Berlin – Es ist die erste Bundestagsrede von Luise Amtsberg, 29, Grünen-Abgeordnete aus Kiel. Sie verspricht sich häufig, aber nicht so sehr, weil sie nervös ist. Sie ärgert sich, das merkt man deutlich. Der Redner vor ihr, Thomas Silberhorn aus der Unionsfraktion, hatte von Mitgefühl, nachvollziehbaren Fluchtgründen und einer „Tragödie“ gesprochen, die sich ereignet habe. Amtsberg will von Mitgefühl nichts mehr hören. Ihre Stimme wird immer schneller, als sie von ihrer Reise nach Italien und den Bedingungen, unter denen Flüchtlinge dort leben, spricht: „Von diesem Mitgefühl haben zynischerweise nicht die Überlebenden profitiert.“
Doch die Empathie und Sensibilität der Bundestagsabgeordneten wird an diesem Vormittag häufig thematisiert. Die Fraktion der Linken hat die Bundesregierung in einem Antrag aufgefordert, sich für eine offenere, humanere Flüchtlingspolitik einzusetzen, das „Massensterben an den EU-Außengrenzen zu beenden“, die Grenzschutzagentur Frontex abzuschaffen, die Dublin-Verordnung gleich mit. Dass dieser Antrag keine Chance haben wird, ist von Vornherein klar; aber es ist auch klar, dass die europäische Politik handeln muss, nachdem im Oktober vergangenen Jahres mehr als 300 Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa ertrunken sind.
Und so betonen die Redner der unterschiedlichen Fraktionen zunächst stets die Erschütterung, die sie nach dem Schiffsunglück gepackt hat. Sabine Bätzing-Lichtenthäler von der SPD erzählt, wie schwer es ihr fallen würde, aus ihrer Heimat, dem Westerwald, zu fliehen. Fast jeder hat ein kleines Zitat oder eine kurze Geschichte von einem Flüchtling mitgebracht, den er persönlich kennen lernen durfte. Die Geschichten der Unionspolitiker erkennt man allerdings daran, dass ihre Flüchtlinge häufig beschlossen haben, doch besser in ihrem Heimatland zu bleiben.
Eine Debatte, in der es vor allem darum geht, den Ton abzustecken, der in den nächsten Jahren beim Thema Flüchtlingspolitik herrschen wird. Die Redner von CDU und CSU, die sich als Vertreter der stärksten Fraktion in der Mehrheit befinden, betonen vor allem eines: Deutschland habe im Vergleich mit anderen europäischen Ländern schon sehr viel getan, allein 2013 wurden mehr als 100000 Asylanträge in Deutschland gestellt. Zahlen schwirren durch den Saal, Asylbewerber pro Kopf – da sind die Italiener ganz schlecht, der Libanon zu bewundern –, 2600 eingeflogene Flüchtlinge aus Syrien, die Frage, ob das nun viel oder wenig ist. Den Schulklassen, die oben in den Glaskästen sitzen, fällt es zunehmend schwer zuzuhören.
Etwas später kommt es im Parlament zu einer interessanten Verbindung. Stephan Mayer, CSU-Abgeordneter aus Altötting, ist dabei, der Linken vorzuwerfen, dass sie immer nur Deutschland und nie die anderen EU-Länder in die Zange nehme. Das italienische Bossi-Fini-Gesetz, das Beihilfe zur illegalen Einwanderung unter Strafe stellt – also auch Fischer, die jemand aus dem Meer retten – hätten die Linken wieder nicht kritisiert. Die Antwort kommt prompt: Man werde eine entsprechende Initiative nach Italien schicken, heißt es aus der Linken. Ob man mit der Unterstützung der Union rechnen dürfe? Mayer druckst herum, sagt aber eher ja als nein. Rüdiger Veit, SPD-Experte für Menschenrechte, rechnet Zuschauern und Unionskollegen dann noch schnell vor, dass die Italiener gar nicht so wenige Flüchtlinge aufnehmen: Die Anerkennungsquote Deutschlands liegt deutlich niedriger als die Italiens. Das heißt: Auch wenn bei uns viele Anträge gestellt werden, bleiben auf lange Sicht gar nicht so viele Menschen. Neuling Luise Amtsberg ist zufrieden. In der Flüchtlingsfrage zeichnet sich ein sachlicher, empathischer Ton ab. Dass die Union Italien auffordert, menschenwürdige Bedingungen in den Lagern zu schaffen, aber selbst nicht helfen will, findet sie genauso falsch wie die Konzentration auf die Heimatländer der Flüchtlinge. „Bis sich die Lage dort verändert, dauert es Jahrzehnte. Und so lange werden die Menschen weiter fliehen“, sagt sie. Trotzdem freut sich Amtsberg jetzt auf die Zusammenarbeit in den Ausschüssen. Es sei zwar „gut zu wissen, dass jemand einen schlechten Tag hatte“ wegen der Ereignisse vor Lampedusa; politische Folgen hat das allerdings noch nicht.
Luise Amtsberg, 29, ist seit kurzem flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Debatte war für sie ein Vorgeschmack auf die Verhandlungen mit der Regierung.
Doch die Empathie und Sensibilität der Bundestagsabgeordneten wird an diesem Vormittag häufig thematisiert. Die Fraktion der Linken hat die Bundesregierung in einem Antrag aufgefordert, sich für eine offenere, humanere Flüchtlingspolitik einzusetzen, das „Massensterben an den EU-Außengrenzen zu beenden“, die Grenzschutzagentur Frontex abzuschaffen, die Dublin-Verordnung gleich mit. Dass dieser Antrag keine Chance haben wird, ist von Vornherein klar; aber es ist auch klar, dass die europäische Politik handeln muss, nachdem im Oktober vergangenen Jahres mehr als 300 Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa ertrunken sind.
Und so betonen die Redner der unterschiedlichen Fraktionen zunächst stets die Erschütterung, die sie nach dem Schiffsunglück gepackt hat. Sabine Bätzing-Lichtenthäler von der SPD erzählt, wie schwer es ihr fallen würde, aus ihrer Heimat, dem Westerwald, zu fliehen. Fast jeder hat ein kleines Zitat oder eine kurze Geschichte von einem Flüchtling mitgebracht, den er persönlich kennen lernen durfte. Die Geschichten der Unionspolitiker erkennt man allerdings daran, dass ihre Flüchtlinge häufig beschlossen haben, doch besser in ihrem Heimatland zu bleiben.
Eine Debatte, in der es vor allem darum geht, den Ton abzustecken, der in den nächsten Jahren beim Thema Flüchtlingspolitik herrschen wird. Die Redner von CDU und CSU, die sich als Vertreter der stärksten Fraktion in der Mehrheit befinden, betonen vor allem eines: Deutschland habe im Vergleich mit anderen europäischen Ländern schon sehr viel getan, allein 2013 wurden mehr als 100000 Asylanträge in Deutschland gestellt. Zahlen schwirren durch den Saal, Asylbewerber pro Kopf – da sind die Italiener ganz schlecht, der Libanon zu bewundern –, 2600 eingeflogene Flüchtlinge aus Syrien, die Frage, ob das nun viel oder wenig ist. Den Schulklassen, die oben in den Glaskästen sitzen, fällt es zunehmend schwer zuzuhören.
Etwas später kommt es im Parlament zu einer interessanten Verbindung. Stephan Mayer, CSU-Abgeordneter aus Altötting, ist dabei, der Linken vorzuwerfen, dass sie immer nur Deutschland und nie die anderen EU-Länder in die Zange nehme. Das italienische Bossi-Fini-Gesetz, das Beihilfe zur illegalen Einwanderung unter Strafe stellt – also auch Fischer, die jemand aus dem Meer retten – hätten die Linken wieder nicht kritisiert. Die Antwort kommt prompt: Man werde eine entsprechende Initiative nach Italien schicken, heißt es aus der Linken. Ob man mit der Unterstützung der Union rechnen dürfe? Mayer druckst herum, sagt aber eher ja als nein. Rüdiger Veit, SPD-Experte für Menschenrechte, rechnet Zuschauern und Unionskollegen dann noch schnell vor, dass die Italiener gar nicht so wenige Flüchtlinge aufnehmen: Die Anerkennungsquote Deutschlands liegt deutlich niedriger als die Italiens. Das heißt: Auch wenn bei uns viele Anträge gestellt werden, bleiben auf lange Sicht gar nicht so viele Menschen. Neuling Luise Amtsberg ist zufrieden. In der Flüchtlingsfrage zeichnet sich ein sachlicher, empathischer Ton ab. Dass die Union Italien auffordert, menschenwürdige Bedingungen in den Lagern zu schaffen, aber selbst nicht helfen will, findet sie genauso falsch wie die Konzentration auf die Heimatländer der Flüchtlinge. „Bis sich die Lage dort verändert, dauert es Jahrzehnte. Und so lange werden die Menschen weiter fliehen“, sagt sie. Trotzdem freut sich Amtsberg jetzt auf die Zusammenarbeit in den Ausschüssen. Es sei zwar „gut zu wissen, dass jemand einen schlechten Tag hatte“ wegen der Ereignisse vor Lampedusa; politische Folgen hat das allerdings noch nicht.
Luise Amtsberg, 29, ist seit kurzem flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Debatte war für sie ein Vorgeschmack auf die Verhandlungen mit der Regierung.