Flauschiger Ersatz: Ihr Traumdate Justin war nicht zur Hand, deswegen musste Eugenie Bouchard mit einem Wallaby Vorlieb nehmen.
Ausgebuht wurde sie, die Fans in der Rod Laver Arena waren empört, sie konnten nicht verstehen, was sie da gehört hatten über die Lautsprecherboxen. Justin Bieber? Den singenden, hopsenden amerikanischen Mädchen-Schwarm würde sie am allerliebsten treffen? Eugenie Bouchard blieb standhaft, unten auf dem Hauptplatz der Australian Open. Sie lächelte verschmitzt und ließ keinen Zweifel erkennen. Ja. Den Bieber.
In Momenten wie diesen schimmert durch, dass auf der Tennisbühne, die für Bouchard immer größer wird, doch noch ein Teenager steht. 19 Jahre ist sie ja erst. Aber die pfiffige Bouchard, die offizielle „Newcomerin des Jahres 2013“ der Frauen-Tennistour, die als erste Kanadierin im Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers steht nach dem 5:7, 7:5, 6:2-Erfolg gegen die Serbin Ana Ivanovic, geht scheinbar spielend wie eine Erfahrene mit all den Erwartungen um, die auf ihr lasten.
Sicher sei sie glücklich, erstmals in ihrer Karriere im Achtelfinale zu stehen, sagte sie nach dem Drittrundensieg gegen Lauren Davis – „aber ich will noch mehr erreichen“, schob sie nach. „Ich erwarte auch immer viel von mir“, relativierte sie nach dem Achtelfinalsieg gegen Casey Dellacqua, die aus Perth stammt und das Publikum hinter sich wusste. Bouchard hatte die Australierin im dritten Satz mit 6:2 abgefertigt, cool wie eine Agentin. Und jetzt, nach dem Triumph gegen Ivanovic, die zuvor Serena Williams bezwungen hatte, die Beste der Branche? „Ich habe nur versucht, sie unter Druck zu setzen“, analysierte Bouchard. 47 Winners, direkt erzielte Punkte, belegten ihre explosive Spielweise von der Grundlinie aus. Vielleicht ist sie wirklich schon jetzt „on fire“, wie ihre treueste Fangruppe stets brüllt, die sich die „Genie Army“ nennt und ihre Spiele im Melbourne Park verfolgt. Dabei kennt die Kanadierin diese Australier gar nicht.
Die Erfolgsgeschichte der „Genie“ Bouchard beim ersten Grand-Slam-Turnier der Saison ist eben eine, die sich gerade erst ausbreitet – und vor dem nächsten Höhepunkt steht mit der Halbfinalteilnahme. Ganz überraschend ist sie aber nicht, selbst die Turnierveranstalter vergaßen bislang bei keiner Durchsage auf dem Platz, sie als „rising star“ anzukündigen. Auch die lokalen Blätter folgen der Kanadierin, so sind schon mal Bouchards hübsche Outfits, vorgeführt bei gesellschaftlichen Anlässen, ein Thema; kamerascheu ist sie nicht. Und dass sie in Kanada das Wetter im Fernsehen ankündigen darf, weiß man nun auch in Australien.
Nun also will Li Na versuchen, den aufstrebenden Star zu stoppen. Sie ist die Nummer vier, French-Open-Gewinnerin von 2011, mit 31 aber ein in absehbarer Zeit von der Bühne verschwindender Star. Was dem Duell Würze verleiht: Zwei Generationen messen sich miteinander. „Ich denke, sie ist eine großartige Spielerin“, befand Bouchard trocken, „es ist ja auffallend, dass immer mehr ältere Spieler im Alter besser spielen.“ Ernst fügte sie hinzu: „Ich glaube, ich habe hier gezeigt, dass ich mit großen Momenten umgehen kann. Ich bin zuversichtlich und freue mich aufs Spiel.“
Wegen mangelnden Selbstvertrauens wird sie wohl kaum verlieren. Diese Stärke wäre vielmehr einer der Gründe, falls sie am Sonntag als erste Teenagerin seit 2006, als Maria Scharapowa mit 19 bei den US Open triumphierte, den Grand-Slam-Titel erringen sollte. Sie kann sich diese Haltung leisten, sie ist einfach gut in ihrem Beruf, in der vergangenen Saison schoss sie vom 144. auf den 32. Weltranglistenplatz hinauf und war die am höchsten geführte Unter-Zwanzigjährige.
Geadelt wurde Bouchard, die in Florida mit dem Ex-Profi Nick Saviano trainiert, bereits von Martina Navratilova. Genie sei eine „potentielle Grand-Slam-Siegerin“, sagte die frühere Spitzenspielerin. Als Roger Federer vor den Australian Open ausgewählte Profis bei seinem Benefizabend in der Rod Laver Arena mitwirken ließ, stand Bouchard auf der Gästeliste. Sie verhielt sich sehr natürlich, als sie sich mit dem Schweizer ablichten ließ.
Zur Pressekonferenz am Dienstag brachte Bouchard mal wieder ein Stofftier mit, sie bekommt das immer von ihrer Armee geschenkt, jedes Mal ein anderes, nach dem Koala, dem Känguru und dem Kookaburra hat sie nun einen Wombat erhalten. Nur vier? Sie hat doch schon fünf Runden gespielt! „Sie haben das erste Match ausgelassen“, erklärte Bouchard und schaute belustigt, als empfinde auch sie das als Skandal.