Am Ende war ihre Rückkehr an Chiles Staatsspitze eher eine Pflichtübung. Bereits den ersten Wahlgang Mitte November hatte Michelle Bachelet überlegen gewonnen und nur die absolute Mehrheit knapp verfehlt, die bekam sie nun in der Stichwahl gegen Evelyn Matthei. 62,15 Prozent der Stimmen sammelte die milde Sozialistin und zieht am 11. März 2014 ein zweites Mal in den Präsidentschaftspalast La Moneda ein, wo sie bereits zwischen 2006 und 2010 regiert hatte. Damals war die frühere Kinderärztin die erste Staatschefin des südamerikanischen Landes gewesen, jetzt hat sie ihre rechten Rivalen deklassiert.
Michelle Bachelet gewinnt die Präsidentenwahl in Chile und will das Erbe Pinochets überwinden.
Das Comeback allerdings wird kompliziert. Denn Frau Bachelet will endlich Pinochets Erbe überwinden. Nach ihrem Triumph am Sonntagabend wiederholte die Siegerin ihr Versprechen, im Gesicht mit der randlosen Brille ihr beliebtes Lächeln. „Chile hat beschlossen, dass dies der Moment für tief greifende Veränderungen ist“, sagt sie. „Wir, die wir den Wandel wollen, sind eine weitreichende Mehrheit.“ 60 Prozent der Chilenen blieben der Wahl allerdings fern, ein demokratisches Drama. Bachelets Parteienbündnis Nueva Mayoría, Neue Mehrheit, reicht von den Christdemokraten bis zu den Kommunisten. Dieses Fortsetzung des vormaligen Paktes Concertación ist seit dem Ende der Diktatur 1990 nur einmal in der Opposition gewesen, nämlich in der Regierungszeit des rechtsgerichteten Präsidenten und Milliardärs Sebastián Piñera, die nun endet.
Michelle Bachelet gilt mit 61 Jahren als Symbol der Wende. Sie ist wesentlich geschickter als Amtsinhaber Piñera und hat moralische Vorteile. Ihr Vater war der unter Pinochet zu Tode gefolterte General Alberto Bachelet, ein Vertrauter des 1973 hinweg geputschten Sozialisten Salvador Allende. Sie wurde verhaftet, flüchtete ins Exil, wurde später Ministerin und Präsidentin und zuletzt Frauen-Beauftragte der UN in New York. Sie ist geschieden und zog ihre Kinder alleine groß. Ihre Vita steht in einigem Kontrast zu ihrer reaktionären Gegnerin und Jugendfreundin Matthei, Tochter eines Junta-Mitglieds. Beide vertreten zwei entgegengesetzte Lager, 40 Jahre nach dem Staatsstreich gegen Allende.
Doch Michelle Bachelet versucht sich als Kompromissfigur, als eine Art Angela Merkel Chiles. Sie verkündet eine ebenso sanfte wie entschiedene Revolution. Bei orthodoxen Ökonomen genießt Chile den Ruf einer Modellnation. Das machen stabile Wachstumsraten, üppige Staatseinkommen durch Kupferexport und weitere Produkte wie Holz, Lachs, Wein sowie schicke Autobahnen und wahnwitzige Bauwerke. Im erdbebengefährdeten Santiago entstand das Einkaufs- und Bürozentrum Costanera Center des Unternehmers Horst Paulmann, sein Turm ragt 300 Meter hoch in den oft von Smog verhangenen Himmel.
Scharen von Kunden füllen solche Tempel des Konsums, doch gleichzeitig ist das OECD-Mitglied Chile eines der Länder mit der ungerechtesten Verteilung der Einkommen und der einseitigsten Gesetzgebung.
Jeder zweite chilenische Arbeiter verdient umgerechnet weniger als 345 Euro im Monat. Laut einer Studie der Universidad de Chile vereint ein Prozent der reichsten Chilenen so viel Geld wie 31 Prozent der übrigen 17,5 Millionen Einwohner auf sich – das Missverhältnis ist deutlich krasser als in den USA und in Deutschland. Selbst Ausbildung und Wasserversorgung sind im neoliberalen Musterstaat privatisiert, Pinochets Verfassung von 1980 gilt in weiten Teilen bis heute. Während ihres ersten Mandats hat Michelle Bachelet trotz sozialistischen Parteibuchs kaum an dem Turbokapitalismus gerüttelt. Im zweiten Versuch will sie es wagen.
Zu ihren Unterstützern gehören die meisten Schüler und Studenten, die seit Jahren gegen abstruse Erziehungskosten protestieren. Chiles Schulen und Universitäten gehören zu den teuersten der Welt. Michelle Bachelet kündigt deutlich billigeren bis kostenlosen Zugang zu Klassenzimmern und Hörsälen an. Bildung sei keine Ware. Dafür sollen Firmen steuerlich höher belastet werden. Auch will die frühere Ärztin durchsetzen, dass Schwangere im Falle gesundheitlicher Gefahren abtreiben dürfen. Bisher ist der Schwangerschaftsabbruch im erzkatholischen Chile selbst nach Vergewaltigung Minderjähriger verboten.
Für einfache Reformen hat die Neue genügend Sitze im Parlament. Für den geplanten Umbau der Verfassung dagegen bräuchte Bachelet eine Zweidrittel-Mehrheit, die ihr fehlt. Ihre kommunistischen Verbündeten mit der vormaligen Studentenführerin Camila Vallejo werden drängen. Ihre christdemokratischen Helfer werden bremsen, rechte Widersacher noch mehr.
Michelle Bachelet gewinnt die Präsidentenwahl in Chile und will das Erbe Pinochets überwinden.
Das Comeback allerdings wird kompliziert. Denn Frau Bachelet will endlich Pinochets Erbe überwinden. Nach ihrem Triumph am Sonntagabend wiederholte die Siegerin ihr Versprechen, im Gesicht mit der randlosen Brille ihr beliebtes Lächeln. „Chile hat beschlossen, dass dies der Moment für tief greifende Veränderungen ist“, sagt sie. „Wir, die wir den Wandel wollen, sind eine weitreichende Mehrheit.“ 60 Prozent der Chilenen blieben der Wahl allerdings fern, ein demokratisches Drama. Bachelets Parteienbündnis Nueva Mayoría, Neue Mehrheit, reicht von den Christdemokraten bis zu den Kommunisten. Dieses Fortsetzung des vormaligen Paktes Concertación ist seit dem Ende der Diktatur 1990 nur einmal in der Opposition gewesen, nämlich in der Regierungszeit des rechtsgerichteten Präsidenten und Milliardärs Sebastián Piñera, die nun endet.
Michelle Bachelet gilt mit 61 Jahren als Symbol der Wende. Sie ist wesentlich geschickter als Amtsinhaber Piñera und hat moralische Vorteile. Ihr Vater war der unter Pinochet zu Tode gefolterte General Alberto Bachelet, ein Vertrauter des 1973 hinweg geputschten Sozialisten Salvador Allende. Sie wurde verhaftet, flüchtete ins Exil, wurde später Ministerin und Präsidentin und zuletzt Frauen-Beauftragte der UN in New York. Sie ist geschieden und zog ihre Kinder alleine groß. Ihre Vita steht in einigem Kontrast zu ihrer reaktionären Gegnerin und Jugendfreundin Matthei, Tochter eines Junta-Mitglieds. Beide vertreten zwei entgegengesetzte Lager, 40 Jahre nach dem Staatsstreich gegen Allende.
Doch Michelle Bachelet versucht sich als Kompromissfigur, als eine Art Angela Merkel Chiles. Sie verkündet eine ebenso sanfte wie entschiedene Revolution. Bei orthodoxen Ökonomen genießt Chile den Ruf einer Modellnation. Das machen stabile Wachstumsraten, üppige Staatseinkommen durch Kupferexport und weitere Produkte wie Holz, Lachs, Wein sowie schicke Autobahnen und wahnwitzige Bauwerke. Im erdbebengefährdeten Santiago entstand das Einkaufs- und Bürozentrum Costanera Center des Unternehmers Horst Paulmann, sein Turm ragt 300 Meter hoch in den oft von Smog verhangenen Himmel.
Scharen von Kunden füllen solche Tempel des Konsums, doch gleichzeitig ist das OECD-Mitglied Chile eines der Länder mit der ungerechtesten Verteilung der Einkommen und der einseitigsten Gesetzgebung.
Jeder zweite chilenische Arbeiter verdient umgerechnet weniger als 345 Euro im Monat. Laut einer Studie der Universidad de Chile vereint ein Prozent der reichsten Chilenen so viel Geld wie 31 Prozent der übrigen 17,5 Millionen Einwohner auf sich – das Missverhältnis ist deutlich krasser als in den USA und in Deutschland. Selbst Ausbildung und Wasserversorgung sind im neoliberalen Musterstaat privatisiert, Pinochets Verfassung von 1980 gilt in weiten Teilen bis heute. Während ihres ersten Mandats hat Michelle Bachelet trotz sozialistischen Parteibuchs kaum an dem Turbokapitalismus gerüttelt. Im zweiten Versuch will sie es wagen.
Zu ihren Unterstützern gehören die meisten Schüler und Studenten, die seit Jahren gegen abstruse Erziehungskosten protestieren. Chiles Schulen und Universitäten gehören zu den teuersten der Welt. Michelle Bachelet kündigt deutlich billigeren bis kostenlosen Zugang zu Klassenzimmern und Hörsälen an. Bildung sei keine Ware. Dafür sollen Firmen steuerlich höher belastet werden. Auch will die frühere Ärztin durchsetzen, dass Schwangere im Falle gesundheitlicher Gefahren abtreiben dürfen. Bisher ist der Schwangerschaftsabbruch im erzkatholischen Chile selbst nach Vergewaltigung Minderjähriger verboten.
Für einfache Reformen hat die Neue genügend Sitze im Parlament. Für den geplanten Umbau der Verfassung dagegen bräuchte Bachelet eine Zweidrittel-Mehrheit, die ihr fehlt. Ihre kommunistischen Verbündeten mit der vormaligen Studentenführerin Camila Vallejo werden drängen. Ihre christdemokratischen Helfer werden bremsen, rechte Widersacher noch mehr.