Vor ein paar Tagen hat der Trendforscher Peter Wippermann der Nachrichtenagentur dpa ein Interview gegeben, er referierte darin den Stand der Gegenwartsforschung zum Schenken in der Weihnachtszeit. Gleich zu Beginn des Gesprächs sagte Wippermann einen nachdenklichen Satz, man konnte darin das Eingeständnis einer Krise erkennen: "Unser Besitz hat tatsächlich einen Höhepunkt erreicht." Deswegen, so Wippermann, verändere sich das Schenken - weniger Pyjamas, mehr Reisen und Gutscheine.
Im Museum Vladrina werden dieses Jahr die Traditionen des Schenkens ausgestellt.
Man könnte dieses Jahr mal eine Reise nach Frankfurt an der Oder verschenken, dazu einen Gutschein für einen Besuch im Museum Viadrina. Dort gibt es seit den Neunzigerjahren in jedem Advent eine Weihnachtsausstellung, mal ging es um Krippen, mal um Christbaumschmuck, nächstes Jahr sind Märchen dran. Für dieses Jahr hat Elisabeth Hammann-Labitzke alle möglichen Geschenke aus Gestern und Gegenwart zusammengetragen. Bei der Auswahl war für Hammann-Labitzke nicht allein der Wunsch Vater ihrer Gedanken, das zeigt sie beim kleinen Rundgang. "Warten Sie", sagt Hammann-Labitzke, 33, dann kommt sie mit einer krachbunten Krawatte um die Ecke gewedelt, die selbst beim Scherz- und Schrottwichteln nur schlechten Gewissens einzureichen wäre.
Einen aber wird es treffen, die Krawatte wandert in eine der vier Boxen im zweiten Raum der Ausstellung. Besucher können dort die "in ihren Augen unerwünschtesten und deplatziertesten Weihnachtsgeschenke" abgeben und im Tausch ein anderes Päckchen mitnehmen. Für den Anfang hat das Museum den Gabentisch notdürftig eingedeckt. Neben der Krawatte gibt es eine Vase oder ein Buch mit den 300 angeblich besten Politikerwitzen. Hammann-Labitzke hat aus eigenem Bestand eine "komische Strickjacke" eingebracht. Mit solchem Quatsch lockt man Leute ins Museum, vielleicht auch mit den vier Vitrinen, in denen lokale Händler Geschenkideen aus eigenem Hause bewerben dürfen.
Lehrreicher aber ist dann doch der Blick in die Vergangenheit. Wer im Jahr 1885 Kind war, der durfte sich nicht wundern, wenn Pickelhaube und Säbel unter dem Baum lagen. Wer 1911 für den Vater nach einer kleineren Klinge suchte, dem empfahl eine Annonce im Wohnungsanzeiger den Gang zum Stahlwarengeschäft: "Bitte lieber Weihnachtsmann gieb mir doch ein ,Giletta" für mein Papa." Und wer später seinem Mann "den größten Wunsch" erfüllen wollte, dem wurde geraten, "das herrliche Haarpflegemittel Dr. Dralle"s Birken-Wasser" zu kaufen. Den halben Liter gab es für sechs Reichsmark, den guten Rat dazu umsonst. Die Anzeige erklärt umständlich, dass Frauen umso mehr bei Dr. Dralle kaufen sollten, je lichter das Haar ihrer Männer wird. Denn "das Beste gewinnt an Wert, wenn liebevolles Verständnis es zum Geschenk darbringt".
Und für Mutti? Die Elbra-Sporthaube Nr. 114 "für Sport, Frisur und Beruf" lobt Hammann-Labitzke als "doch sehr kleidsam". Auf einer Anzeige daneben schaut die "liebe Augusta" dusselig auf den Brief und die Heißluftpistole in ihren Händen, im Hintergrund grüßt ein verhungerter Weihnachtsbaum, darunter eine Bildunterschrift: "Oh! Sie fühlt sich sehr geschmeichelt, als sie liest mit lieblichem Erröten: Foen ist zur Haar- und Schönheitspflege sehr vonnöten!" Das allerdings reicht nur für Platz zwei in der nach oben offenen Gaga-Skala für Fön-Anzeigen. Auf einer anderen nämlich läuft ein Weihnachtsengel über eine Wiese und fönt den Schnee weg. Heute sähe man darin einen kritischen Kommentar zum Klimawandel, vor knapp 90 Jahren war es ein stolzer Ausweis des technischen Fortschritts.
Weihnachtszeiten ändern sich. Für Natalie, 10, waren "Tablet und Handy" die schönsten Weihnachtsgeschenke, Leo, 9, freute sich über seinen "Hamster Herkules" und Amy, 10, über "Mein Kuscheltier Hasi". So ist es nachzulesen auf einer Wand mit Bildern, die Hammann-Labitzke in einem Kindergarten und einer Grundschule in Auftrag gegeben hat. Die Kinder sollten ihre schönsten Erinnerungen an Weihnachtsgeschenke malen. Maximilian, 9, zeichnete ein paar Blüten, in Gedenken an das "Geldgeschenk 100 Euro". Arjuna, 7, ist nachhaltig begeistert von ihrem "Riesenglubschi", auf vielen anderen Bildern scheint das Possessiv-Pronomen von größerer Bedeutung zu sein als das eigentliche Geschenk: mein Sitzsack, mein Vampirkostüm, meine Ohrringe.
Unter Erwachsenen ließ Hammann-Labitzke eine ganz ähnliche Umfrage durchführen. Sie mussten zwar keine Bilder malen, aber ihre Antworten sind zum Teil trotzdem eindrucksvoll. So schreibt ein 31-jährige Frau: "Vor acht Jahren haben sich Eltern und Großeltern vertragen und die gesamte Familie hat gemeinsam Weihnachten gefeiert. Das war mein schönstes Weihnachtsgeschenk." So kann man das ja auch sehen: Dass Schenken erst dann besonders wertvoll wird, wenn es nicht im sorglosen Überfluss des Sächlichen erfolgt. Elisabeth Hammann-Labitzke wird in diesem Jahr einen Schmortopf bekommen, das weiß sie schon. Sie wird aber auch danach sagen, dass das schönste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten diese kleinen Schächtelchen mit Teelichtern und Engeln waren, die sie einmal von einer Freundin bekommen hat. "Da ging es einfach um das Signal: Du bist mir wichtig."
In einem der Bilder glaubt Hammann-Labitzke den Kern des Weihnachtsfestes erkannt zu haben. Es zeigt eine Mutter mit einem Kind auf dem Arm. Das Kind freut sich über den Holzelefanten, den es gerade bekommen hat - die Mutter freut sich über die Freude ihres Kindes. Der Elefant stammt von der Annahmestelle für die Aktion "Rettet die Kinder", das Bild datiert auf Dezember 1945. Friedensweihnacht. Aber auch: Armut, Hunger, und auf den Bildern viele Kinder, denen der Krieg nur die Mutter gelassen hatte. Wie weit all das tatsächlich und gefühlt schon wieder weg ist, merkt man beim Verlassen der Ausstellung. Vom Militär ist nur die Feldküche in Form einer Gulaschkanone geblieben. Und bevor die Leute vom Marktplatz aus weiterziehen, um Föne oder Birkenwässer zu kaufen, wird noch mal ordentlich gevöllert. Die programmatische Ansage für das Jahr 2013 kommt von der Kanone selbst, auf ihr steht: "Ist der Hunger noch so klein, eine Grillwurst, die passt immer rein."
Im Museum Vladrina werden dieses Jahr die Traditionen des Schenkens ausgestellt.
Man könnte dieses Jahr mal eine Reise nach Frankfurt an der Oder verschenken, dazu einen Gutschein für einen Besuch im Museum Viadrina. Dort gibt es seit den Neunzigerjahren in jedem Advent eine Weihnachtsausstellung, mal ging es um Krippen, mal um Christbaumschmuck, nächstes Jahr sind Märchen dran. Für dieses Jahr hat Elisabeth Hammann-Labitzke alle möglichen Geschenke aus Gestern und Gegenwart zusammengetragen. Bei der Auswahl war für Hammann-Labitzke nicht allein der Wunsch Vater ihrer Gedanken, das zeigt sie beim kleinen Rundgang. "Warten Sie", sagt Hammann-Labitzke, 33, dann kommt sie mit einer krachbunten Krawatte um die Ecke gewedelt, die selbst beim Scherz- und Schrottwichteln nur schlechten Gewissens einzureichen wäre.
Einen aber wird es treffen, die Krawatte wandert in eine der vier Boxen im zweiten Raum der Ausstellung. Besucher können dort die "in ihren Augen unerwünschtesten und deplatziertesten Weihnachtsgeschenke" abgeben und im Tausch ein anderes Päckchen mitnehmen. Für den Anfang hat das Museum den Gabentisch notdürftig eingedeckt. Neben der Krawatte gibt es eine Vase oder ein Buch mit den 300 angeblich besten Politikerwitzen. Hammann-Labitzke hat aus eigenem Bestand eine "komische Strickjacke" eingebracht. Mit solchem Quatsch lockt man Leute ins Museum, vielleicht auch mit den vier Vitrinen, in denen lokale Händler Geschenkideen aus eigenem Hause bewerben dürfen.
Lehrreicher aber ist dann doch der Blick in die Vergangenheit. Wer im Jahr 1885 Kind war, der durfte sich nicht wundern, wenn Pickelhaube und Säbel unter dem Baum lagen. Wer 1911 für den Vater nach einer kleineren Klinge suchte, dem empfahl eine Annonce im Wohnungsanzeiger den Gang zum Stahlwarengeschäft: "Bitte lieber Weihnachtsmann gieb mir doch ein ,Giletta" für mein Papa." Und wer später seinem Mann "den größten Wunsch" erfüllen wollte, dem wurde geraten, "das herrliche Haarpflegemittel Dr. Dralle"s Birken-Wasser" zu kaufen. Den halben Liter gab es für sechs Reichsmark, den guten Rat dazu umsonst. Die Anzeige erklärt umständlich, dass Frauen umso mehr bei Dr. Dralle kaufen sollten, je lichter das Haar ihrer Männer wird. Denn "das Beste gewinnt an Wert, wenn liebevolles Verständnis es zum Geschenk darbringt".
Und für Mutti? Die Elbra-Sporthaube Nr. 114 "für Sport, Frisur und Beruf" lobt Hammann-Labitzke als "doch sehr kleidsam". Auf einer Anzeige daneben schaut die "liebe Augusta" dusselig auf den Brief und die Heißluftpistole in ihren Händen, im Hintergrund grüßt ein verhungerter Weihnachtsbaum, darunter eine Bildunterschrift: "Oh! Sie fühlt sich sehr geschmeichelt, als sie liest mit lieblichem Erröten: Foen ist zur Haar- und Schönheitspflege sehr vonnöten!" Das allerdings reicht nur für Platz zwei in der nach oben offenen Gaga-Skala für Fön-Anzeigen. Auf einer anderen nämlich läuft ein Weihnachtsengel über eine Wiese und fönt den Schnee weg. Heute sähe man darin einen kritischen Kommentar zum Klimawandel, vor knapp 90 Jahren war es ein stolzer Ausweis des technischen Fortschritts.
Weihnachtszeiten ändern sich. Für Natalie, 10, waren "Tablet und Handy" die schönsten Weihnachtsgeschenke, Leo, 9, freute sich über seinen "Hamster Herkules" und Amy, 10, über "Mein Kuscheltier Hasi". So ist es nachzulesen auf einer Wand mit Bildern, die Hammann-Labitzke in einem Kindergarten und einer Grundschule in Auftrag gegeben hat. Die Kinder sollten ihre schönsten Erinnerungen an Weihnachtsgeschenke malen. Maximilian, 9, zeichnete ein paar Blüten, in Gedenken an das "Geldgeschenk 100 Euro". Arjuna, 7, ist nachhaltig begeistert von ihrem "Riesenglubschi", auf vielen anderen Bildern scheint das Possessiv-Pronomen von größerer Bedeutung zu sein als das eigentliche Geschenk: mein Sitzsack, mein Vampirkostüm, meine Ohrringe.
Unter Erwachsenen ließ Hammann-Labitzke eine ganz ähnliche Umfrage durchführen. Sie mussten zwar keine Bilder malen, aber ihre Antworten sind zum Teil trotzdem eindrucksvoll. So schreibt ein 31-jährige Frau: "Vor acht Jahren haben sich Eltern und Großeltern vertragen und die gesamte Familie hat gemeinsam Weihnachten gefeiert. Das war mein schönstes Weihnachtsgeschenk." So kann man das ja auch sehen: Dass Schenken erst dann besonders wertvoll wird, wenn es nicht im sorglosen Überfluss des Sächlichen erfolgt. Elisabeth Hammann-Labitzke wird in diesem Jahr einen Schmortopf bekommen, das weiß sie schon. Sie wird aber auch danach sagen, dass das schönste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten diese kleinen Schächtelchen mit Teelichtern und Engeln waren, die sie einmal von einer Freundin bekommen hat. "Da ging es einfach um das Signal: Du bist mir wichtig."
In einem der Bilder glaubt Hammann-Labitzke den Kern des Weihnachtsfestes erkannt zu haben. Es zeigt eine Mutter mit einem Kind auf dem Arm. Das Kind freut sich über den Holzelefanten, den es gerade bekommen hat - die Mutter freut sich über die Freude ihres Kindes. Der Elefant stammt von der Annahmestelle für die Aktion "Rettet die Kinder", das Bild datiert auf Dezember 1945. Friedensweihnacht. Aber auch: Armut, Hunger, und auf den Bildern viele Kinder, denen der Krieg nur die Mutter gelassen hatte. Wie weit all das tatsächlich und gefühlt schon wieder weg ist, merkt man beim Verlassen der Ausstellung. Vom Militär ist nur die Feldküche in Form einer Gulaschkanone geblieben. Und bevor die Leute vom Marktplatz aus weiterziehen, um Föne oder Birkenwässer zu kaufen, wird noch mal ordentlich gevöllert. Die programmatische Ansage für das Jahr 2013 kommt von der Kanone selbst, auf ihr steht: "Ist der Hunger noch so klein, eine Grillwurst, die passt immer rein."