Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Organspenden gehen drastisch zurück

$
0
0
Das Vertrauen ist weg: Im Oktober konnten nur 59 Hirntoten Herz, Leber oder Nieren entnommen werden, so wenigen wie seit zehn Jahren nicht. Ein schwerer Start für das Transplantationsgesetz


Hamburg - Die Zahl der Organspender in Deutschland ist im Oktober auf dem niedrigsten Monatswert seit zehn Jahren angekommen. Das erklärte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Donnerstag. Mit nur 59 Spendern liege das Aufkommen etwa 50Prozent unter dem eines durchschnittlichen Monats. Damit hat eine seit Juli anhaltende Entwicklung ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Damals waren erste Betrugsvorwürfe gegen Transplantationsmediziner in Göttingen laut geworden, später auch in Regensburg und München. Die DSO sieht einen klaren Zusammenhang zum gesunkenen Aufkommen. 'Das ist kein übliches Auf und Ab. Das ist ein Niedergang, bedingt durch Misstrauen', sagte Vorstand Günter Kirste.



Zum Start der Organspendereform machen sinkende Spenderzahlen Ärzten und Politik Sorgen.

Die Zahlen der DSO, die deutschlandweit für die Koordinierung der Organspenden zuständig ist, kommt für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Am Donnerstag trat die Novelle des Transplantationsgesetzes in Kraft, durch das in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung eingeführt wird. Die Reform soll das Spenderaufkommen deutlich erhöhen. Im europaweiten Vergleich liegt Deutschland mit nur 15,8 Spendern pro eine Million Einwohner im unteren Drittel. Spitzenreiter Spanien verzeichnet 32 Spender pro Million. In Deutschland warten etwa 12000 Menschen auf ein Spenderorgan.

Das neue Gesetz verpflichtet die Krankenkassen, bis spätestens November 2013 alle erwachsenen Mitglieder schriftlich über das Thema Organspende zu informieren. Damit einher geht die Frage, ob der Versicherte im Falle des Hirntods Organe spenden würde. Die Angeschriebenen müssen aber nicht antworten - einen 'Entscheidungszwang' lehnt Bahr ab. Die Deutschen sollten sich 'als mündige Bürger aktiv für oder gegen eine Organspende entscheiden', sagte er am Donnerstag. Bahr verneinte einen Zusammenhang zwischen den Manipulationsvorwürfen vom Sommer und dem Rückgang der Spenderzahlen. 'Die Spendenbereitschaft ist seit Anfang des Jahres stagnierend, leider', sagte er im Deutschlandfunk. So lange stünden die Vorwürfe noch gar nicht im Raum.

Die DSO bestätigte den Stillstand, den sie unter anderem auf immer mehr Patientenverfügungen zurückführte, in denen Menschen intensivmedizinische Behandlungen ausschlössen - und damit, oft unbewusst, auch Organentnahmen. Allerdings gehe die Entwicklung seit dem Sommer 'weit über alle normalen Schwankungen hinaus', sagte DSO-Vorstand Kirste.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, erklärte, seine Kasse habe am 31.Oktober zum frühestmöglichen Termin mit dem Versand des Materials zur Organspende begonnen, weil die Menschen durch Berichte über mögliche Manipulationen verunsichert seien. 'Daher sind wir der Meinung, dass sie gerade jetzt sachliche und ergebnisoffene Informationen brauchen', sagte er im ZDF. Alle sieben Millionen TK-Versicherten, die älter sind als 15 Jahre, werden bis zum 20. November angeschrieben. Andere große Kassen, wie die Barmer GEK, AOK und DAK erklärten, erst 2013 mit dem Versand beginnen zu wollen. (Seite 4)

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345