Nüchterner ist eine Audienz beim Heiligen Vater selten beschrieben worden. Das Treffen diene in erster Linie einem "Uhrenabgleich" zwischen Wladimir Putin und Papst Franziskus, erklärte ein Kreml-Mitarbeiter vor der Abreise des russischen Präsidenten in den Vatikan. Und vielleicht war das Bild gar nicht einmal so falsch gewählt. Denn zumindest eine Gemeinsamkeit dürften die beiden Männer bei ihrer Begegnung am Montagnachmittag festgestellt haben: In ihren jeweiligen Herrschaftsbereichen gehen die Uhren mitunter ein wenig anders als im Rest der Welt; und mitunter passen ihre auf den ersten Blick so unterschiedlichen Reiche dadurch überraschend gut zusammen.
Der hell erleuchtete Petersdom - Besuch aus Moskau hat hier Tradition. Nur mit dem Gegenbesuch mag es noch nicht fukntionieren.
So wie zuletzt Anfang September, als es für einige Tage so aussah, als könnten die USA jeden Moment Raketen gegen das Assad-Regime abfeuern und der Papst einen dringenden Appell an die Teilnehmer des G20-Gipfels in Sankt Petersburg richtete: "Findet eine friedliche Lösung für Syrien." Adressiert war der Brief an den Gastgeber Putin, er muss ihm erschienen sein wie ein Geschenk des Himmels. Durch die geostrategische Brille hatte der Konflikt wie ein Kräftemessen zwischen den einstigen Supermächten gewirkt. Der Papst-Brief machte daraus wieder die brutale Alternative bomben oder nicht bomben - und Putin ging als Retter des Friedens vom Platz.
Beim Blick auf die arabische Welt gibt es noch mehr Gemeinsamkeiten. Was im Westen als Welle der Befreiung aufgenommen worden war, sieht Moskau in erster Linie als Destabilisierung einer Region - eine Entwicklung, die auch dem Vatikan Sorgen macht. Ebenso wie die orthodoxe fürchtet auch die katholische Kirche um die christlichen Minderheiten in den Ländern, die alten Regime hatten ihnen zumindest eine gewisse Sicherheit geboten. Putin und Franziskus nutzen daher ihr Treffen, um ihr Vorgehen bei den Vereinten Nationen, im Europarat und bei der OECD abzustimmen.
Die gemeinsamen Interessen haben Moskau und Rom langsam zusammengeführt. Nach der Auflösung der erklärtermaßen atheistischen Sowjetunion brauchten der Vatikan und die Russische Föderation noch fast zwei Jahrzehnte, bis sie im Dezember 2009 offiziell diplomatische Beziehungen zueinander aufnahmen. Auf persönlicher Ebene ging es etwas schneller. Putin traf sich schon im Jahr 2000 mit Johannes Paul II., da war er noch fast ein unbekannter Präsident, erst vor wenigen Monaten von Boris Jelzin als Nachfolger installiert. Seitdem sind die Papstbesuche zur Tradition geworden; 2003 traf er Johannes Paul II. erneut und 2007 Benedikt XVI.
Nur die Gegenbesuche sind bislang ausgeblieben. Hatte das früher die kommunistische Partei verhindert, ist es nun die orthodoxe Kirche, die Russland als ihr Territorium betrachtet und die Katholiken verdächtigt, sie könnten Gläubige abwerben. Dass der Vatikan auf russischem, also orthodoxem Gebiet eigene Diözesen in erster Linie für katholische Nachfahren eingewanderter Polen und Deutscher gründete, wurde im Patriarchat als Kriegserklärung verstanden. Bis zuletzt blieb dem Krakauer Karol Wojtyla der große Wunsch verwehrt, einmal nach Moskau reisen zu dürfen.
Unter seinen Nachfolgern gab es bislang nur wenig Bewegung. Patriarch Kyrill I. war in seinem früheren Amt als Außenminister der orthodoxen Kirche nach Rom gereist und hatte an ökumenischen Konferenzen teilgenommen, war dafür aber in der eigenen Kirche unter Druck geraten. Im September nun richteten Katholiken und Orthodoxe eine gemeinsame Arbeitsgruppe für kulturelle Zusammenarbeit ein, die im kommenden Jahr ein Festival der traditionellen europäischen christlichen Kultur und einen Weltkongress der Familien in Russland ausrichten soll.
Putin, der seiner eigenen Erzählung zufolge als Kind heimlich getauft wurde, hat die orthodoxe Kirche zuletzt verstärkt eingebunden, um seinen konservativen Kurs abzusichern. Das staatliche Fernsehen zeigt ihn an kirchlichen Feiertagen, wie er Kerzen entzündet und Ikonen küsst. Doch in einem Interview äußerte er einst, jeder wisse doch, dass die Religionen allesamt von Menschen erfunden worden seien. Vorkämpferin dieser konservativen Strömung ist die Duma-Abgeordnete Jelena Misulina, auf deren Initiative hin auch das berüchtigte "Gesetz gegen die Propaganda von Homosexualität" verabschiedet wurde. Kurz vor Putins Abflug nach Rom machte Misulina den Vorschlag, doch das orthodoxe Christentum als Grundlage der russischen Kultur und Identität in die Verfassung aufzunehmen.
Ein Schritt, den der russische Präsident wohl verhindern dürfte, um nicht noch weiter die Spannungen zu den Religionen anzuheizen, die seit Jahrhunderten zu seinem Land gehören. Er wählt daher lieber eine andere Formulierung, in der sich alle wiederfinden können. Die Brücke zwischen konservativen Orthodoxen und konservativen Anhängern der Sowjetunion schlägt er daher, indem er davon spricht, dass die "traditionellen russischen Werte" gegenüber dem Ultraliberalismus des Westens geschützt werden müssen. Ein Gedanke, der auch im Vatikan keineswegs fremd ist.
Der hell erleuchtete Petersdom - Besuch aus Moskau hat hier Tradition. Nur mit dem Gegenbesuch mag es noch nicht fukntionieren.
So wie zuletzt Anfang September, als es für einige Tage so aussah, als könnten die USA jeden Moment Raketen gegen das Assad-Regime abfeuern und der Papst einen dringenden Appell an die Teilnehmer des G20-Gipfels in Sankt Petersburg richtete: "Findet eine friedliche Lösung für Syrien." Adressiert war der Brief an den Gastgeber Putin, er muss ihm erschienen sein wie ein Geschenk des Himmels. Durch die geostrategische Brille hatte der Konflikt wie ein Kräftemessen zwischen den einstigen Supermächten gewirkt. Der Papst-Brief machte daraus wieder die brutale Alternative bomben oder nicht bomben - und Putin ging als Retter des Friedens vom Platz.
Beim Blick auf die arabische Welt gibt es noch mehr Gemeinsamkeiten. Was im Westen als Welle der Befreiung aufgenommen worden war, sieht Moskau in erster Linie als Destabilisierung einer Region - eine Entwicklung, die auch dem Vatikan Sorgen macht. Ebenso wie die orthodoxe fürchtet auch die katholische Kirche um die christlichen Minderheiten in den Ländern, die alten Regime hatten ihnen zumindest eine gewisse Sicherheit geboten. Putin und Franziskus nutzen daher ihr Treffen, um ihr Vorgehen bei den Vereinten Nationen, im Europarat und bei der OECD abzustimmen.
Die gemeinsamen Interessen haben Moskau und Rom langsam zusammengeführt. Nach der Auflösung der erklärtermaßen atheistischen Sowjetunion brauchten der Vatikan und die Russische Föderation noch fast zwei Jahrzehnte, bis sie im Dezember 2009 offiziell diplomatische Beziehungen zueinander aufnahmen. Auf persönlicher Ebene ging es etwas schneller. Putin traf sich schon im Jahr 2000 mit Johannes Paul II., da war er noch fast ein unbekannter Präsident, erst vor wenigen Monaten von Boris Jelzin als Nachfolger installiert. Seitdem sind die Papstbesuche zur Tradition geworden; 2003 traf er Johannes Paul II. erneut und 2007 Benedikt XVI.
Nur die Gegenbesuche sind bislang ausgeblieben. Hatte das früher die kommunistische Partei verhindert, ist es nun die orthodoxe Kirche, die Russland als ihr Territorium betrachtet und die Katholiken verdächtigt, sie könnten Gläubige abwerben. Dass der Vatikan auf russischem, also orthodoxem Gebiet eigene Diözesen in erster Linie für katholische Nachfahren eingewanderter Polen und Deutscher gründete, wurde im Patriarchat als Kriegserklärung verstanden. Bis zuletzt blieb dem Krakauer Karol Wojtyla der große Wunsch verwehrt, einmal nach Moskau reisen zu dürfen.
Unter seinen Nachfolgern gab es bislang nur wenig Bewegung. Patriarch Kyrill I. war in seinem früheren Amt als Außenminister der orthodoxen Kirche nach Rom gereist und hatte an ökumenischen Konferenzen teilgenommen, war dafür aber in der eigenen Kirche unter Druck geraten. Im September nun richteten Katholiken und Orthodoxe eine gemeinsame Arbeitsgruppe für kulturelle Zusammenarbeit ein, die im kommenden Jahr ein Festival der traditionellen europäischen christlichen Kultur und einen Weltkongress der Familien in Russland ausrichten soll.
Putin, der seiner eigenen Erzählung zufolge als Kind heimlich getauft wurde, hat die orthodoxe Kirche zuletzt verstärkt eingebunden, um seinen konservativen Kurs abzusichern. Das staatliche Fernsehen zeigt ihn an kirchlichen Feiertagen, wie er Kerzen entzündet und Ikonen küsst. Doch in einem Interview äußerte er einst, jeder wisse doch, dass die Religionen allesamt von Menschen erfunden worden seien. Vorkämpferin dieser konservativen Strömung ist die Duma-Abgeordnete Jelena Misulina, auf deren Initiative hin auch das berüchtigte "Gesetz gegen die Propaganda von Homosexualität" verabschiedet wurde. Kurz vor Putins Abflug nach Rom machte Misulina den Vorschlag, doch das orthodoxe Christentum als Grundlage der russischen Kultur und Identität in die Verfassung aufzunehmen.
Ein Schritt, den der russische Präsident wohl verhindern dürfte, um nicht noch weiter die Spannungen zu den Religionen anzuheizen, die seit Jahrhunderten zu seinem Land gehören. Er wählt daher lieber eine andere Formulierung, in der sich alle wiederfinden können. Die Brücke zwischen konservativen Orthodoxen und konservativen Anhängern der Sowjetunion schlägt er daher, indem er davon spricht, dass die "traditionellen russischen Werte" gegenüber dem Ultraliberalismus des Westens geschützt werden müssen. Ein Gedanke, der auch im Vatikan keineswegs fremd ist.