Schnupfen, Husten, Heiserkeit: jedes Jahr rollt auf's Neue die Erkältungswelle an. Forschern ist es jetzt erstmals gelungen, Höhepunkte der Epidemie vorauszusagen.
Sie wird kommen, wie jeden Winter - das immerhin steht fest. Doch wann genau? Und werden die typischen Symptome - Fieber, Husten, Gliederschmerzen - in diesem Jahr mehr Menschen quälen als üblich? Beginn, Höhepunkt und Intensität der alljährlichen Grippewelle im Vorhinein abzuschätzen, ist eine Kunst, die bisher noch niemand wirklich beherrscht. Auf zu vielfältige Weise kann das Influenzavirus auftreten, als dass Forscher seine Verbreitung in der Bevölkerung zuverlässig prognostizieren könnten. Sogar nachdem die Grippewelle bereits begonnen hat, fällt es Experten oft schwer, den weiteren Verlauf abzusehen.
So wirkt der Stolz einigermaßen verständlich, mit dem eine Forschergruppe im Fachmagazin Nature Communication nun verkündet: Erstmals sei es im vergangenen Winter gelungen, die Höhepunkte der regionalen Grippewellen für 108 Städte in den USA einigermaßen akkurat vorauszusagen. Einige der Prognosen sahen das Auftreten der Epidemie mit einem Vorlauf von neun Wochen korrekt vorher. In den meisten Fällen betrug der Vorlauf zwei bis vier Wochen.
Diese Zeitspanne kann reichen, um sich auf eine Grippewelle einzustellen. Ärzte und Behörden können dann zum Beispiel ihre Aufrufe zu Impfungen verstärken. "Wenn man vor dem Zeitpunkt und der Intensität eines Influenza-Ausbruches gewarnt ist, lässt sich ein Teil der Krankheitsfälle verhindern", sagt der Erstautor der aktuellen Studie, Jeffrey Shaman von der Columbia University in New York. Um ihre Vorhersagen zu erstellen, nutzten er und seine Kollegen zum einen die wöchentlichen Berichte der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC. Sie meldet regelmäßig - allerdings mit Verzögerung -, wie viele Influenzafälle den Behörden mitgeteilt wurden.
Diese eher konventionelle Quelle kombinierten die Forscher mit einer neueren: der Datenbank Google Flu Trends. Dort wertet der Suchmaschinen-Konzern aus, wo und wann sich Anfragen zum Thema Grippe häufen. Viele Kranke suchen mithilfe des Internets nach ihren Symptomen, Diagnosen und Medikamenten. "Grippe", "Influenza" und "Fieber" sind daher im Winter oft eingegebene Begriffe. So aber erhält nicht nur der Patient Informationen über seine Krankheit, sondern auch Google erfährt etwas über die Beschwerden seiner Nutzer. Anhand dieser Daten erstellt die Firma Trends, die das aktuelle Grippegeschehen einigermaßen widerspiegeln.
Die Kunst für die Forscher um Shaman bestand darin, aus den Echtzeitdaten eine Vorhersage abzuleiten. Dabei galt es, sowohl das Verhalten des Grippevirus abzuschätzen - zum Beispiel breitet es sich in kalter, trockener Luft leichter aus als in feuchter - als auch das der Menschen, die sich zu Beginn eines Ausbruches womöglich vermehrt impfen lassen. Ihr Prognosemodell verfeinerten die Forscher dann anhand der Erfahrungen aus früheren Grippeepidemien in der Stadt New York. Damit konnten sie die jeweiligen Höhepunkte der Grippewellen in der vergangenen Saison in bis zu 75 der 108 einbezogenen Städte treffend vorhersagen - für eine Influenza-Prognose gilt das als Erfolg. Der allerdings fiel nicht überall gleich aus. "Wir konnten bessere Prognosen in kleineren Städten machen", sagt Shaman.
Influenza-Ausbrüche zuverlässig und frühzeitig absehen zu können, wäre auch für andere Gebiete als die USA hilfreich. Derzeit konzentrieren sich die Bemühungen jedoch meist darauf, wenigstens die aktuellen Infektionen mit möglichst geringer Verzögerung zu erfassen. So sammelt in Deutschland das Robert-Koch-Institut (RKI) unter anderem regelmäßig Berichte über akute Atemwegserkrankungen von etwa 700 Haus- und Kinderärzten. Zu diesen gehören jedoch auch andere Infektionen als die mit dem Influenza-Virus, was die Aussagekraft dieser Daten etwas schwächt. Zusätzlich kann man dem RKI seit gut zwei Jahren direkt seinen Gesundheitsstatus melden. Das Onlineportal Grippeweb (www.grippeweb.rki.de) fragt wöchentlich nach Influenza-Symptomen und ähnlichen Beschwerden. Damit die Daten aussagekräftig sind, müssen die Teilnehmer jedoch auch dann Angaben machen, wenn sie keine Beschwerden haben.
Derzeit ist die Lage übrigens noch recht ruhig, sowohl in den USA als auch in Deutschland und dem Rest von Europa. "Sobald die Nadel ausschlägt, beginnen wir mit neuen Prognosen", verspricht Shaman. Die sollen dann auch für jeden zugänglich sein.