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Piraten sortieren sich

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Es gibt sie noch. Und im Netz sind sie sogar immer noch vorne. Genau 88946 Mal wurde auf der Facebook-Seite der Piraten aufs "Gefällt mir"-Feld geklickt. Damit liegt die Piratenpartei weit vor SPD und CDU, aber das Internet ist eben nicht der Bundestag. Nachdem sie bei der Wahl im September nicht ganz eine Million Stimmen und damit gerade einmal 2,2Prozent zusammenbekam, steckt die Partei, die 2011 und 2012 noch in vier Landtage gestürmt war, tief in der Krise.



Dieses Wochenende versammeln sich die Mitglieder der Piratenpartei zu ihrem Bundesparteitag.

Wenn die Mitglieder sich an diesem Wochenende zu ihrem Bundesparteitag in Bremen versammeln, müssen sie ihre Führung ganz neu aufstellen. Parteichef Bernd Schlömer hat seinen Rückzug gleich nach der Bundestagswahl angemeldet, und von den übrigen acht Mitgliedern des Bundesvorstands stellen sich nur zwei wieder zur Wahl. Zuletzt erklärte auch Katharina Nocun, erst im Mai unter Beifallsstürmen zur politischen Geschäftsführerin und neuen Hoffnungsträgerin erkoren, nicht noch einmal antreten zu wollen. "Das kann ich mir weder zeitlich noch finanziell erlauben", schrieb Nocun in ihrem Blog. Sie wolle ihr Studium abschließen, sagte sie der Süddeutschen Zeitung, "wir haben doch noch viele andere Ausnahmetalente bei uns."

Auf der Kandidatenliste für die anstehenden Vorstandswahlen ist davon wenig zu sehen. "So wahnsinnig viele haben sich da nicht angeboten", sagt Bruno Kramm, in Wahlkampf noch bayerischer Spitzenkandidat der Piraten. Auch er selbst fehlt im Angebot: "Ich muss mich mal wieder um mein Geschäft kümmern", sagt der Musiker. Und Marina Weisband, die es einst zur bundesweit bekanntesten Piratin brachte, steht wohl ebenso wenig zur Verfügung. Nach ihrem Psychologie-Studium sucht sie gerade eine gut bezahlte Halbtagsstelle. Gefunden hat sie einen solchen Job noch nicht, daher könne sie sich "die Arbeit im Bundesvorstand im Moment nicht leisten", sagte sie der Tageszeitung taz.

Die Partei habe "schon einige hoch motivierte Leute verschlissen", sagt Stefan Körner, der auch bemerkt haben will, dass nach der Bundestagswahl "unsere Leute nachhaltig weniger aktiv geworden sind". Er will das ändern. Körner, in den vergangenen drei Jahren - für Piraten-Verhältnisse nahezu ewig - Chef des größten Landesverbandes Bayern, geht als Favorit in die Abstimmung um den Parteivorsitz. Der 44-jährige Software-Entwickler gilt als eher kühler, analytischer Kopf, nicht als einer, der eine Parteiversammlung in Wallung versetzt. Als Vertreter jenes Flügels, der die Piraten als Bürgerrechtspartei in der Mitte des politischen Spektrums halten will, hat er aber auch Gegner. Seine Wahl ist alles andere als ausgemacht.

Chancen auf den Vorsitz werden auch dem von Parteilinken unterstützten Hessen Thorsten Wirth, 45, und Christiane Schinkel, 48, ehemals einige Monate lang Landesvorsitzende in Berlin, eingeräumt. Auch Spontanbewerbungen während eines Parteitags haben schon Erfolg gehabt. Eher bizarr muten andere Kandidaten an. Einer wütet gegen "menschenverachtend-undemokratische Methoden" in der Partei, ein anderer preist sich als "Enfant terrible mit Mediatorfähigkeiten" an, und eine "anonyme Kandidatur" eines "Incognitas" gibt es auch - Folklore einer Laien-Partei.

"Wir müssen professioneller werden", verlangt Geschäftsführerin Nocun. Auch andere Promi-Piraten sehen die Partei überfordert, wenn sie wie bisher fast ausschließlich auf ehrenamtliches Engagement setzt. "Wir müssen darüber reden, die Mitglieder des Bundesvorstands und der Verwaltung zu bezahlen", unterstützt Christopher Lauer, Chef-Pirat im Berliner Abgeordnetenhaus, Nocuns Forderung. Viel Geld wird es nicht geben: Nach den zuletzt enttäuschenden Wahlergebnissen rechnet die Bundespartei für 2014 mit weniger als 700000 Euro an Einnahmen. Und von den gut 30000 Mitgliedern haben bis heute nur knapp 12000 ihren Beitrag für 2013 bezahlt.

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