Griechen das Vertrauen privater Investoren zurückgewinnen und eines Tages wieder Kredite auf den Finanzmärkten bekommen.



Zu zwei Dritteln ist das Geld aus dem Euro-Schutzschirm EFSF bereits aufgezehrt.

Nach Ansicht vieler Experten müssen nach den privaten auch die staatlichen Kreditgeber Schulden erlassen, wenn die Quote nachhaltig sinken soll. Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnen dies jedoch ab, weil sie sonst ausgerechnet im aufziehenden Bundestagswahlkampf eingestehen müssten, dass ein Milliardenbetrag an deutschen Steuergeldern verloren ist. Stattdessen denkt man in Berlin darüber nach, Griechenland Geld für den Rückkauf eigener bereits umlaufender Anleihen zur Verfügung zu stellen. Da diese Papiere auf den Märkten weit unter Wert gehandelt werden, ließe sich auf diesem Wege die Schuldenlast senken. Darüber hinaus wird überlegt, ob man Athen mehr Zeit für die Reduzierung der Quote auf 120 Prozent einräumt und das Zieldatum von 2020 etwa auf 2022 verschiebt.

Rehn mahnte zur Eile und erklärte, alle Entscheidungen müssten rechtzeitig vor dem Treffen der Finanzminister der 17 Euro-Länder am 12. November fallen. Dagegen hieß es in deutschen Regierungskreisen, es sei unwahrscheinlich, dass alle Fragen bis übernächste Woche geklärt werden könnten. Möglicherweise könne am 12.November nur ein Grundsatzbeschluss darüber fallen, ob Athen die dringend benötige nächste Kredittranche im Volumen von 31,3 Milliarden Euro erhält oder nicht. Voraussetzung sei aber zum Beispiel auch, dass die Griechen endlich einen Haushalt für 2013 verabschiedeten. Das bestätigte auch Rehn. 'Das griechische Parlament muss das ausgehandelte Spar- und Reformpaket und alle darin vereinbarten Maßnahmen fristgemäß verabschieden', sagte er. Bisher ist ungewiss, ob Premier Antonis Samaras eine Mehrheit für den Haushalt sowie für ein weiteres, 13,5 Milliarden Euro umfassendes Spar- und Reformpaket zustande bringen wird.

Bisher hat Griechenland allein von den EU-Partnern Hilfen in Höhe von 74 Milliarden Euro erhalten. Weitere 71 Milliarden stehen bis Ende 2014 bereit, falls das Land seine Reformverpflichtungen erfüllt. Die Zahlen finden sich in einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums, die der SZ vorliegt. Zählt man allein die Kreditzusagen des provisorischen Euro-Hilfsfonds EFSF an Irland, Portugal, Griechenland und Spanien zusammen, ergibt sich eine Summe von insgesamt 288 Milliarden Euro. Damit ist der 440 Milliarden Euro umfassende Kreditrahmen des EFSF, der noch acht Monate lang neben dem dauerhaften Schutzschirm ESM bestehen bleiben wird, bereits zu fast zwei Dritteln aufgebraucht.

Die Bundesbürger haften laut Ministeriumsbericht mittlerweile mit 142 Milliarden Euro für EFSF-Darlehen. Die von der Regierung gegenüber dem Bundestag garantierte Obergrenze von 211 Milliarden Euro kommt damit fast schon in Blickweite. 'Die aktuellen EFSF-Zahlen zeigen, dass es höchste Zeit war, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM in Kraft tritt', sagte die Haushaltsexpertin der Grünen, Priska Hinz. Ansonsten wäre der EFSF langsam an seine Grenzen gestoßen. Jetzt müsse rasch die 'Hängepartie' um Griechenland beendet werden, die echte Fortschritte bei der Euro-Rettung verzögere. hul, gam

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