Siegfried Mundlos holt aus seiner Aktentasche eine Flasche Wasser heraus, stellt einen Becher vor sich auf den Zeugentisch und packt seinen Apfel aus. Der Vater des Neonazis Uwe Mundlos hat sich auf einen langen Tag eingerichtet, und er will es sich wohl ein wenig gemütlich machen im Gerichtssaal. Der Mann war Informatikprofessor, ist in Rente, und nun sieht er sich interessiert um. Er mustert das Gericht, die Verteidiger, die Nebenkläger im NSU-Prozess. Dann will der Professor erst mal etwas erklären. Die Unschuldsvermutung, die müsse bitte gewahrt werden. „Sie sind nicht hier, um solche Stellungnahmen abzugeben“, geht Richter Manfred Götzl dazwischen. „Gehen Sie bitte darauf ein, was Sie gefragt werden. Sie bestimmen nicht den Gang der Verhandlung.“
Siegfried Mundlos, der Vater des Neonazis Uwe Mundlos, wird als Zeuge im NSU-Prozess gehört. Anstatt auf Fragen zu antworten belehrt er den Richter.
Siegfried Mundlos soll als Zeuge darüber berichten, wie alles begann mit Beate Zschäpe und seinem Sohn Uwe. Wie die beiden ein Paar wurden, und wie der Sohn Kontakt zu Neonazis bekam. Doch der Professor a. D. hat seine eigene Agenda. Er hat einen ganzen Block dabei, dicht beschrieben, und es wirkt so, als wolle er selbst Anklage erheben: gegen den Staat. Gegen den Verfassungsschutz, der „die naiven jungen Leute“ in die rechte Szene gezogen habe, und gegen den Generalbundesanwalt, der von „Verschwörungstheorien“ gesprochen und damit vielleicht auch den Vater Mundlos gemeint habe. „Da fühle ich mich sehr bedrängt als Zeuge“, sagt Siegfried Mundlos. Ihm gehe es darum, dass alles in den Prozess mit einbezogen wird, was der Wahrheitsfindung dient. Ja, sagt Götzl: „Das ist aber unsere Aufgabe, und wir werden uns darum kümmern. Das ist nicht Aufgabe des Zeugen.“ Und später belehrt Mundlos auch noch die Staatsanwaltschaft: Er wolle wissen, wer hinter dieser Sauerei steckt. „Das deutsche Volk wird Ihnen diese Sache nie abkaufen.“
Aber wie war denn nun Uwe Mundlos, der Sohn? Der Mann, der später als NSU-Terrorist gemeinsam mit seinen Freunden Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zehn Morde und 15 Raubüberfälle verübt haben soll? Der dann in einem Wohnmobil erst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen hat, als sie von Polizei umstellt waren? Wie war dieser Uwe, den der Vater nach der Flucht 1998 nie wieder gesehen hat? „Sehr lieb“, sagt der Vater. Vor allem zum behinderten Bruder. Und sehr ehrlich. Ein „systemkritischer Kämpfer“ zu DDR-Zeiten.
Nach der Wende lernte der Sohn Beate Zschäpe kennen, es war seine erste Freundin. Beate sei nicht damit einverstanden gewesen, dass ihr Freund Springerstiefel trug, sie habe auch lieber in die Disko als zu Demos gewollt. „Ich dachte, es gelingt Beate, ihn von diesem Spleen abzubringen“, sagt Vater Mundlos. Damals hätten viele aus dem Freundeskreis Diebstähle begangen, „toi toi toi, das hatte mein Sohn nicht nötig“. Er habe den Sohn und seine Freunde zum Campen gefahren, „damit sich die jungen Leute nicht von irgendwelchen Rattenfängern fangen lassen“.
Dass sein Sohn nach rechts abdriftete, hat Siegfried Mundlos geärgert. Aber der Vater stellt den Sohn, so schwer die Vorwürfe der Anklage auch sind, als naiven Mitläufer dar, als Verführten. Über Beate Zschäpe sagt er, sie habe er eher als links eingeschätzt. Da sie einen rumänischen Vater habe, würde sich Fremdenhass ja auch verbieten, sagt Siegfried Mundlos.
Richter Götzl möchte nun wissen, wie Zschäpe und ihr Freund miteinander umgegangen sind?
Mundlos: „Sie sind nett miteinander umgegangen. Gleichberechtigt, wenn Sie das so hören wollen.“
Götzl: „Ich will gar nichts hören.“
Mundlos: „Ich wähle das Wort, weil es ja auch so war. Die haben viel unternommen. Rumgereist, waren keine Langweiler.“
Dann berichtet der Vater, dass sein Sohn Ehrfurcht vor einem älteren Neonazi hatte.
Götzl: „Was bedeutet Ehrfurcht?“
Mundlos: „Er hat großen Einfluss auf meinen Sohn ausgeübt. Fragen Sie doch die Frau Beate Zschäpe!“
Götzl: „Es wirkt ein bisschen läppisch, wenn Sie mir so kommen. Was soll das?“
Jeder weiß ja, dass Beate Zschäpe nicht spricht. Und dann beißt der Professor auch noch in seinen Apfel. Das wird als grobe Missachtung des Gerichts gesehen. Ein Zeuge, der nach stundenlanger Vernehmung einen Schluck Wasser trank, hat in einem anderen Verfahren schon mal den Zorn Götzls zu spüren bekommen. Aber einer, der in einen Apfel beißt? „Wenn Sie Hunger haben, machen wir jetzt eine Pause“, verfügt Götzl konsterniert. Nach zehn Minuten fragt er dann den Zeugen: „Sind Sie frisch gestärkt?“
Mundlos: „Das war nicht gegen Ihre Autorität gerichtet, dass ich in den Apfel gebissen habe. Ich habe eine raue Kehle.“
Götzl: „Ich mache das hier auch schon ziemlich lange. Aber Sie sind der erste Zeuge, der hier seine Brotzeit ausgepackt hat.“
Später, nach der regulären Mittagspause, hat sich die Spannung zwischen dem Zeugen und dem Richter nicht gelöst. Vater Mundlos redet ziemlich ungeordnet, aber dafür sehr selbstbewusst und belehrend. Er trennt kaum zwischen Angelesenem und selbst Erlebtem. Das irritiert den Richter, doch auf seine Ermahnungen reagiert der Professor vor allem mit Trotz, nicht mit Einsicht. Als der Vater noch mal genauer die politischen Ideen seines Sohnes und die Rolle von Uwe Böhnhardt erklären soll, kommt es zum Eklat. Siegfried Mundlos erzählt von einem Freund seines Sohnes, der vor Böhnhardts Brutalität gewarnt habe. Er selbst habe ihn für eine tickende Zeitbombe gehalten.
Götzl: „Warum haben Sie das nicht mit Ihrem Sohn besprochen?“
Mundlos: „Sie sind ein kleiner Klugsch...“ – „Was fällt Ihnen ein!“, sagt Götzl und droht dem Zeugen Ordnungsmittel an. Mundlos nennt Götzl später auch noch „arrogant“, und im Übrigen möchte er bitte mit „Herr Professor“ angesprochen werden. Götzl bleibt jedoch bei der Anrede „Herr Doktor Mundlos“. Vom Herrn Doktor möchte er nun noch etwas mehr erfahren über dessen Verhältnis zu Uwe Mundlos. Die knappe Antwort: „Ich war der Vater, und das war mein Sohn.“
Siegfried Mundlos, der Vater des Neonazis Uwe Mundlos, wird als Zeuge im NSU-Prozess gehört. Anstatt auf Fragen zu antworten belehrt er den Richter.
Siegfried Mundlos soll als Zeuge darüber berichten, wie alles begann mit Beate Zschäpe und seinem Sohn Uwe. Wie die beiden ein Paar wurden, und wie der Sohn Kontakt zu Neonazis bekam. Doch der Professor a. D. hat seine eigene Agenda. Er hat einen ganzen Block dabei, dicht beschrieben, und es wirkt so, als wolle er selbst Anklage erheben: gegen den Staat. Gegen den Verfassungsschutz, der „die naiven jungen Leute“ in die rechte Szene gezogen habe, und gegen den Generalbundesanwalt, der von „Verschwörungstheorien“ gesprochen und damit vielleicht auch den Vater Mundlos gemeint habe. „Da fühle ich mich sehr bedrängt als Zeuge“, sagt Siegfried Mundlos. Ihm gehe es darum, dass alles in den Prozess mit einbezogen wird, was der Wahrheitsfindung dient. Ja, sagt Götzl: „Das ist aber unsere Aufgabe, und wir werden uns darum kümmern. Das ist nicht Aufgabe des Zeugen.“ Und später belehrt Mundlos auch noch die Staatsanwaltschaft: Er wolle wissen, wer hinter dieser Sauerei steckt. „Das deutsche Volk wird Ihnen diese Sache nie abkaufen.“
Aber wie war denn nun Uwe Mundlos, der Sohn? Der Mann, der später als NSU-Terrorist gemeinsam mit seinen Freunden Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zehn Morde und 15 Raubüberfälle verübt haben soll? Der dann in einem Wohnmobil erst Böhnhardt und dann sich selbst erschossen hat, als sie von Polizei umstellt waren? Wie war dieser Uwe, den der Vater nach der Flucht 1998 nie wieder gesehen hat? „Sehr lieb“, sagt der Vater. Vor allem zum behinderten Bruder. Und sehr ehrlich. Ein „systemkritischer Kämpfer“ zu DDR-Zeiten.
Nach der Wende lernte der Sohn Beate Zschäpe kennen, es war seine erste Freundin. Beate sei nicht damit einverstanden gewesen, dass ihr Freund Springerstiefel trug, sie habe auch lieber in die Disko als zu Demos gewollt. „Ich dachte, es gelingt Beate, ihn von diesem Spleen abzubringen“, sagt Vater Mundlos. Damals hätten viele aus dem Freundeskreis Diebstähle begangen, „toi toi toi, das hatte mein Sohn nicht nötig“. Er habe den Sohn und seine Freunde zum Campen gefahren, „damit sich die jungen Leute nicht von irgendwelchen Rattenfängern fangen lassen“.
Dass sein Sohn nach rechts abdriftete, hat Siegfried Mundlos geärgert. Aber der Vater stellt den Sohn, so schwer die Vorwürfe der Anklage auch sind, als naiven Mitläufer dar, als Verführten. Über Beate Zschäpe sagt er, sie habe er eher als links eingeschätzt. Da sie einen rumänischen Vater habe, würde sich Fremdenhass ja auch verbieten, sagt Siegfried Mundlos.
Richter Götzl möchte nun wissen, wie Zschäpe und ihr Freund miteinander umgegangen sind?
Mundlos: „Sie sind nett miteinander umgegangen. Gleichberechtigt, wenn Sie das so hören wollen.“
Götzl: „Ich will gar nichts hören.“
Mundlos: „Ich wähle das Wort, weil es ja auch so war. Die haben viel unternommen. Rumgereist, waren keine Langweiler.“
Dann berichtet der Vater, dass sein Sohn Ehrfurcht vor einem älteren Neonazi hatte.
Götzl: „Was bedeutet Ehrfurcht?“
Mundlos: „Er hat großen Einfluss auf meinen Sohn ausgeübt. Fragen Sie doch die Frau Beate Zschäpe!“
Götzl: „Es wirkt ein bisschen läppisch, wenn Sie mir so kommen. Was soll das?“
Jeder weiß ja, dass Beate Zschäpe nicht spricht. Und dann beißt der Professor auch noch in seinen Apfel. Das wird als grobe Missachtung des Gerichts gesehen. Ein Zeuge, der nach stundenlanger Vernehmung einen Schluck Wasser trank, hat in einem anderen Verfahren schon mal den Zorn Götzls zu spüren bekommen. Aber einer, der in einen Apfel beißt? „Wenn Sie Hunger haben, machen wir jetzt eine Pause“, verfügt Götzl konsterniert. Nach zehn Minuten fragt er dann den Zeugen: „Sind Sie frisch gestärkt?“
Mundlos: „Das war nicht gegen Ihre Autorität gerichtet, dass ich in den Apfel gebissen habe. Ich habe eine raue Kehle.“
Götzl: „Ich mache das hier auch schon ziemlich lange. Aber Sie sind der erste Zeuge, der hier seine Brotzeit ausgepackt hat.“
Später, nach der regulären Mittagspause, hat sich die Spannung zwischen dem Zeugen und dem Richter nicht gelöst. Vater Mundlos redet ziemlich ungeordnet, aber dafür sehr selbstbewusst und belehrend. Er trennt kaum zwischen Angelesenem und selbst Erlebtem. Das irritiert den Richter, doch auf seine Ermahnungen reagiert der Professor vor allem mit Trotz, nicht mit Einsicht. Als der Vater noch mal genauer die politischen Ideen seines Sohnes und die Rolle von Uwe Böhnhardt erklären soll, kommt es zum Eklat. Siegfried Mundlos erzählt von einem Freund seines Sohnes, der vor Böhnhardts Brutalität gewarnt habe. Er selbst habe ihn für eine tickende Zeitbombe gehalten.
Götzl: „Warum haben Sie das nicht mit Ihrem Sohn besprochen?“
Mundlos: „Sie sind ein kleiner Klugsch...“ – „Was fällt Ihnen ein!“, sagt Götzl und droht dem Zeugen Ordnungsmittel an. Mundlos nennt Götzl später auch noch „arrogant“, und im Übrigen möchte er bitte mit „Herr Professor“ angesprochen werden. Götzl bleibt jedoch bei der Anrede „Herr Doktor Mundlos“. Vom Herrn Doktor möchte er nun noch etwas mehr erfahren über dessen Verhältnis zu Uwe Mundlos. Die knappe Antwort: „Ich war der Vater, und das war mein Sohn.“