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Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Verschlafen ist keine Ausrede mehr für Schüler in Dänemark.
Das ist unsere Welt: Frauen gegen Männer, Junge gegen Alte, Bosse gegen Knechte, Reiche gegen Arme, alle gegen Schnappschildkröte Lotti und sogar Eltern gegen Kinder. Oder besser: Kinder gegen Eltern. Es ist doch längst so, dass die Mutter morgens mit duftendem Tee und einem liebevoll zubereiteten Quark-Marmelade-Toast an die Betten der Kleinen tritt und sanft etwas von 'bitte langsam aufwachen' und 'ganz lieben Kindern' spricht, doch den verdienten Dank nicht findet. Stattdessen schlagen ihr schlimme Verwünschungen entgegen, hervorgekrächzt aus den Tiefen der Kissen. Nur mit Lockmitteln sind die Kinder von heute noch aus den Betten zu bekommen. Ja, manche drehen sich grunzend um und pennen einfach weiter.
Wirkmächtigere Methoden des Weckens sind heute verpönt, etwa das gute alte: Licht an - Fenster auf - Kaltluft rein - Decken weg - und - das - Ganze - dalli! Wer derlei noch praktiziert, gerät leicht in den Ruch, ein haltloser, kindliche Empfindungswelten roh vernachlässigender Geselle zu sein. Zudem sinkt die Zahl jener Väter beständig, die wecktechnisch noch in der Grundausbildung sozialisiert wurden. Ein Blecheimer, schwungvoll ins Kinderzimmer gekickt wie seinerzeit vom Uffz in die Stube der jungen Panzergrenadiere, bewirkt zwar immer noch Wunder und zeitiges Eintreffen des Nachwuchses zur ersten Schulstunde. Leicht aber hat dieses taktische Vorgehen einen Anruf des von besorgten Nachbarn verständigten Jugendamts zur Folge. Sogar beim Bund selbst wäre eine Dienstaufsichtsbeschwerde noch die geringste Folge, da der Rekrut heute eine Art umworbener Kunde ist, den der Vorgesetzte nach neuen Planungen der Hardthöhe morgens mit einem frisch gebrühten Kaffee an den Ausbildungstag heranzuführen hat.
Wie also bekommt man die Kinder aus den Federn? Die Stadt Kopenhagen geht hier innovative Wege. Der skandinavische Wohlfahrtsstaat sieht es als Aufgabe der Behörden an, den Menschen nicht nur von der Wiege bis zur Bahre, sondern auch bis ans Kinderbett zu umsorgen. Daher rufen im Stadtteil Østerbro kommunale Sozialarbeiter morgens bei jenen jungen Menschen an, die sich sonst erst gegen Mittag oder auch gar nicht zum Unterricht einfinden. Durch ein didaktisch modernsten Ansprüchen folgendes Gespräch wird dem ausbleibenden Kind sodann der zeitnahe Schulbesuch empfohlen. Kulturkritischen Einwänden hält die Behörde entgegen, dass sich ein gutes Drittel der Mädchen und Jungen aus der Zielgruppe bereits wieder daran gewöhnt habe, zu geregelten Zeiten die Lehranstalt aufzusuchen. Und die anderen zwei Drittel? Sieht so aus, als nutzten sie ein bewährtes Mittel gegen Telefonklingeln und andere Formen der Ruhestörung: Sie ziehen die Decke über den Kopf und schlafen weiter.