US-Präsident Barack Obama will aus Protest gegen Russlands Verbot von „Schwulenpropaganda“ demonstrativ eine lesbische Tennis-Legende zur olympischen Eröffnungsfeier entsenden. Und nicht nur er. Auch andere wollen Farbe bekennen. Was beim Einmarsch der Flaggenträger in Sotschi allerdings auch klar werden dürfte: Größer als die Zahl der Staaten, die sich über Moskau empören, ist die Zahl der Staaten, denen Russlands Schwulenpolitik sogar noch zu lasch ist.
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Mehr als 70 Länder, so informiert das Auswärtige Amt, verfolgen mittlerweile Homosexuelle mit dem Strafrecht. Und dies nicht nur, wenn Lesben und Schwule in der Öffentlichkeit für Akzeptanz werben, wie in Russland. Sondern selbst in ihren eigenen vier Wänden. Jetzt hat Uganda angekündigt, homosexuelle Handlungen schärfer zu bestrafen als bisher, mit bis zu lebenslanger Haft. Ursprünglich hatte die Parlamentsmehrheit in dem zentralafrikanischen Land sogar die Todesstrafe fordern wollen, wie sie bereits in sieben Staaten droht – das sind Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Afghanistan, Sudan, Mauretanien, Jemen und Saudi-Arabien. Von diesem Plan hatte sich Uganda verabschiedet, nachdem westliche Partner gedroht hatten, Hilfsgelder zu streichen.
Die neue Höchststrafe soll in Uganda verhängt werden, wenn Minderjährige an homosexuellen Handlungen beteiligt sind oder einer der Geschlechtspartner HIV-positiv ist, selbst wenn Kondome benutzt werden. Gleichzeitig führt Uganda eine Pflicht ein, Schwule und Lesben zu denunzieren. „Jeder, der Homosexualität praktiziert, dafür rekrutiert oder darüber publiziert, begeht jetzt ein Verbrechen“, erklärte Simon Lokodo, Ugandas Staatsminister für Ethik und Anstand. Noch muss Ugandas Präsident Yoweri Museveni das Gesetz unterzeichnen. Die Verfassung lässt ihm dafür 30 Tage Zeit, und unter dem Druck der USA scheint er im Moment zu zögern: US-Präsident Obama hat das Gesetz als „abscheulich“ kritisiert; die USA sind ein wichtiger Geldgeber. Museveni hat Zweifel am Zustandekommen des Gesetzes im Parlament angemeldet – das bringt Zeit.
Dass Uganda sich mit einem verschärften Gesetz zu Diktaturen gesellen würde, kann man dem Land dabei nicht recht vorwerfen. Denn erst in diesem Monat ist auch die größte Demokratie der Welt, Indien, zur Kriminalisierung von Homosexuellen zurückgekehrt, nachdem dort vor drei Jahren ein Gericht den entsprechenden Strafrechts-Paragrafen ausgesetzt hatte. Die Staaten, die selbstbestimmt Liebende kriminalisieren und sich damit die Sexualmoral ihrer Untergebenen zum Anliegen machen, haben eher etwas anderes gemeinsam. Die Trennung von Staat und Religion, von Recht und Moral, eine Errungenschaft der Aufklärung, setzte sich in manchen Teilen des Westens früher durch als in anderen. Das laizistische Frankreich beschränkte seine Strafgerichte bereits 1791 auf den Schutz von individuellen Freiheiten und Rechtsgütern. Gegen einvernehmliche homosexuelle Handlungen gab es da für seine Juristen nichts einzuwenden, so wurden homosexuelle Handlungen entkriminalisiert; auch in allen französischen Kolonien. Die säkulare Türkei folgte 1852. Das antiklerikale Sowjetreich folgte 1917.
Es sind religiös konzipierte Staaten, die sich dagegen stemmen. Staaten, die sich Staatsminister für Ethik und Anstand halten wie Uganda, die auch „göttliche“ Interessen mit ihrem Strafrecht schützen: „Ein Votum gegen den Teufel“ habe Ugandas Parlament gerade abgegeben, sagte der Abgeordnete David Bahati, der hinter dem verschärften Schwulen-Gesetz steht, nach der Abstimmung im Parlament. „Dies ist ein Sieg für Uganda und unsere gottesfürchtige Nation.“ Eine strengere Regelung sei notwendig geworden, weil Homosexuelle aus westlichen Staaten drohten, ugandische Familien zu zerstören, indem sie Kinder für ihren Lebensstil „rekrutierten“.
Als im Sommer 1972 die Fahnenträger aus aller Welt in das Münchner Olympiastadion einzogen, da war die Strafbarkeit von homosexuellen Handlungen auch in Deutschland erst drei Jahre zuvor aufgehoben worden. Noch keine zehn Jahre war es her, dass Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion die Kriminalisierung eines „sozialethisch besonders verwerflichen Verhaltens“ verteidigt hatten. „Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat“, heißt es in einem Gesetzentwurf der Union von 1962 (Drucksache IV/650), „war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge.“ Erst der frische Wind der 1960er-Jahre fegte das dröhnende Moralisieren damals aus dem deutschen Strafgesetzbuch. So wie in Burkina Faso im Jahr 1996, in der Demokratischen Republik Kongo 2006 und zuletzt in Botswana 2010. Ronen Steinke

Mehr als 70 Länder, so informiert das Auswärtige Amt, verfolgen mittlerweile Homosexuelle mit dem Strafrecht. Und dies nicht nur, wenn Lesben und Schwule in der Öffentlichkeit für Akzeptanz werben, wie in Russland. Sondern selbst in ihren eigenen vier Wänden. Jetzt hat Uganda angekündigt, homosexuelle Handlungen schärfer zu bestrafen als bisher, mit bis zu lebenslanger Haft. Ursprünglich hatte die Parlamentsmehrheit in dem zentralafrikanischen Land sogar die Todesstrafe fordern wollen, wie sie bereits in sieben Staaten droht – das sind Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Afghanistan, Sudan, Mauretanien, Jemen und Saudi-Arabien. Von diesem Plan hatte sich Uganda verabschiedet, nachdem westliche Partner gedroht hatten, Hilfsgelder zu streichen.
Die neue Höchststrafe soll in Uganda verhängt werden, wenn Minderjährige an homosexuellen Handlungen beteiligt sind oder einer der Geschlechtspartner HIV-positiv ist, selbst wenn Kondome benutzt werden. Gleichzeitig führt Uganda eine Pflicht ein, Schwule und Lesben zu denunzieren. „Jeder, der Homosexualität praktiziert, dafür rekrutiert oder darüber publiziert, begeht jetzt ein Verbrechen“, erklärte Simon Lokodo, Ugandas Staatsminister für Ethik und Anstand. Noch muss Ugandas Präsident Yoweri Museveni das Gesetz unterzeichnen. Die Verfassung lässt ihm dafür 30 Tage Zeit, und unter dem Druck der USA scheint er im Moment zu zögern: US-Präsident Obama hat das Gesetz als „abscheulich“ kritisiert; die USA sind ein wichtiger Geldgeber. Museveni hat Zweifel am Zustandekommen des Gesetzes im Parlament angemeldet – das bringt Zeit.
Dass Uganda sich mit einem verschärften Gesetz zu Diktaturen gesellen würde, kann man dem Land dabei nicht recht vorwerfen. Denn erst in diesem Monat ist auch die größte Demokratie der Welt, Indien, zur Kriminalisierung von Homosexuellen zurückgekehrt, nachdem dort vor drei Jahren ein Gericht den entsprechenden Strafrechts-Paragrafen ausgesetzt hatte. Die Staaten, die selbstbestimmt Liebende kriminalisieren und sich damit die Sexualmoral ihrer Untergebenen zum Anliegen machen, haben eher etwas anderes gemeinsam. Die Trennung von Staat und Religion, von Recht und Moral, eine Errungenschaft der Aufklärung, setzte sich in manchen Teilen des Westens früher durch als in anderen. Das laizistische Frankreich beschränkte seine Strafgerichte bereits 1791 auf den Schutz von individuellen Freiheiten und Rechtsgütern. Gegen einvernehmliche homosexuelle Handlungen gab es da für seine Juristen nichts einzuwenden, so wurden homosexuelle Handlungen entkriminalisiert; auch in allen französischen Kolonien. Die säkulare Türkei folgte 1852. Das antiklerikale Sowjetreich folgte 1917.
Es sind religiös konzipierte Staaten, die sich dagegen stemmen. Staaten, die sich Staatsminister für Ethik und Anstand halten wie Uganda, die auch „göttliche“ Interessen mit ihrem Strafrecht schützen: „Ein Votum gegen den Teufel“ habe Ugandas Parlament gerade abgegeben, sagte der Abgeordnete David Bahati, der hinter dem verschärften Schwulen-Gesetz steht, nach der Abstimmung im Parlament. „Dies ist ein Sieg für Uganda und unsere gottesfürchtige Nation.“ Eine strengere Regelung sei notwendig geworden, weil Homosexuelle aus westlichen Staaten drohten, ugandische Familien zu zerstören, indem sie Kinder für ihren Lebensstil „rekrutierten“.
Als im Sommer 1972 die Fahnenträger aus aller Welt in das Münchner Olympiastadion einzogen, da war die Strafbarkeit von homosexuellen Handlungen auch in Deutschland erst drei Jahre zuvor aufgehoben worden. Noch keine zehn Jahre war es her, dass Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion die Kriminalisierung eines „sozialethisch besonders verwerflichen Verhaltens“ verteidigt hatten. „Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat“, heißt es in einem Gesetzentwurf der Union von 1962 (Drucksache IV/650), „war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge.“ Erst der frische Wind der 1960er-Jahre fegte das dröhnende Moralisieren damals aus dem deutschen Strafgesetzbuch. So wie in Burkina Faso im Jahr 1996, in der Demokratischen Republik Kongo 2006 und zuletzt in Botswana 2010. Ronen Steinke