Am Tisch in der Privatwohnung im ersten Stock im Astweg in Hamburg-Eidelstedt sitzen fünf junge Männer. In den Regalen stapeln sich Lötkolben und Technikbücher. Vor Wirtschaftsinformatiker Matthias Lanz, Informatiker Timo Schäpe, Toningenieur Adrian Nötzel, Psychologe Johannes Wittig und Betriebswirt Jörg Land liegen die aktuellen klinischen Studien der Universität Münster, die sich mit Therapiemethoden für Tinnitus-Erkrankte beschäftigen. Das Piepen, Pfeifen oder Rauschen wird von den Betroffenen als quälendes Geräusch im Ohr empfunden. Bundesweit leiden laut der deutschen Tinnitus-Liga etwa drei Millionen Menschen an dieser Erkrankung. Auch über die Ergebnisse der Diplomarbeit von Nötzel diskutiert das Quintett. Titel: "Konzeption und Überprüfung der technischen Realisierbarkeit einer individuellen Musiktherapie gegen Tinnitus auf Basis klinischer Studien." Nötzel entwickelte für seine Abschlussarbeit eine Software, die auf den Ergebnissen der Münsteraner Forscher basiert. Jörg Land: "Nach und nach wurde uns klar, wie wir aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Produkt entwickeln können, das Patienten tatsächlich helfen kann." Und ein Produkt, mit dem man Geld verdienen kann.
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Jungunternehmer entwickeln den Prototyp des sogenannten "Tinnitracks". Mit Musik der Patienten wird der Tinitus gelindert.
Das Treffen im Astweg liegt zwei Jahre zurück. Seither hat sich viel getan: 2012 wurde die Sonormed GmbH in Hamburg gegründet. Vor 14 Monaten haben die Jungunternehmer den Prototyp eines neues Produktes fertiggestellt: Tinnitracks. Seit einem Jahr läuft die Patentprüfung. Sicher ist aber schon: Tinnitracks eignet sich zur Therapie von chronischem tonalen Tinnitus. Wie? Das Prinzip ist einfach: Zunächst wird die Tinnitus-Frequenz des Patienten festgestellt. Das macht ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Hörgeräte-Akustiker. Die Frequenz lässt sich in Hertz ausdrücken. Dieser individuelle Ton wird mithilfe der speziellen Software, die von Toningenieur Nötzel entwickelt wurde, aus den Musikstücken, die der Patient online schickt, herausgefiltert. Wenn der Patient diese bearbeiteten Musikstücke hört, werden die für den Tinnitus verantwortlichen Nervenzellen im Hörzentrum des Gehirns nicht angesprochen. Die Aktivität der gesunden Zellen wird dagegen verstärkt. "Dies kann zu einer nachhaltigen Linderung des Tinnitus führen", erklärt der 29 Jahre alte Toningenieur. Studien haben ergeben, dass der Effekt nach etwa einem Jahr eintritt - täglich eine Stunde "Training" vorausgesetzt.
Der Vorteil der Entwicklung des Toningenieurs aus dem Norden: Jeder, der unter den störenden Tönen leidet, kann die Therapie in Eigenregie durchführen. Auf der Seite www.tinnitracks.com werden die drei notwendigen Schritte erläutert: Zuerst die Tinnitus-Frequenz, die Arzt oder Akustiker ermittelt haben, eingeben. Dann werden am Computer die Musikdateien ausgewählt, die gefiltert werden sollen. Die Software erkennt, ob sich die Dateien zur Therapie eignen, und wandelt sie um. Schließlich lädt der Patient die therapiegerechte Musik auf sein MP3-Abspielgerät - und los geht es. Das kostet 539 Euro Lizenzgebühr für ein Jahr und so viele Lieder, wie man möchte.
Erste Erfahrungen mit der Methode haben gezeigt, dass bei diesem Therapieansatz die Patienten länger mitmachen als bei Therapien, für die sie regelmäßig eine Praxis oder ein Institut aufsuchen müssen. Christo Pantev vom Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse am Universitätsklinikum Münster rät Patienten: "Wichtig ist, dass Sie die Musik, die Sie hören, mögen, also aufmerksam zuhören." Auch wichtig: Man sollte sich die bearbeitete Lieblingsmusik entspannt zu Hause oder unterwegs in ruhiger Umgebung anhören. Wer hochwertige Kopfhörer mit einem geringen Klirrfaktor hat, kann das auch in der U-Bahn oder im Bus machen. "Es dürfen keine Nebengeräusche zu hören sein", warnt Nötzel. Um optimale Bedingungen zu schaffen, sind die Hamburger eine Kooperation mit dem niedersächsischen Hersteller Sennheiser eingegangen. "Wir haben unsere Software auf diese Kopfhörer optimiert", sagt Sonormed-Geschäftsführer Land.
Adrian Nötzel hat vier Jahre an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert. Es ist die zweitgrößte Hochschule in Hamburg und die drittgrößte Fachhochschule in Deutschland. Der Diplomingenieur für Medientechnik hat parallel zu seinem Studium in einem Musiktonstudio gearbeitet und als Tonmischer im Theater. Eine spezielle medizinische Ausbildung hat der Tinnitracks-Entwickler, dessen Mutter Kinderärztin und dessen Vater Dirigent ist, nicht.
Fazit: Zwar können Tinnitus-Erkrankte "nach dem jetzigen Wissensstand keine Heilung erwarten", wie Birgit Mazurek, leitende Ärztin des Tinnituszentrums der Berliner Charité, erklärt. Aber die Musiktherapie, das scheint gesichert zu sein, verspricht eine erhebliche Erleichterung. Die Toningenieure haben einen Weg dorthin gefunden. Durchaus ein Glanzstück für das Berufsbild.

Jungunternehmer entwickeln den Prototyp des sogenannten "Tinnitracks". Mit Musik der Patienten wird der Tinitus gelindert.
Das Treffen im Astweg liegt zwei Jahre zurück. Seither hat sich viel getan: 2012 wurde die Sonormed GmbH in Hamburg gegründet. Vor 14 Monaten haben die Jungunternehmer den Prototyp eines neues Produktes fertiggestellt: Tinnitracks. Seit einem Jahr läuft die Patentprüfung. Sicher ist aber schon: Tinnitracks eignet sich zur Therapie von chronischem tonalen Tinnitus. Wie? Das Prinzip ist einfach: Zunächst wird die Tinnitus-Frequenz des Patienten festgestellt. Das macht ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Hörgeräte-Akustiker. Die Frequenz lässt sich in Hertz ausdrücken. Dieser individuelle Ton wird mithilfe der speziellen Software, die von Toningenieur Nötzel entwickelt wurde, aus den Musikstücken, die der Patient online schickt, herausgefiltert. Wenn der Patient diese bearbeiteten Musikstücke hört, werden die für den Tinnitus verantwortlichen Nervenzellen im Hörzentrum des Gehirns nicht angesprochen. Die Aktivität der gesunden Zellen wird dagegen verstärkt. "Dies kann zu einer nachhaltigen Linderung des Tinnitus führen", erklärt der 29 Jahre alte Toningenieur. Studien haben ergeben, dass der Effekt nach etwa einem Jahr eintritt - täglich eine Stunde "Training" vorausgesetzt.
Der Vorteil der Entwicklung des Toningenieurs aus dem Norden: Jeder, der unter den störenden Tönen leidet, kann die Therapie in Eigenregie durchführen. Auf der Seite www.tinnitracks.com werden die drei notwendigen Schritte erläutert: Zuerst die Tinnitus-Frequenz, die Arzt oder Akustiker ermittelt haben, eingeben. Dann werden am Computer die Musikdateien ausgewählt, die gefiltert werden sollen. Die Software erkennt, ob sich die Dateien zur Therapie eignen, und wandelt sie um. Schließlich lädt der Patient die therapiegerechte Musik auf sein MP3-Abspielgerät - und los geht es. Das kostet 539 Euro Lizenzgebühr für ein Jahr und so viele Lieder, wie man möchte.
Erste Erfahrungen mit der Methode haben gezeigt, dass bei diesem Therapieansatz die Patienten länger mitmachen als bei Therapien, für die sie regelmäßig eine Praxis oder ein Institut aufsuchen müssen. Christo Pantev vom Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse am Universitätsklinikum Münster rät Patienten: "Wichtig ist, dass Sie die Musik, die Sie hören, mögen, also aufmerksam zuhören." Auch wichtig: Man sollte sich die bearbeitete Lieblingsmusik entspannt zu Hause oder unterwegs in ruhiger Umgebung anhören. Wer hochwertige Kopfhörer mit einem geringen Klirrfaktor hat, kann das auch in der U-Bahn oder im Bus machen. "Es dürfen keine Nebengeräusche zu hören sein", warnt Nötzel. Um optimale Bedingungen zu schaffen, sind die Hamburger eine Kooperation mit dem niedersächsischen Hersteller Sennheiser eingegangen. "Wir haben unsere Software auf diese Kopfhörer optimiert", sagt Sonormed-Geschäftsführer Land.
Adrian Nötzel hat vier Jahre an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert. Es ist die zweitgrößte Hochschule in Hamburg und die drittgrößte Fachhochschule in Deutschland. Der Diplomingenieur für Medientechnik hat parallel zu seinem Studium in einem Musiktonstudio gearbeitet und als Tonmischer im Theater. Eine spezielle medizinische Ausbildung hat der Tinnitracks-Entwickler, dessen Mutter Kinderärztin und dessen Vater Dirigent ist, nicht.
Fazit: Zwar können Tinnitus-Erkrankte "nach dem jetzigen Wissensstand keine Heilung erwarten", wie Birgit Mazurek, leitende Ärztin des Tinnituszentrums der Berliner Charité, erklärt. Aber die Musiktherapie, das scheint gesichert zu sein, verspricht eine erhebliche Erleichterung. Die Toningenieure haben einen Weg dorthin gefunden. Durchaus ein Glanzstück für das Berufsbild.