Singapur - Wer durch Leyte reist, sieht seltsame Gebilde überall. Blitzendes Wellblech, abenteuerlich verbogen vom Taifun. Manche Stücke sehen so bizarr aus, dass sie bestens in eine Kunstgalerie passen würden. Wer allerdings mit Notärzten spricht, sieht die Teile in anderem Licht. Denn tatsächlich werden die Bleche bei Windgeschwindigkeiten von 200 bis 300Stundenkilometern zu Killern. Der Sturm hat sie überall von den Häusern gerissen und wie scharfe Waffen durch die Luft gewirbelt. Wehe dem, der nicht mehr rechtzeitig in Deckung gehen konnte.
Der Arzt Tankred Stöbe hat gerade eine Frau mit einer tiefen Schnittwunde in der Hüfte behandelt. Sie hat das Blech überlebt. Er berichtet davon am Telefon, als die Nacht schon über Leyte hereingebrochen ist. Mit einem mobilen Ärzteteam fährt er tagsüber von der Hafenstadt Ormoc hinaus, jedes Mal in eine andere Ortschaft. 'Wohin wir bei unseren Fahrten auch kommen, wir hören stets, dass noch kein einziger Arzt da gewesen ist,' sagt Stöbe. Und er spricht nicht einmal von besonders abgelegenen Bergdörfern oder den Orten an fernen Stränden, die alle von der Flut weggespült wurden. Das gibt eine Vorstellung davon, wie viel Hilfe noch nötig ist in den Gebieten, die der Taifun verwüstet hat.
Stöbe ist Vorsitzender von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland und in Zeiten wie diesen auch selbst in Krisengebieten unterwegs. Fast zweihundert Mitarbeiter hat die Nothilfeorganisation von ihren verschiedenen nationalen Büros in die vom Sturm betroffenen Gebiete entsandt. Ihr Ziel ist es, auch in die entlegenen Ortschaften vorzustoßen, wo derzeit vor allem die Amerikaner mit Hubschraubern hinfliegen. Stöbe listete Ende der Woche noch immer acht Orte auf, in die bislang gar keine Hilfe gelangt war.
Die UN-Chefin für humanitäre Hilfe, Valerie Amos, beendete in dieser Woche ihre Reise durchs Katastrophengebiet, und nach anfänglichem Entsetzen über die allgemeine Lähmung der Hilfe schien sie nun doch zufriedener zu sein: 'Jetzt, da die Hilfe fließt, kommen die Menschen wieder auf die Füße.' Aber auch sie erwähnt Orte wie Guiuan, wo noch fast keine Lieferung angekommen ist.
Zwei Wochen nach dem Taifun lässt sich das Ausmaß der Katastrophe einigermaßen in Zahlen greifen. Der Sturm erfasste auf den Philippinen eine Fläche von 57000 Quadratkilometern, das entspricht etwa 80 Prozent der Fläche des Bundeslandes Bayern. Dort leben 18 Millionen Menschen, mehr als eine Million Häuser hat der Taifun zerstört, mindestens vier Millionen Bewohner sind obdachlos. Die Zahl der Toten bezifferten die Behörden am Sonntag auf mehr als 5200, mehr als tausend gelten noch immer als vermisst. Die Chancen, dass sie noch leben, sind verschwindend gering.
Während Ärzte Zehntausende Verwundete und Kranke erst noch erreichen müssen, graben sich professionelle Bergungsteams und Tausende Freiwillige durch die Trümmerberge, mancherorts bergen sie weitere Tote. Das ist eine sehr belastende Arbeit, nicht nur wegen des Geruchs. In Tacloban konnte man schon in den ersten Tagen die Helfer erschöpft am Straßenrand sitzen sehen, bleiche Gesichter hinter dem Mundschutz. Für seelischen Beistand, um verarbeiten, was man sah, war keiner da. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben auch Psychologen dabei. Sie beobachten bei den Philippinern eine große Zähigkeit, aber berichten auch von schweren Traumata, von Schlaflosigkeit und plötzlichen Weinattacken, die Überlebende zwischen den Trümmern plötzlich überfallen. Spurlos gehen die Zerstörungen an niemandem vorüber.
Dass die vielen Leichen nun Seuchen auslösen könnten, ist eine weitverbreitete Vorstellung, die sich in vielen Berichten über Naturkatastrophen hartnäckig hält. 'Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem Toten zu infizieren, äußerst gering', sagt Stöbe. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Überlebende in solchen Situationen ein viel höheres Ansteckungsrisiko bieten als die Gestorbenen. Gefährlich ist allerdings der Zusammenbruch der Wasserversorgung, Helfer können sie erst nach und nach wiederherstellen. Wegen des Mangels an sauberem Wasser leiden viele an Durchfall. Und weil kaum noch einer ein Dach über dem Kopf hat und es oft regnet, häufen sich Infektionen der Atemwege. Für geschwächte Menschen sind sie lebensbedrohlich.
Endlich wieder ein Dach über dem Kopf - danach sehnen sich jetzt alle, bevor sie überhaupt daran denken können, wie sie künftig ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Das hört auch Birgit Zeitler überall. Sie ist für die Welthungerhilfe in den Philippinen unterwegs und hat sich vor allem Zerstörungen auf der Insel Panay angesehen.
Jenseits der Städte leben die Menschen meist als Bauern, sie haben Kokosplantagen und Bananen angepflanzt, und sie bestellen ihre Reisfelder. Zwar waren in Panay im Westen die Wellen etwas kleiner als auf Samar und Leyte im Osten, dennoch haben die Fluten überall Reisfelder der Bauern zerstört, sie sind vom Meerwasser versalzen. 'Die muss man nun erst ausschöpfen und mit Frischwasser fluten, bevor man sie wieder nutzen kann', sagt die Agraringenieurin Zeitler. Das ist mühsam und zeitraubend. Vor allem dort, wo die Wasserleitungen defekt sind und neu verlegt werden müssen.
Geerntet haben die Bauern meist schon vor dem Sturm, was ein Glück war, wenn sie den Reis schon verkauft haben. Wer ihn lagerte, hat jetzt nichts mehr, und auch das Saatgut für den nächsten Anbau ist meist verloren. 'Die meisten dieser Menschen haben kaum Rücklagen,' sagt Zeitler. Wenn sie nun das knappe Geld ausgeben, um ihre Hütten aufzubauen, fehlt es für das Saatgut oder Werkzeug. Es kommt also jetzt nicht nur auf die akute Nothilfe an, sondern auch auf Mittel und Wege, wie man die zerstörte Landwirtschaft wieder in Gang bekommt.
Wer nach dem Taifun über die Inseln fuhr, sah nichts als abrasierte Kokosplantagen, geknickte Bananenstauden und entwurzelte Baumriesen, die Häuser erdrückten. Es dauert Monate, bis wieder Mauern stehen und Dächer aufgesetzt sind. Bis neue Kokospalmen in den Himmel wachsen, vergehen viele Jahre.
Der Arzt Tankred Stöbe hat gerade eine Frau mit einer tiefen Schnittwunde in der Hüfte behandelt. Sie hat das Blech überlebt. Er berichtet davon am Telefon, als die Nacht schon über Leyte hereingebrochen ist. Mit einem mobilen Ärzteteam fährt er tagsüber von der Hafenstadt Ormoc hinaus, jedes Mal in eine andere Ortschaft. 'Wohin wir bei unseren Fahrten auch kommen, wir hören stets, dass noch kein einziger Arzt da gewesen ist,' sagt Stöbe. Und er spricht nicht einmal von besonders abgelegenen Bergdörfern oder den Orten an fernen Stränden, die alle von der Flut weggespült wurden. Das gibt eine Vorstellung davon, wie viel Hilfe noch nötig ist in den Gebieten, die der Taifun verwüstet hat.
Stöbe ist Vorsitzender von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland und in Zeiten wie diesen auch selbst in Krisengebieten unterwegs. Fast zweihundert Mitarbeiter hat die Nothilfeorganisation von ihren verschiedenen nationalen Büros in die vom Sturm betroffenen Gebiete entsandt. Ihr Ziel ist es, auch in die entlegenen Ortschaften vorzustoßen, wo derzeit vor allem die Amerikaner mit Hubschraubern hinfliegen. Stöbe listete Ende der Woche noch immer acht Orte auf, in die bislang gar keine Hilfe gelangt war.
Die UN-Chefin für humanitäre Hilfe, Valerie Amos, beendete in dieser Woche ihre Reise durchs Katastrophengebiet, und nach anfänglichem Entsetzen über die allgemeine Lähmung der Hilfe schien sie nun doch zufriedener zu sein: 'Jetzt, da die Hilfe fließt, kommen die Menschen wieder auf die Füße.' Aber auch sie erwähnt Orte wie Guiuan, wo noch fast keine Lieferung angekommen ist.
Zwei Wochen nach dem Taifun lässt sich das Ausmaß der Katastrophe einigermaßen in Zahlen greifen. Der Sturm erfasste auf den Philippinen eine Fläche von 57000 Quadratkilometern, das entspricht etwa 80 Prozent der Fläche des Bundeslandes Bayern. Dort leben 18 Millionen Menschen, mehr als eine Million Häuser hat der Taifun zerstört, mindestens vier Millionen Bewohner sind obdachlos. Die Zahl der Toten bezifferten die Behörden am Sonntag auf mehr als 5200, mehr als tausend gelten noch immer als vermisst. Die Chancen, dass sie noch leben, sind verschwindend gering.
Während Ärzte Zehntausende Verwundete und Kranke erst noch erreichen müssen, graben sich professionelle Bergungsteams und Tausende Freiwillige durch die Trümmerberge, mancherorts bergen sie weitere Tote. Das ist eine sehr belastende Arbeit, nicht nur wegen des Geruchs. In Tacloban konnte man schon in den ersten Tagen die Helfer erschöpft am Straßenrand sitzen sehen, bleiche Gesichter hinter dem Mundschutz. Für seelischen Beistand, um verarbeiten, was man sah, war keiner da. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen haben auch Psychologen dabei. Sie beobachten bei den Philippinern eine große Zähigkeit, aber berichten auch von schweren Traumata, von Schlaflosigkeit und plötzlichen Weinattacken, die Überlebende zwischen den Trümmern plötzlich überfallen. Spurlos gehen die Zerstörungen an niemandem vorüber.
Dass die vielen Leichen nun Seuchen auslösen könnten, ist eine weitverbreitete Vorstellung, die sich in vielen Berichten über Naturkatastrophen hartnäckig hält. 'Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem Toten zu infizieren, äußerst gering', sagt Stöbe. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Überlebende in solchen Situationen ein viel höheres Ansteckungsrisiko bieten als die Gestorbenen. Gefährlich ist allerdings der Zusammenbruch der Wasserversorgung, Helfer können sie erst nach und nach wiederherstellen. Wegen des Mangels an sauberem Wasser leiden viele an Durchfall. Und weil kaum noch einer ein Dach über dem Kopf hat und es oft regnet, häufen sich Infektionen der Atemwege. Für geschwächte Menschen sind sie lebensbedrohlich.
Endlich wieder ein Dach über dem Kopf - danach sehnen sich jetzt alle, bevor sie überhaupt daran denken können, wie sie künftig ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Das hört auch Birgit Zeitler überall. Sie ist für die Welthungerhilfe in den Philippinen unterwegs und hat sich vor allem Zerstörungen auf der Insel Panay angesehen.
Jenseits der Städte leben die Menschen meist als Bauern, sie haben Kokosplantagen und Bananen angepflanzt, und sie bestellen ihre Reisfelder. Zwar waren in Panay im Westen die Wellen etwas kleiner als auf Samar und Leyte im Osten, dennoch haben die Fluten überall Reisfelder der Bauern zerstört, sie sind vom Meerwasser versalzen. 'Die muss man nun erst ausschöpfen und mit Frischwasser fluten, bevor man sie wieder nutzen kann', sagt die Agraringenieurin Zeitler. Das ist mühsam und zeitraubend. Vor allem dort, wo die Wasserleitungen defekt sind und neu verlegt werden müssen.
Geerntet haben die Bauern meist schon vor dem Sturm, was ein Glück war, wenn sie den Reis schon verkauft haben. Wer ihn lagerte, hat jetzt nichts mehr, und auch das Saatgut für den nächsten Anbau ist meist verloren. 'Die meisten dieser Menschen haben kaum Rücklagen,' sagt Zeitler. Wenn sie nun das knappe Geld ausgeben, um ihre Hütten aufzubauen, fehlt es für das Saatgut oder Werkzeug. Es kommt also jetzt nicht nur auf die akute Nothilfe an, sondern auch auf Mittel und Wege, wie man die zerstörte Landwirtschaft wieder in Gang bekommt.
Wer nach dem Taifun über die Inseln fuhr, sah nichts als abrasierte Kokosplantagen, geknickte Bananenstauden und entwurzelte Baumriesen, die Häuser erdrückten. Es dauert Monate, bis wieder Mauern stehen und Dächer aufgesetzt sind. Bis neue Kokospalmen in den Himmel wachsen, vergehen viele Jahre.