Vorsicht vor der gemeinen Kartoffel. In Sambia kann das Wort eine Beleidung sein.
Vorsicht mit dem Wort Süßkartoffel. In Sambia hat ein Oppositionspolitiker es im Radio verwendet, um den Präsidenten zu beschreiben. Nun ist er in Haft, unter dem Vorwurf der Beleidigung. Falls er verurteilt wird, drohen Frank Bwalya bis zu fünf Jahren Gefängnis. Dabei handelt es sich auch im Original, in der Sprache Bemba, um ein eher mäßig pikantes Wort: „Chumbu mushololwa“ meint eine Knolle, die dafür bekannt ist, unbiegsam zu sein. Ein Gemüse, das eher zersplittern und zerbröseln würde, als unter Druck seine Form zu verändern. So wie ein starrköpfiger Mensch.
Dass offener Spott gegen Machthaber überhaupt gewagt wird, ist noch eine recht junge Entwicklung in der Region. Nicht nur wegen der traditionell eisernen Faust der Autokraten. Auch die Hochachtung, die in Afrika den Alten entgegengebracht wird, schützt Politiker wie den 76-jährigen sambischen Präsidenten Michael Sata. Einen „Mzee“, wie ein alter Mann etwa in Kenia ehrfurchtsvoll genannt wird, verspottet man nicht. Aber Sambia ist einer der wenigen Staaten im südlichen Afrika, in denen regelmäßig gewählt wird und sich Machtwechsel einigermaßen ruhig vollziehen. Ein Hauch von demokratischer Kultur – dafür sind schmutzige Wörter dann vielleicht der schönste Indikator, wie auch für eine reiche, vom Landleben geprägte Beleidigungskultur.
Schon der Vorvorgänger des sambischen Präsidenten wurde mit einem Wort aus dem Gemüsegarten belegt: Als einen „Kohl“ hatte ein Journalist 2002 Levy Mwanawasa bezeichnet. Ein scharfer Ausdruck, der Autor kam zunächst in Haft, später wurde das Verfahren eingestellt. Eine zweite berühmte Spitze stammte aus der Welt der Tiere: Ein schwerfälliger Elefant sei der Präsident, hatte 2004 ein Brite namens Roy Clarke geschrieben, der mit einer Sambierin verheiratet war und für eine örtliche Zeitung schrieb. Der Artikel spielte auf den Roman „Farm der Tiere“ von George Orwell an, andere Regierungsmitglieder wurden als Schlangen, Giraffen oder Krokodile bezeichnet. 24 Stunden gab der Innenminister dem Briten, um das Land zu verlassen.
Konkurrenzlos oft beleidigt ist in der Region freilich weiter der Machthaber Simbabwes, Robert Mugabe, der im kommenden Monat seinen 90. Geburtstag feiern will (während die durchschnittliche Lebenserwartung seiner Landsleute im Laufe seiner Amtszeit von 54 auf 44 Jahre gesunken ist). Wie zum Geschenk für Karikaturisten trägt er ein Hitlerbärtchen, sorgt aber mit einem maßgeschneiderten Gesetz dafür, dass Witze darüber unterbleiben. Das Gesetz gegen die Beleidigung des Präsidenten ist in den vergangenen Jahren Dutzende Male angewandt worden. Erst im Mai wurde der Aktivist Solomon Madzore verhaftet, weil er Mugabe einen „lahmen Esel“ genannt habe. „Dhongi rinokamina“, ein Lasttier, das altersbedingt in den Ruhestand entlassen werden muss.
Erst vor zwei Monaten hat sich ein mutiger Richter in Simbabwe für das freie, auch das schmutzige Wort starkgemacht. Mugabes Anti-Beleidigungsgesetz sei verfassungswidrig. Jedenfalls sollten die Staatsanwälte es nicht mehr so übereifrig gegen Leute anwenden, die „in Trinkhallen und an anderen sozialen Orten“ über den Diktator sprechen. Ob aber im benachbarten Sambia künftig mit weniger Angst geflucht werden darf, das wird sich erst von Dienstag an zeigen: Da wird im Süßkartoffel-Fall die gerichtliche Hauptverhandlung eröffnet. Bei einer ersten Anhörung hat der Oppositionspolitiker Frank Bwalya auf „nicht schuldig“ plädiert. Es war ein Auftritt vor vollgepacktem Saal, wie die Lusaka Times berichtete.