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Die Synode rappt

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Die evangelische Kirche hat Angst vor ihrem langweiligen Image. Deshalb soll im Lutherjahr 1017 der Reformator total locker rüberkommen. Doch das gefällt nicht allen.


Timmendorferstrand - Eine Überraschung gebe es, haben die sie geraunt bei der Synode, und dass es schon wichtig wäre, um 20 Uhr da zu sein. Ein Flügel ist auf die Bühne geschoben, ein bläulich leuchtender Großbildschirm wartet auf die Powerpoint-Präesentation - es wird kreativ. Zu den unvertreibbaren Ängsten des Protestantismus gehört die, als 'Kirche des Wortes' zwar intellektuell hochstehend zu sein, aber doch als farbarm, langweilig, emotionsreduziert zu gelten. Das muss anders werden, sagen die Kirchenverantwortlichen. Manchmal möchten sie deshalb was ganz besonders Cooles machen. Jetzt, auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, sollen also Martin Luther und die Reformation total locker rübergebracht werden. Weil doch Halbzeit der Lutherdekade ist. Mögen auch viele Delegierte über sechzig und wenige unter 26 sein.


Bundeskanzlerin Merkel unterstützt die EKD in ihrem Vorhaben

Es poppen also Piktogramme in Pastellfarben auf, von denen man vermuten kann, dass sie die jungen Leute heutzutage mögen. Es wummert ein Melanchthon-Rap, zwischendurch springt der Komponist Dieter Falk federnd auf und zeigt dass er ein klasse Klavierspieler ist. Ein Moderatorenduo verliest, was in den ersten fünf Jahren der Lutherdekade gelaufen ist, im ersten Jahr hundert Veranstaltungen, dann 366 Konzerte, zum Schluss gar 850 Events - wenn man den demografischen Wandel berücksichtigt, kann man errechnen, wann es so viele Luthervorträge wie Kirchenmitglieder gibt.

Immerhin weiß man am Ende, wie die evangelische Kirche das Lutherjahr 2017 feiern möchte. So werden unter anderem 95 VW-Busse aus den 70er Jahren (Katalysator? Öko-Bilanz?) aus 95 Städten je eine These zur Zeit abholen - es wird also in Wittenberg eine Art Thesenanschlag zur Lage der heutigen Welt geben. Es soll einen 'Stationenweg' über die Stätten der Reformation nach Wittenberg geben, eine 'Weltausstellung des Protestantismus', ein großes Jugendcamp - und zum Abschluss des Kirchentags 2017 in Berlin sollen 300000 Menschen einen Gottesdienst auf den Wiesen vor Wittenberg feiern. Den 31. Oktober sollen die Gemeinden dann bei sich zu Hause begehen, in hunderttausenden Gottesdiensten und Festen. Bis dahin soll Dieter Falk auch sein Luther-Musical auf die Bühne gebracht haben. Das Lutherjubiläum soll nicht nur die Erinnerung an ein seit 500 Jahren vergangenes Ereignis sein, sondern Gegenwart - und Event, das zeigt: Es macht Spaß, evangelisch zu sein. Die Idee, dass der Reformationstag 2017 gesetzlicher Feiertag wird, komme übrigens aus der Politik, betont man bei der EKD.

Auch eine Lutherbotschafterin hat die EKD seit ziemlich genau einem Jahr, es ist Margot Käßmann, die nach einer Alkoholfahrt zurückgetretene Ratsvorsitzende. Als sie das Amt antrat, galt dies als Verlegenheitslösung, um die prominente Protestantin wieder in den Kirchenbetrieb einzugliedern; inzwischen aber erhält sie viel Lob für ihre Auftritte. An diesem Montagmorgen hält sie die Bibelarbeit - einige Synodale halten das für eine kleine Zurücksetzung, andere sagen: Es gibt nichts Wichtigeres auf der Synode als die Bibelarbeit.

Margot Käßmann also tritt auf, ganz in Schwarz, auch sie hat den Pianospieler Falck als Begleitung, gemeinsam intonieren sie Luthers 'Ein feste Burg ist unser Gott', lange habe sie Schwierigkeiten mit diesem Lied gehabt sagt Käßmann, 'gar zu martialisch schien es uns, Gott als Wehr und Waffen'; aber es bleibe 'ein Trutzlied, ein Lied gegen den Zweifel, gegen die Anfechtung, ein Trostlied auch und vor allem ein Loblied Gottes'. Das hätte man sich zu Beginn der Lutherdekade noch nicht so recht vorstellen können.

Es gibt Debatten um den Kundgebungesentwurf zur Reformation, der den einen zu wenig politisch ist und den andren eher richtungslos; es gibt Applaus für den Hamburger Erzbischof Werner Thissen, der deutlich macht, dass er sich für 2017 ein gemeinsames Gedenken von Katholiken und Protestanten wünscht.

Und dann ist sie da, am Nachmittag, Angela Merkel, zieht ein zu Posaunenklang und dem Lied 'Nun freu" Dich liebe Christgemein.' Die Bundeskanzlerin, zum ersten mal zu Gast auf einer EKD-Synode, lobt die 'Leidenschaft der Reformatoren' für die Bildung, die Freiheit des Einzelnen, die Wertschätzung des eigenen Gewissens - sie hätten damit geholfen, 'die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft zu schaffen. Und weil die Politik ohne Fundament nicht auskomme, nicht ohne ein Bewusstsein gemeinsamer, grundlegender Normen und Werte, fördere die Regierung auch die Reformationsdekade - am 31. Oktober hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) weiteres Geld für Projekte zum Reformationsjubiläum bereitgestellt; unterstützt werden sollen unter anderem Ausstellungen, Jugendaktionen und Denkmalpflegemaßnahmen. Sie hoffe, sagte Merkel, dass das Jubiläum 'auch eine missionarische Komponente hat' und Menschen erreiche, die lange nichts mehr von Gott und Glauben gehört hätten.

Es ist ein Bekenntnis zur jener Staat-Kirche-Bindung, die zunehmend in der Debatte steht, ob es ums kirchliche Arbeitsrecht geht oder eben um Staatsgeld zur Luther- dekade. Die Synodalen danken mit warmem Applaus. Und singen zum Auszug der Kanzlerin noch einmal Luthers Choral: Ein feste Burg ist unser Gott.'

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