Obama als Inkarnation des Bösen: In den USA kämpfen konservative Weiße verbissen gegen die Folgen ihres demografischen und kulturellen Abstiegs.
Am 6. November, dem Tag der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten, geht es um alles - nicht nur für Barack Obama und Mitt Romney, sondern auch für die konservativen weißen Wähler im Land. Denn Demografie und kultureller Wandel drängen sie zunehmend in die Kulisse. Seit Jahren sind Weiße nur noch eine Minderheit in den beiden größten Bundesstaaten Kalifornien und Texas. Zwischen Juli 2010 und Juli 2011 kamen in den USA erstmals mehr nichtweiße als weiße Babys zur Welt. In 30 Jahren wird die Nation mehrheitlich nichtweiß sein. Vor allem die Gemeinden der Latinos und Asiaten wachsen rasant. Diese Trends spielen der Demokratischen Partei in die Hände. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2008 votierten 53 Prozent der Amerikaner für Obama - bei den Schwarzen kam er auf 95, bei den Latinos auf 67 und bei den Asiaten auf 62 Prozent. Dagegen gaben ihm nur 43 Prozent der Weißen ihre Stimme.
Neben dem demografischen begünstigt auch der kulturelle Wandel langfristig die Demokraten. Denn es gibt immer weniger Protestanten und eifrige Kirchgänger in den USA - und von ihnen wählten 2008 nur 45 beziehungsweise 43 Prozent Obama. Dagegen wächst die Anzahl der Katholiken und vor allem der religiös Ungebundenen, sie machen heute 24 und 16 Prozent der Bevölkerung aus. Insgesamt werden die USA weltlicher. 1964 glaubten noch zwei von drei Amerikanern, dass die Bibel Buchstabe für Buchstabe wahr ist - 2009 tat das nur noch jeder Vierte. 57 Prozent der über 64-Jährigen glauben an einen Schöpfergott, die unter 30-Jährigen nur noch zu einem Anteil von 45 Prozent.
Gleichzeitig akzeptieren immer mehr Amerikaner säkulare Werte. Homosexualität ist heute weniger verpönt als zu jedem anderen Zeitpunkt. Das Zusammenleben ohne Trauschein und Heiraten über Hautfarbengrenzen hinweg sind normal, kaum jemand will noch Abtreibungen verboten sehen. Frauen arbeiten in wachsender Zahl außerhalb des Hauses. Junge Leute, religiös Ungebundene, Liberale, Frauen und Katholiken wählten 2008 aber überproportional Obama und die Demokraten.
Für die Republikanische Partei sind das keine guten Nachrichten - ihr traditionelles Milieu schrumpft. Die Partei öffnet sich jedoch kaum, große Teile suchen ihr Heil sogar in der Flucht nach rechts. Seine Wurzeln hat dieser neue Konservativismus in den 1960er-Jahren. Damals erschütterten Bürgerrechtsbewegung, Vietnamkriegsproteste, Rock "n"Roll und sexuelle Befreiung das traditionelle Gesellschaftsbild. Vielen weißen Amerikanern vor allem im hochreligiösen Bibelgürtel im Süden und Mittleren Westen war dies ein Kulturbruch, ein Bote des Untergangs. Die Republikaner boten den verunsicherten traditionell orientierten Bürgern Heimat. Und so mutierte ausgerechnet jene Partei, in der sich einst die fortschrittlichen Gegner der Sklaverei gesammelt hatten, zur Partei des Antiprotests.
Schon Nixon appellierte entsprechend an die 'schweigende Mehrheit' im Land, Reagan hofierte die religiöse Rechte, Bush junior war gar einer von ihr. Die Tea-Party-Bewegung ist die jüngste und radikalste Inkarnation dieses Konservativismus. Gemäßigte Republikaner werden als 'Rinos' (Republicans in name only - nur dem Namen nach Republikaner) verspottet und aus der Partei getrieben. Dort geben heute die Tea Party und fundamentalistische Christen den Ton an. Sie rekrutieren sich primär aus älteren weißen Männern, die sich kulturell und demografisch abgehängt sehen und sich dagegen mit aller Macht aufbäumen. Die Erzkonservativen sind deshalb so laut, weil sie fast alle großen ideologischen Schlachten verlieren. 'Sieger protestieren nicht', kommentiert dies der britische Soziologe Steve Bruce.
Obama ist für die Tea Party das perfekte Feindbild, weil er ihre Urängste verkörpert: Er ist Sohn eines schwarzen Immigranten und einer Weißen, sein zweiter Vorname lautet Hussein. In Indonesien ist er groß geworden, linksliberal, Absolvent der Elite-Uni Harvard. Xenophobie, Überfremdungsängste und Anti-Intellektualismus verstärken sich in seiner Person wechselseitig. Dass so viele Tea-Party-Anhänger glauben, Obama sei Muslim und im Ausland geboren und damit ein illegitimer Präsident, liegt in der Fluchtlinie ihrer Logik. Wer nicht ist wie wir, kann Amerika nicht rechtmäßig vertreten.
Selbst Romney akzeptierten die republikanischen Parteiaktivisten in den Vorwah-len erst, als sich alle ultrakonservativen Kandidaten bis auf die Knochen blamiert hatten. Aber Romney, eigentlich ein Mann des gemäßigten Flügels, musste vorher alle seine liberalen Positionen räumen. Nach seiner offiziellen Nominierung Ende August stellte er jedoch fest, dass er mit rechten Parolen allein keine Mehrheit der Wähler hinter sich bringen konnte. Deshalb übt er nun den Spagat: Auf der einen Seite hat er im Wahlkampf versucht, die eigene Basis mit scharfen Angriffen auf Obama bei der Stange zu halten. Auf der anderen Seite fischt er im größer gewordenen Milieu der Demokratischen Partei nach Stimmen. Gezielt umwirbt er Frauen, Latinos und junge Leute mit dem Argument, auch ihnen sollte es zunächst um ihre Jobs gehen - und die garantiere er besser als Obama.
Die Taktik hat durchaus gewirkt. Zum einen, weil auch in den USA die Anzahl der Wechselwähler zunimmt: Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu bedeutet nicht mehr, dass einer automatisch eine bestimmte Partei wählt. Und dann brachte dieser neue, gemäßigte Romney den Präsidenten völlig aus dem Tritt. Seither ist Obamas Vorsprung in den Umfragen nur mehr hauchdünn.
Vielleicht reicht Romney der späte Schwenk zur Mitte sogar für den Sieg; vielleicht ist es nur ein Wirbelsturm, der Obamas zweite Amtszeit rettet. Langfristig aber können die Republikaner nicht darauf bauen, dass sie auf der Zielgeraden das Ruder noch herumreißen. Vielmehr müssen sie sich den wachsenden Wählergruppen öffnen und auf deren Anliegen eingehen. Es genügt nicht, nur ein paar Vertreter von Minderheiten auf Parteitagen nach vorn zu schieben, Condoleezza Rice zum Beispiel, die ehemalige schwarze Außenministerin, oder Senator Marco Rubio, Kind kubanischer Einwanderer.
Die Republikaner könnten sich ein Beispiel ausgerechnet an Bill Clinton nehmen. Er führte eine dezidiert linke Demokratische Partei in den 1990er-Jahren in die Mitte der Gesellschaft zurück. Vorausgegangen waren drei schmerzliche Niederlagen der Demokraten bei Präsidentschaftswahlen. Wahrscheinlich müssen auch die Republikaner erst verlieren, um aus dem konservativen Verlies auszubrechen, in das sie Tea Party und religiöse Rechte geführt haben.
Am 6. November, dem Tag der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten, geht es um alles - nicht nur für Barack Obama und Mitt Romney, sondern auch für die konservativen weißen Wähler im Land. Denn Demografie und kultureller Wandel drängen sie zunehmend in die Kulisse. Seit Jahren sind Weiße nur noch eine Minderheit in den beiden größten Bundesstaaten Kalifornien und Texas. Zwischen Juli 2010 und Juli 2011 kamen in den USA erstmals mehr nichtweiße als weiße Babys zur Welt. In 30 Jahren wird die Nation mehrheitlich nichtweiß sein. Vor allem die Gemeinden der Latinos und Asiaten wachsen rasant. Diese Trends spielen der Demokratischen Partei in die Hände. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2008 votierten 53 Prozent der Amerikaner für Obama - bei den Schwarzen kam er auf 95, bei den Latinos auf 67 und bei den Asiaten auf 62 Prozent. Dagegen gaben ihm nur 43 Prozent der Weißen ihre Stimme.
Neben dem demografischen begünstigt auch der kulturelle Wandel langfristig die Demokraten. Denn es gibt immer weniger Protestanten und eifrige Kirchgänger in den USA - und von ihnen wählten 2008 nur 45 beziehungsweise 43 Prozent Obama. Dagegen wächst die Anzahl der Katholiken und vor allem der religiös Ungebundenen, sie machen heute 24 und 16 Prozent der Bevölkerung aus. Insgesamt werden die USA weltlicher. 1964 glaubten noch zwei von drei Amerikanern, dass die Bibel Buchstabe für Buchstabe wahr ist - 2009 tat das nur noch jeder Vierte. 57 Prozent der über 64-Jährigen glauben an einen Schöpfergott, die unter 30-Jährigen nur noch zu einem Anteil von 45 Prozent.
Gleichzeitig akzeptieren immer mehr Amerikaner säkulare Werte. Homosexualität ist heute weniger verpönt als zu jedem anderen Zeitpunkt. Das Zusammenleben ohne Trauschein und Heiraten über Hautfarbengrenzen hinweg sind normal, kaum jemand will noch Abtreibungen verboten sehen. Frauen arbeiten in wachsender Zahl außerhalb des Hauses. Junge Leute, religiös Ungebundene, Liberale, Frauen und Katholiken wählten 2008 aber überproportional Obama und die Demokraten.
Für die Republikanische Partei sind das keine guten Nachrichten - ihr traditionelles Milieu schrumpft. Die Partei öffnet sich jedoch kaum, große Teile suchen ihr Heil sogar in der Flucht nach rechts. Seine Wurzeln hat dieser neue Konservativismus in den 1960er-Jahren. Damals erschütterten Bürgerrechtsbewegung, Vietnamkriegsproteste, Rock "n"Roll und sexuelle Befreiung das traditionelle Gesellschaftsbild. Vielen weißen Amerikanern vor allem im hochreligiösen Bibelgürtel im Süden und Mittleren Westen war dies ein Kulturbruch, ein Bote des Untergangs. Die Republikaner boten den verunsicherten traditionell orientierten Bürgern Heimat. Und so mutierte ausgerechnet jene Partei, in der sich einst die fortschrittlichen Gegner der Sklaverei gesammelt hatten, zur Partei des Antiprotests.
Schon Nixon appellierte entsprechend an die 'schweigende Mehrheit' im Land, Reagan hofierte die religiöse Rechte, Bush junior war gar einer von ihr. Die Tea-Party-Bewegung ist die jüngste und radikalste Inkarnation dieses Konservativismus. Gemäßigte Republikaner werden als 'Rinos' (Republicans in name only - nur dem Namen nach Republikaner) verspottet und aus der Partei getrieben. Dort geben heute die Tea Party und fundamentalistische Christen den Ton an. Sie rekrutieren sich primär aus älteren weißen Männern, die sich kulturell und demografisch abgehängt sehen und sich dagegen mit aller Macht aufbäumen. Die Erzkonservativen sind deshalb so laut, weil sie fast alle großen ideologischen Schlachten verlieren. 'Sieger protestieren nicht', kommentiert dies der britische Soziologe Steve Bruce.
Obama ist für die Tea Party das perfekte Feindbild, weil er ihre Urängste verkörpert: Er ist Sohn eines schwarzen Immigranten und einer Weißen, sein zweiter Vorname lautet Hussein. In Indonesien ist er groß geworden, linksliberal, Absolvent der Elite-Uni Harvard. Xenophobie, Überfremdungsängste und Anti-Intellektualismus verstärken sich in seiner Person wechselseitig. Dass so viele Tea-Party-Anhänger glauben, Obama sei Muslim und im Ausland geboren und damit ein illegitimer Präsident, liegt in der Fluchtlinie ihrer Logik. Wer nicht ist wie wir, kann Amerika nicht rechtmäßig vertreten.
Selbst Romney akzeptierten die republikanischen Parteiaktivisten in den Vorwah-len erst, als sich alle ultrakonservativen Kandidaten bis auf die Knochen blamiert hatten. Aber Romney, eigentlich ein Mann des gemäßigten Flügels, musste vorher alle seine liberalen Positionen räumen. Nach seiner offiziellen Nominierung Ende August stellte er jedoch fest, dass er mit rechten Parolen allein keine Mehrheit der Wähler hinter sich bringen konnte. Deshalb übt er nun den Spagat: Auf der einen Seite hat er im Wahlkampf versucht, die eigene Basis mit scharfen Angriffen auf Obama bei der Stange zu halten. Auf der anderen Seite fischt er im größer gewordenen Milieu der Demokratischen Partei nach Stimmen. Gezielt umwirbt er Frauen, Latinos und junge Leute mit dem Argument, auch ihnen sollte es zunächst um ihre Jobs gehen - und die garantiere er besser als Obama.
Die Taktik hat durchaus gewirkt. Zum einen, weil auch in den USA die Anzahl der Wechselwähler zunimmt: Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu bedeutet nicht mehr, dass einer automatisch eine bestimmte Partei wählt. Und dann brachte dieser neue, gemäßigte Romney den Präsidenten völlig aus dem Tritt. Seither ist Obamas Vorsprung in den Umfragen nur mehr hauchdünn.
Vielleicht reicht Romney der späte Schwenk zur Mitte sogar für den Sieg; vielleicht ist es nur ein Wirbelsturm, der Obamas zweite Amtszeit rettet. Langfristig aber können die Republikaner nicht darauf bauen, dass sie auf der Zielgeraden das Ruder noch herumreißen. Vielmehr müssen sie sich den wachsenden Wählergruppen öffnen und auf deren Anliegen eingehen. Es genügt nicht, nur ein paar Vertreter von Minderheiten auf Parteitagen nach vorn zu schieben, Condoleezza Rice zum Beispiel, die ehemalige schwarze Außenministerin, oder Senator Marco Rubio, Kind kubanischer Einwanderer.
Die Republikaner könnten sich ein Beispiel ausgerechnet an Bill Clinton nehmen. Er führte eine dezidiert linke Demokratische Partei in den 1990er-Jahren in die Mitte der Gesellschaft zurück. Vorausgegangen waren drei schmerzliche Niederlagen der Demokraten bei Präsidentschaftswahlen. Wahrscheinlich müssen auch die Republikaner erst verlieren, um aus dem konservativen Verlies auszubrechen, in das sie Tea Party und religiöse Rechte geführt haben.