Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Das nächste große Ding

$
0
0
Wer wissen will, ob es die Gründerszene in Berlin wirklich mit der im Silicon Valley aufnehmen kann, ist bei René Schuster ganz gut aufgehoben. Der Mann wurde in New York geboren, arbeitete lange im Silicon Valley, lebt nun in Deutschland - und schmiedet gerade als Chef von Telefónica Deutschland aus O2 und E-Plus einen der größten Mobilfunkanbieter des Landes.



Auch Twitter startete als kleines Start-up. Heute kommt keiner mehr daran vorbei. Warum gelingt deutschen Firmen kein solcher Aufstieg?

Also alles gut? Die Zahlen, die Schuster mitgebracht hat, sind ernüchternd: Fast die Hälfte des weltweit verfügbaren Wagniskapitals landet noch immer im Silicon Valley. Berlin? Weit abgeschlagen.

Dabei tut sich einiges in der deutschen Hauptstadt: Die Start-up-Szene beschäftigt in der Stadt inzwischen mehr als 60000 Menschen - und ist für die hiesige Wirtschaft somit schon heute wichtiger als das Baugewerbe. Bis 2020 könnten in Berlin laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey mehr als 100000 neue Arbeitsplätze durch junge Unternehmen entstehen.

Es gibt also auch in Deutschland inzwischen durchaus Menschen, die etwas wagen. Die sich statt für eine Karriere in einem Konzern für den eigenen Traum entscheiden, statt für den sicheren Bürojob für das Risiko. Und es gibt inzwischen durchaus auch einige Internetdienste, die von Berlin aus die Welt erobert haben. Und doch sind diese Unternehmen noch eine ganze Nummer kleiner als Amazon, Google oder Facebook. Woran das liegt? Das Geld der Risikokapitalgeber sitzt in Europa nicht so locker, wie Schuster sagt. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Internetunternehmen von Weltrang noch immer aus dem Silicon Valley kommen - und eben nicht aus Berlin. Immerhin, da tut sich was: Im vergangenen Jahr investierten deutsche und ausländische Wagniskapitalgeber in Berlin 133 Millionen Euro in Start-ups - so viel wie in keinem anderen Bundesland. Zum Vergleich: In Bayern waren es nur 19 Millionen Euro. Auf eine Betriebsgründung in München kommen 2,8 in Berlin. Auch wenn es um den Zuzug neuer Unternehmen aus dem In- und Ausland geht, zählt Berlin zu den führenden Regionen Europas. Markus Stiefel mag München trotzdem mehr als Berlin. Es ist die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Und es ist die Stadt, in dem er nun auch sein Unternehmen Pockets United gegründet hat, das Leuten hilft, Rechnungen per App gemeinsam zu begleichen, eine Art gemeinsame Geldbörse.

Stiefel teilt sich mit einigen anderen Tüftlern eine große Büroetage mit Blick auf die Frauenkirche. Laptops und bunte Stellwände; Küchenzeile und sogar eine Sprossenwand. Das Büro sowie einen Zuschuss von bis zu 50000 Euro stellt der Mobilfunkkonzern Telefónica Stiefel und den anderen Gründern natürlich nicht ganz selbstlos. Denn Telefónica ist, ebenso wie andere große Konzerne, auf die frischen Ideen angewiesen. Deshalb erwirbt Telefónica im Gegenzug für die Starthilfe einen Anteil an den Firmen. Schlägt die Idee ein, steigt dessen Wert rasant, und der Konzern kann den Anteil versilbern. Wagniskapital heißt das.

Bei Telefónica hat man durchaus auch überlegt, ob man das große Büro für Gründer, das sie Wayra Academy nennen, nicht in Berlin eröffnen sollte. Ob man dort nicht näher dran wäre an der Gründerszene. Warum sie sich schließlich für München entschieden haben? Weil sie, wie Markus Stiefel, davon überzeugt sind, dass auch an den Münchner Hochschulen gute Ideen geboren werden. Weil sie selbst ihren Sitz in München haben und ihnen der regelmäßige Austausch zwischen den Tüftlern und den Managern wichtig war. Und weil München insgesamt eben doch wirtschaftlich besser da steht als Berlin. Die Gründerteams sollen in dem halben Jahr auf der Wayra Academy nämlich Investoren für eine Anschlussfinanzierung finden. Und da ist es durchaus ganz praktisch, wenn man sechs Dax-Konzerne vor der Haustür hat. "Deutschland hat gute Ingenieure, aber zu wenige Unternehmer", sagt Schuster. "Wir müssen den Leuten auch beibringen, dass es keine Schande ist, wenn sie scheitern."

Frank Briegmann gehört zu denen, die sogar schon tot gesagt wurden. Er verantwortet das Europageschäft für den Musikkonzern Universal. Wenn ihm jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, dass in seinem Telefon Millionen von Songs stecken? Er hätte nichts davon geglaubt. Heute arbeitet sein Label auch mit Spotify zusammen, bei dem man einen Song nicht mehr kauft, sondern leiht. "Man muss sich trauen", sagt Briegmann. Klingt einfach, ist aber gerade für eine etablierte Branche wie seine ziemlich schwierig. Wie man diesen Wandel schafft? Man muss sich öffnen, sagt Briegmann. Partner suchen - und neue Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Merchandising, zum Beispiel. "Wenn jemand noch ein Justin-Bieber-T-Shirt für seine Kinder kauft, dann verdienen wir auch daran", sagt Briegmann.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345